OLG Schleswig: Separate Ausweisung von Pfand bei Preisangaben ist zulässig und kann nicht abgemahnt werden

OLG Schleswig: Separate Ausweisung von Pfand bei Preisangaben ist zulässig und kann nicht abgemahnt werden
13.08.2020 | Lesezeit: 5 min

Die Frage, ob ein Flaschen- oder Dosenpfand als Preisbestandteil in den Gesamtpreis einzurechnen oder separat davon auszuweisen ist, beschäftigt deutsche Gerichte seit langem. Grund für die Meinungsverschiedenheit sind zwei sich widersprechende Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV). Eine ist europäischer, die andere deutscher Rechtsnatur. In einer aktuellen Entscheidung vom 30.07.2020 (Az. 6 U 49/19) macht das OLG Schleswig deutlich, dass die Ausweisung des Pfandes als separater Preisbestandteil gemäß der deutschen Vorschrift keine Unterlassungsansprüche nach sich ziehen kann. Lesen Sie mehr zur Entscheidung und den Hintergründen.

I. Die Crux mit dem Pfandaufschlag nach der PAngV

Ob ein anfallendes Pfand in den Gesamtpreis einzurechnen ist oder separat hiervon mit der Angabe „zzgl. X,XX€ Pfand“ auszuweisen ist, wird in der deutschen Rechtsprechung seit langem diskutiert.

Grund für die Disparitäten sind Absätze in § 1 der Preisangabenverordnung, die sich augenscheinlich widersprechen.

So muss gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV dem europäischen Vorbild entsprechend gegenüber Verbrauchern stets der Gesamtpreis angegeben werden. Als Gesamtpreis gilt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV der Verkaufspreis, der einschließlich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Preisbestandteile zu zahlen ist.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV basiert auf der EU- Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG und legt nahe, dass auch ein Pfandaufschlag als Preisbestandteil zu werten, also in den Gesamtpreis mit einzurechnen ist.

Nun allerdings existiert in der PAngV noch der § 1 Abs. 4, der Folgendes vorschreibt:

Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.

Nach § 1 Abs. 4 PAngV ist Pfand gerade nicht als Bestandteil des Gesamtpreises, sondern separat auszuweisen.

§ 1 Abs. 4 PAngV ist eine rein deutsche Rechtsnorm, die der Gesetzgeber unter Beachtung des hiesigen Pfandsystems eingeführt hat, die allerdings keinen Rückhalt in der EU-Preisangabenrichtlinie findet.

Da die EU-Preisangabenrichtlinie allerdings die Vollharmonisierung nationalen Rechts in Bezug auf Preisausweisungen gegenüber Verbrauchern bezweckt, lässt sie Mitgliedsstaaten keinen Raum, von den Preisausweisungsgrundsätzen nach eigenem Ermessen abzuweichen. Die Richtlinie erlaubt Mitgliedsstaaten insbesondere nicht, die EU-Definition des Gesamtpreises nach nationalem Vorbild zu verändern und Regelungen zur Ausklammerung einzelner Preisbestandteile zu treffen.

§ 1 Abs. 4 PAngV hat daher nach einhelliger Meinung keine Grundlage im EU-Recht, ist europarechtswidrig und darf nicht mehr angewendet werden.

Damit entschieden ist jedoch noch nicht die Frage, ob sich Unternehmer bei der separaten Ausweisung von Pfandaufschlägen dennoch auf § 1 Abs. 4 PAngV berufen können. Immerhin steht dieser nach wie vor im Gesetz.

Hier scheiden sich bisher die Geister. Diverse Landgerichte sehen wegen der Europarechtswidrigkeit von § 1 Abs. 4 PAngV in der separaten Ausweisung von Pfand einen abmahnbaren Preisangabenverstoß, unterschiedliche Oberlandesgerichte halten dagegen und erlauben diese Praxis.

Eine Kurzübersicht zur bisherigen Rechtsprechungspraxis stellt die IT-Recht Kanzlei hier bereit.

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II. OLG Schleswig: Europarechtswidrigkeit kann Händlern nicht angelastet werden

Eine differenzierte Ansicht im schon lang andauernden Meinungsstreit vertritt nun das OLG Schleswig, das mit Urteil vom Urteil vom 30. Juli 2020 (Az. 6 U 49/19) in zweiter Instanz jüngst die Klage eines Wettbewerbsvereins gegen einen Händler abwies.

Der Händler hatte bei diversen Angeboten für Getränke in Pfandflaschen den Pfandaufschlag separat vom Gesamtpreis mit der Formulierung „zzgl. …€ Pfand“ ausgewiesen. Hieran stieß sich der klagende Verein und sah einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Laut Verein musste der Pfandaufschlag in den Gesamtpreis mit eingerechnet werden.

Das Gericht wies die Klage, der das Landgericht Kiel zuvor stattgegeben hatte, in der Berufungsinstanz mit einer geschickten Begründung ab.

Der beklagte Händler habe sich bei der separaten Ausweisung des Pfandes auf § 1 Abs. 4 PAngV berufen.

Die Vorschrift verstoße zwar gegen Europarecht, da sie von den Vorgaben der EU-Preisangabenrichtlinie nicht gedeckt und als „nationaler Alleingang“ daher richtlinienwidrig sei. Zur Folge habe dies allerdings nur, dass Gerichte den § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr anwenden dürften.

Für Händler, also die nach der PAngV Verpflichteten, sei die Vorschrift aber nach wie vor geltendes Recht und daher für sie bindend und auch von ihnen zu beachten.

Werde ein Pfandaufschlag separat ausgewiesen, entspreche dies dem, was das Recht verlange. Der zwar europarechtswidrige, in Deutschland aber nach wie vor geltende § 1 Abs. 4 PAngV gebiete die Ausweisung von Pfand jenseits des Gesamtpreises.

Ein rechtlich gebotenes Verhalten könne aber nie die Grundlage einer Verurteilung gerade zur Unterlassung dieses Verhaltens sein. Eine Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, weil sie ein gesetzlich gefordertes Verhalten pönalisieren würde.

Wer sich nach nationalem Recht rechtstreu verhalte, müsse die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden.

Das Befolgen der Vorschrift zur separaten Ausweisung von Pfand gemäß § 1 Abs. 4 PAngV könne deshalb nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsbegehrens gemacht werden.

III. Fazit

Das OLG Schleswig hat jüngst einen weiteren Beitrag zum Meinungsstreit um das „Wie“ der Ausweisung von Pfandaufschlägen geleistet.

Das OLG Schleswig ist der Ansicht, dass die separate Ausweisung des Pfandbetrages neben dem Gesamtpreis nicht Gegenstand einer Unterlassungsforderung sein kann. Die zugrundeliegende Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV sei zwar europarechtswidrig, aber in Deutschland nach wie vor bindendes Recht. Verhalte sich ein Händler unter Anwendung der Vorschrift rechtsreu, könne er dafür nicht belangt werden.

Es scheint, als festigte sich die Rechtsprechung hin zur Zulässigkeit der separaten Ausweisung des Pfandes außerhalb des Gesamtpreises.

Eine „Best Practice“ für Händler gibt es bislang aber nicht.

Im vorliegenden Fall wurde wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum BGH zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass nunmehr die Frage der Pfandausweisung höchstrichterlich geklärt wird.

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