Schützen Mitgliedschaften bei Abmahnvereinen in der Tat vor Abmahnungen?

Schützen Mitgliedschaften bei Abmahnvereinen in der Tat vor Abmahnungen?
Stand: 05.01.2021 8 min

Immer wieder kolportiert wird unter Online-Händlern, dass eine Mitgliedschaft bei einem „Abmahnverein“ den Händler vor Abmahnungen dieses Vereins schützen würde. Obwohl es hierauf natürlich keine pauschale Antwort geben kann, wollen wir uns im Folgenden einmal dieser Thematik widmen.

Jeder Abmahnverband fängt einmal klein an

In der Praxis hat sich folgende Vorgehensweise bei Abmahnverbänden wiederholt gezeigt:

Am Anfang stehen neu gegründete Verbände zumeist vor dem Problem, keinen (für Massenabmahnungen, die nicht selten das eigentliche Ziel sind) ausreichenden Mitgliederbestand vorweisen zu können.

Aus diesem Grund schießt man nicht von Anfang an „scharf“ mit Abmahnungen um sich, sondern versucht es zunächst auf die „freundliche“ Tour.

Händler, bei denen man angebliche Verstöße bemerkt haben will werden angerufen oder angeschrieben und auf die Defizite hingewiesen. Zugleich will man diesen eine Mitgliedschaft im Verband schmackhaft machen, wobei mehr oder weniger weitgehende rechtliche Unterstützung gegen einen Mitgliedschaftsbeitrag zugesagt wird.

Auf diese Weise ist es schon vielen Verbänden gelungen, schnell eine große Anzahl von Mitgliedern zu akquirieren.

Dabei wird natürlich darauf geachtet, möglichst Verkäufer aller Couleur als Mitglieder zu gewinnen. Schließlich braucht man als Abmahnverband nicht nur einen von der Anzahl her halbwegs soliden Mitgliederbestand. Je breiter das von den als Mitglieder gewonnenen Händlern angebotene Sortiment ist, umso breiter kann dann die Abmahnmaschinerie anlaufen.

So bleibt zunächst festzuhalten, dass viele Abmahnverbände von sich aus auf „Mitgliederfang“ gehen, eben um die notwendige Mitgliederbasis für das Abmahn(un)wesen zu schaffen bzw. diese dauerhaft zu halten.

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Unter dem Schutzschirm?

Nicht selten berichteten uns Händler, dass im Rahmen einer solchen Mitgliederakquise mehr oder weniger offen kommuniziert würde, dass der entsprechende Verband den Händler dann nicht (mehr) abmahnen würde, wird er dort Mitglied.

Ob der Verband dies tatsächlich so lebt, bleibt abzuwarten.

Was die meisten Händler nicht wissen: Ein Verband, der planmäßig so vorgeht, also eigene Mitglieder gezielt vor seinen Abmahnungen verschont, der stellt das Paradebeispiel eines rechtsmissbräuchlichen Abmahners dar.

Denn damit zeigt der Verband ja gerade, dass es ihm nicht um die Wiederherstellung eines lauteren Wettbewerbs durch konsequente Verfolgung von Wettbewerbsverstößen geht, sondern vielmehr darum, mit diesem „Versprechen“ möglichst effektiv Mitglieder zu akquirieren, um dann (ausschließlich) Nicht-Mitglieder abmahnen zu können.

Mit anderen Worten: Kein (seriös arbeitender) Abmahnverband kann es sich erlauben, so vorzugehen, da er dadurch akut Gefahr läuft, seine Aktivlegitimation und damit Abmahnbefugnis zu verlieren.

Schon aus diesem Grund sollten alle Alarmglocken läuten, wenn dem Händler eine Verschonung vor Abmahnungen bei Eingehung einer Mitgliedschaft versprochen wird.

Auf einem Auge blind?

Dass eine solche Praxis bei Gericht gar nicht gut ankommt, zeigt ein aktueller Beschluss des OLG Rostock vom 17.11.2020 (Az.: 2 U 16/19).

Dort hat der wohlbekannte Abmahnverband IDO (Langname: „IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.“) in einem Berufungsverfahren massiven Schiffbruch erlitten.

So hatte in der Vorinstanz bereits das LG Rostock dem abmahnenden IDO-Verband ein rechtsmissbräuchliches (und damit unzulässiges) Vorgehen attestiert, weil dieser angeblich systematisch eigene Mitglieder vor seinen zahlreich ausgebrachten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen verschone, während Nicht-Mitglieder tausendfach abgemahnt würden.

Gegen dieses vernichtende Urteil zog der IDO in die Berufung.

Das OLG Rostock als Berufungsgericht teilte nun durch Beschluss mit, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des IDO zurückzuweisen.

Das OLG führte zur Frage des Rechtsmissbrauchs seitens des IDO aus:

"Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in sachfremden, für sich genommen nicht schutzwürdigen Interessen und Zielen besteht, die als eigentliche Triebfeder der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelfallumstände (BGH, Urteil vom 04.07.2019–I ZR 149/18, GRUR 2019, 966 [Juris; Tz. 33]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.10, m.w.N.). Für sich genommen nicht ausreichend ist, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch duldet. Dies gilt insbesondere, wenn der Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen –etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsste –ist darin in der Regel schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urteil vom 12.12.1996 –I ZR 7/94, GRUR 1997, 537 [Juris; Tz. 18]). Demgegenüber ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung gewährt (BGH, Urteil vom 17.08.2011 –I ZR 148/10, GRUR 2012, 411 [Juris; Tz. 21 ff.]; OLG Celle, Urteil vom 26.03.2020 –13 U 73/19 [Juris; Tz. 51]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.21, m.w.N.)"

und

"Nach diesen Maßstäben geht der Senat hier von der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung aus. (…)
Es ergibt sich aber nach Aktenlage insgesamt –ebenso wie in dem Verfahren 2 U 5/19 –das Bild, dass der Kläger eigene Mitglieder gezielt von seiner Abmahntätigkeit ausspart. Das gilt auch unter Berücksichtigung der im Prinzip dem Kläger insofern günstigen Beweislastverteilung. Im Ausgangspunkt trifft die materielle Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs wegen des Einwendungscharakters dieser Rechtsfigur zwar den –vermeintlichen –Verletzer, hier also die Beklagte. Ist aber die tat-sächliche Vermutung für die Zulässigkeit der Rechtsverfolgung durch geeigneten Tatsachenvortrag des Verletzers –oder ggf. auch bereits anhand des eigenen Sachvortrages des klagenden Verbandes –erschüttert, aus dem sich Anhaltspunkte für eine systematische „Verschonung“ eigener Mitglieder ergeben, so trifft den Verband eine zumindest sekundäre Darlegungslast. Er muss dann durch substantiierten Tatsachenvortrag den Einwand des Rechtsmissbrauchs entkräften (zusammenfassend Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.25, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte liegen hier vor und sind nicht entkräftet. (…)
Insgesamt bestehen damit greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Aussparen eigener Mitglieder zumindest von der ernsthaften Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, zumal der Kläger auch nicht mit inhaltlicher Substanz und konkreter zeitlicher Eingrenzung zu etwaiger anderweitiger Einwirkung auf seine eigenen Mitglieder –konkret im Hinblick auf die hier in Rede stehende Angabe von Garantie-bedingungen –vorträgt. Weder gegenüber dem Landgericht noch gegenüber dem Senat hat der Kläger sich mit Substanz erklärt und beispielsweise konkrete Mitteilungen an seine Mitglieder vorgelegt, aus denen sich Hinweise zur Rechtslage, die Anmahnung eines rechtskonformen Verhaltens bei der Darstellung von Garantiebedingungen oder Vergleichbares ergäbe. Ausweislich des erwähnten Urteils aus dem Verfahren vor dem Landgericht Heilbronn sind entsprechende Ausführungen auch in dortiger Sache unterblieben."

Die Richter aus Rostock erteilen dem gezielten Aussparen eigener Mitglieder von Abmahnvorgängen seitens des IDO-Verbandes also eine klare Absage.

Ein solches Vorgehen stelle einen Fall des Rechtsmissbrauchs dar und führe zur Unzulässigkeit der Abmahnung und eines folgenden gerichtlichen Vorgehens seitens des IDO.

Nur Mittel zum Zweck?

Der Beschluss des OLG Rostock zeigt einmal mehr deutlich, auf welch dünnes Eis sich Abmahnverbände begeben, die den eigenen Mitgliedern „Abmahnfreiheit“ versprechen. Damit gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten:

Entweder es handelt sich beim „Abmahnschutz“ um ein leeres Versprechen und der Verband geht dann doch gegen eigene Mitglieder vor oder es handelt sich um einen unseriösen Verband, weil dieser die Akquise von Mitgliedern über die wettbewerbsrechtlichen Ziele stellt und damit rechtsmissbräuchlich handelt.

Vermutlich wollen aber die meisten Händler ohnehin nicht nur Mittel zum Zweck sein.

Deshalb sollte zunächst einmal kritisch hinterfragt werden, ob man als Händler in einem solchen Verband generell Mitglied werden möchte und damit erst ermöglicht, dass ein solcher Verband Händler abmahnen kann.

Ferner sollte geprüft werden, wie ernsthaft der Verband die rechtliche Absicherung von Händlern im Rahmen einer Mitgliedschaft tatsächlich nimmt.
Handelt es sich nur um ein notwendiges Nebenprodukt zum „Mitgliederfang“, dürfte die Beratungsleistung nicht ideal sein bzw. nicht im Händlerinteresse verlaufen.

Fazit:

In Einzelfällen mag es in der Tat zielführend gewesen sein, für eine „Abmahnfreiheit“ eine Mitgliedschaft bei einem Abmahnverband einzugehen. Jedoch kann sich in der Praxis kein seriöser Abmahnverband eine solche Vorgehensweise erlauben, da klar rechtsmissbräuchlich.

Deshalb schützt eine Mitgliedschaft bei den meisten Abmahnverbänden auch nicht vor einer Abmahnung durch diesen Verband.

Auch der IDO-Verband wird aufgrund der Rechtsprechung u.a. des OLG Rostock hier die Behandlungspraxis von Mitgliedern wohl zeitnah überdenken müssen.
Bei der Vielzahl abmahnender Verbände dürfte es weiterhin kostentechnisch wenig sinnvoll sein, bei jedem Verband eine kostenpflichtige Mitgliedschaft einzugehen.

Fraglich ist der Nutzen einer solchen Mitgliedschaft ohnehin, sollte der einzelne Händler dort lediglich Mittel zum Abmahnzweck sein.

Aufgrund der Einschränkungen der Abmahnmöglichkeiten seitens der Mitbewerber durch die Neufassung des UWG im Dezember 2020 steht leider zu erwarten, dass die Abmahntätigkeit der Abmahnverbände neue Höhen erreichen wird. Ein probates Mittel, sich vor Abmahnungen solcher Abmahnverbände zu schützen dürfte die Mitgliedschaft in heutigen Zeiten jedoch nicht mehr sein wie der Beschluss des OLG Rostock zeigt.

Der sicherste Weg, eine Abmahnung durch Verbände sowie auch durch Mitbewerber zu vermeiden, ist es, seine Internetauftritte rechtssicher zu gestalten.

Sie wollen rechtssicher im Internet handeln und gar nicht erst abgemahnt werden? Die IT-Recht Kanzlei sichert auch Sie gerne mit ihren Schutzpakete ab.

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Bildquelle: yavyav / shutterstock.com

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