OLG Nürnberg: B2B-Coachings sind kein Fernunterricht
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) bereitet Anbietern von Online-Kursen seit Jahren Probleme. Nach einem neuen Urteil sind B2B-Coachings aber gar kein Fernunterricht. Mehr dazu im Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Zulassungspflicht von Online-Kursen gemäß FernUSG
Anbieter von Online-Kursen und -Seminaren müssen das sog. Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) beachten, das bei Fernunterricht i.S.d. Gesetzes eine Zulassungspflicht und bestimmte weitere zwingende Vorgaben vorsieht.
Gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht i.S.d. Gesetzes dabei die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der
- der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
- der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
In der Rechtsprechung zum FernUSG werden vor allem in den letzten Jahren hierzu insbesondere drei Fragen diskutiert und teils völlig unterschiedlich rechtlich bewertet:
- Findet das FernUSG nur auf B2C-Verträge oder auch auf B2B-Verträge Anwendung?
- Besteht bei Live-Online-Kursen bzw. -Videokonferenzen eine räumliche Trennung i.S.d. FernUSG?
- Erfolgt bei (Remote-)Coachings eine Erfolgskontrolle i.S.d. FernUSG?
Das OLG Nürnberg hat sich in einem aktuellen Urteil bei verschiedenen dieser Punkte klar positioniert (OLG Nürnberg, Urteil vom 5. November 2024 - Az. 14 U 138/24).
FernUSG nur bei B2C-Verträgen
Nach Einschätzung des Gerichts ist das FernUSG nur auf Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und nicht auch auf Unternehmer nach § 14 BGB anwendbar. Das Gericht begründet seine Sichtweise mit Verweis im FernUSG auf die Gesetzesebegründung, die Entstehungsgeschichte und den ausdrücklichen Verweis auf die Geltung von Verbraucherschutznormen:
- Nach der Gesetzesbegründung soll das FernUSG nach Einschätzung des Gerichts den jeweiligen Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes schützen und sich damit in die übrigen Bemühungen zum Schutz von Verbraucher einreihen, wie z.B. das Abzahlungsgesetz, die Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auch hins. der Immobilienmakler. Das Gericht verweist auch darauf, dass der damalige Gesetzgeber das FernUSG auf eine Gesetzgebungskompetenz gestützt habe, die dem Verbraucherschutz zuzuordnen sei.
- Der allerdings fehlende ausdrückliche Hinweis im FernUSG auf den Verbraucherschutz sei dadurch begründet, dass es zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes die ausdrückliche Definition von Verbraucher i.S.d. § 13 BGB noch nicht gegeben habe - das sei erst später erfolgt.
- Im Übrigen sei der ausdrückliche Verweis in § 3 FernUSG auf verbraucherschützende Normen im BGB ein weiteres Indiz dafür, dass es sich beim FernUSG letztlich um ein Verbraucherschutzgesetz handele, das daher auf B2B-Verhältnisse nicht anwendbar sei.
(Live-)Videokonferenz = keine räumliche Trennung
Das Gericht sieht bei einer (Live-)Videokonferenz keine räumliche Trennung zwischen dem Lehrenden und dem bzw. den Lernenden i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG.
Bei einer Videokonferenz oder anderen synchronen Kommunikation (zwischen Lehrendem und Lernenden) sei jederzeit ein Kontakt wie in einer Präsenzveranstaltung möglich, so dass eine räumliche Trennung i.S.d. FernUSG nicht gegeben sei - und zwar obwohl sich Lehrender und Lernende nicht am selben (geographischen) Ort aufhalten.
Mit Verweis auf die Erläuterungen der für die Zulassung von Fernunterricht zuständigen Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZfU) könne von einer ausschließlichen oder überwiegenden räumlichen Distanz in folgenden Fällen ausgegangen werden:
- Die Lehrenden und die Lernenden sind ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt, wenn mehr als die Hälfte (> 50%) der Kenntnisse und Fähigkeiten mithilfe von Medien (z.B. Lehrbriefe etc.) vermittelt wird und bei deren Bearbeitung ein asynchroner Informationsaustausch vorliegt.
- Bei einem "virtuellen Klassenraum" oder anderer synchroner Kommunikation (z.B. Live-Chat) ist jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, so dass eine "räumliche Trennung" i. S. des Gesetzes nicht gegeben ist, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhalten.
- Bei asynchronem Austausch (z. B. Weblog, Forum, Wiki als Lernhilfe etc.) ist die Voraussetzung der "räumlichen Trennung" i. S. d. FernUSG gegeben. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, das Forum mit Fragen zu bestücken und Kommentare abzugeben. Die Möglichkeit, einer simultanen Antwort besteht jedoch nicht.
Feedback-Möglichkeit während Coaching = keine Erfolgskontrolle
Schließlich sei - so das Gericht weiter - alleine die Möglichkeit, in einem Coaching Feedback zum Kursinhalt zu bekommen, keine Erfolgskontrolle i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG.
Die Sichtweise des Gerichts:
- Eine Überwachung des Lernerfolgs sei bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag über den Kurs den Anspruch habe, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Es komme auf eine solche vertragliche Vereinbarung an, nicht ob in der Praxis tatsächlich dann auch eine Überwachung des Lernerfolgs durchgeführt werde.
- Alleine die Möglichkeit bzw. Gelegenheit, während eines Coachings oder Mentorings individuelle Fragen an den Lehrenden zu stellen, stelle bereits dem Wortlaut nach aber keine Überwachung des Lernerfolgs dar.
- Auch die Bezeichnung eines Videokurses als "E-Learning-Plattform" belege nicht, dass der Teilnehmer nach dem Coaching-Vertrag im konkreten Fall des Gerichts das Recht gehabt hätte, eine Lernkontrolle einzufordern. Dies lasse sich alleine aus der Bezeichnung "E-Learning-Plattform" nicht schließen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Sichtweise und Argumentation des OLG Nürnbergs ist überzeugend.
- B2B-Online-Live-Kurse im Zusammenhang mit Coachings unterfallen nach Ansicht dieses Gerichts gleich aus mehreren Gründen nicht dem Anwendungsbereich und damit auch nicht der Zulassungspflicht des Fernunterrrichtsschutzgesetzes (FernUSG).
- Das Urteil des OLG Nürnberg ist zwar nur für die beteiligten Parteien verbindlich. Doch könnte es für weitere Gerichte wegweisend sein.
- Weitere Informationen zum FernUSG finden Sie auch hier.
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