OLG Köln: Schadensersatzanspruch bei verspäteter DSGVO-Auskunft
Das OLG Köln beschäftigte sich kürzlich mit einem Fall, bei dem eine Klägerin wegen Verschleppung ihres Falles sowie mangelnder Auskunft über ihre Daten gegen ihren früheren Anwalt vorging. Lesen Sie mehr hierzu im heutigen Beitrag.
Worum ging es?
Das OLG Köln hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die Klägerin gegen ihren ehemaligen Anwalt vorging.
Die Klägerin wendete sich im September 2016 wegen der Abwicklung eines Verkehrsunfalles an den beklagten Anwalt. Zu dessen Verpflichtungen gehörten im Rahmen des Anwaltsverhältnisses unter anderem die zügige Bearbeitung des Falles sowie die kontinuierliche Unterrichtung der Klägerin über die Fortschritte.
Nachdem die Sachbearbeitung über 3,5 Jahr nur sehr schleppend verlief, eine Kontaktaufnahme mit dem Anwalt nicht problemlos möglich war, er im März 2019 die von ihm angekündigte Klage nicht vorbereitet bzw. eingereicht und auch im Dezember 2019 vereinbarte Termine abgesagt hatte, kündigte die Klägerin den Vertrag am 07.01.2020.
Zusammen mit der Kündigung stellte die Klägerin den Antrag, ihr Auskunft über die Verwendung ihrer Daten zu erteilen. Dieser Pflicht kam der beklagte Anwalt nicht fristgerecht nach.
Der beklagte Anwalt forderte dennoch Begleichung der gestellten Rechnung.
Die Klägerin brachte dagegen hervor, dass die gestellte Rechnung formell fehlerhaft sei und aus ihr deshalb keine Ansprüche hergeleitet werden könnten. Auch sei die Kündigung des Anwaltsvertrages durch die fortgesetzte Untätigkeit geradezu provoziert worden.
Vor dem LG Bonn verlangte sie deshalb wegen der verspäteten Datenauskunft Ersatz für ihre erlittenen immateriellen Schäden, die Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten sowie die Feststellung des Nichtbestehens einer Gebührenforderung aus dem damals bestehenden Anwaltsverhältnis bzw. die Rückerstattung des gezahlten Vorschusses.
Da das Landgericht Bonn der Klage nur teilweise stattgab, insbesondere einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO ablehnte, legte die Klägerin Berufung bei dem OLG Köln ein.
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Wie hat das Gericht bzgl. des Schadensersatzanspruchs entschieden?
Das OLG Köln (Urteil vom 14.07.2022, Az. 15 U 137/21) entschied in der Berufungsinstanz zugunsten der Klägerin und damit zugunsten einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts.
Hierbei sprach es der Klägerin neben der geforderten Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten auch einen Anspruch auf Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in der geforderten und angemessenen Höhe von 500,- Euro zu.
Art. 82 DSGVO besage, dass jede natürliche Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sei, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den datenschutzrechtlich Verantwortlichen habe.
Als Verstoß sei hier die Zuwiderhandlung gegen das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht (gemäß Art. 15 Abs. 1, Abs. 3, Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO) anzusehen, nach welchen der Verantwortliche (hier also der beklagte Anwalt) innerhalb einer Monatsfrist nach Eingang des Antrags auf Datenauskunft die verlangte Auskunft zu erteilen habe. Ein solcher Antrag wurde hier durch die Klägerin bereits am 07.01.2020 gestellt, die Auskunft sowie die Herausgabe der Handakten erfolgte jedoch erst im Oktober 2020.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei dieser Verstoß auch als Grundlage für einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO heranzuziehen. Weder aus dem Gesamtkontext, noch aus dem Sinn und Zweck oder der Entstehungsgeschichte der Norm lasse sich erkennen, dass eine verordnungswidrige Datenverarbeitung erforderlich sei, um einen Schadensanspruch zu bejahen.
Zwar könnte aufgrund des Erwägungsgrundes 146 zur DSGVO rückgeschlossen werden, dass es für den Schadensersatz des Art. 82 DSGVO auf eine Verarbeitung der Daten ankomme. Stelle man jedoch eine Gesamtbetrachtung der Erwägungsgründe an, wäre eine solche Auslegung nicht mit den Grundsätzen einer fairen und transparenten Verarbeitung von Daten vereinbar, die insbesondere eine Auskunfts- und Unterrichtungspflicht vorschreiben.
Das OLG Köln führt hierzu weiter aus:
"Wenn aber in dieser Hinsicht der Schutz des Betroffenen gerade durch Auskunfts- und Informationsrechte gestärkt und damit für die Fairness und Transparenz beim Verarbeitungsvorgang gesorgt werden soll, spricht dies entscheidend dafür, die Ersatzpflicht nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf jeden Verstoß gegen Regelungen der Verordnung anzuwenden."
Unabhängig von der Frage, ob neben der Verletzung einer DSGVO-Vorschrift auch die Darlegung und der Nachweis eines konkret eingetretenen Schadens gegeben sein muss, könne ein immaterieller Schaden bei der Klägerin jedenfalls bejaht werden.
Sie selbst brachte hervor, dass sie unter psychischen Belastungen litt und besorgt war über die Klärung ihrer Ansprüche aus dem Verkehrsgeschehen. Unter Berücksichtigung der gebotenen weiten Auslegung des Begriff des Schadens könne ein solcher nach Ansicht des Gerichts hier in Form eines „Kontrollverlustes“ über ihre eigenen Daten sowie in Form eines drohenden Einflusses auf ihre wirtschaftliche Position (der Zeitverlust bei der Abwicklung des Verkehrsunfalls) angenommen werden.
Die Streitigkeit, ob bei den Schadensansprüchen eine Bagatellgrenze bestehe oder ob wie nach Ansicht der Klägerin ein Anspruch bei jeglicher Verletzung von DSGVO-Normen bestehe, könne dahinstehen, da die Beeinträchtigungen der Klägerin jedenfalls nicht als Bagatelle zu bewerten seien. Sie sei für eine beträchtliche Zeitspanne über den Fortschritt ihres Falles im Unklaren gelassen worden, musste auf ihre Auskunft und Handakte warten und den Fall letztendlich an einen neuen Prozessbevollmächtigten übergeben.
Der Schadensanspruch sei dem OLG Köln nach somit zu bejahen.
Auch sprach das Gericht der Klägerin den Anspruch auf die Rückerstattung der geleisteten Vorschüsse in Höhe von 2.683,21 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu, da der zuvor bestehende Anwaltsvertrag mit Schreiben vom 07.01.2020 wirksam gekündigt wurde.
Wie das OLG Köln hervorhob, behalten Anwälte bei Kündigung des Anwaltsvertrages grundsätzlich gem. § 628 Abs. 1 S. 1 BGB ihren Anspruch auf Vergütung in der Höhe, in der Leistungen bereits erbracht wurden.
Dieser Grundsatz sei jedoch gem. Satz 2 der Norm dann nicht anzuwenden, wenn die Kündigung auf ein vertragswidriges Verhalten gestützt werden könne und soweit kein Interesse an der bisherigen Tätigkeit bestehe. Liegen diese Voraussetzungen vor, führe dies zu einem Entfall des Vergütungsanspruchs. Das vertragswidrige Verhalten dürfe dabei nicht lediglich als geringfügig bewertet werden, müsse allerdings nicht als schwerwiegend oder als wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB einzustufen sein.
Aufgrund der sehr schleppenden Bearbeitung des Falles und der nicht ordnungsgemäßen Kommunikation mit der Klägerin sei diesen Grundsätzen nach ein vertragswidriges Verhalten anzunehmen. Da die Klägerin ihre Kündigung hierauf stütze und aufgrund der Übernahme des Falles durch einen anderen Anwalt auch keinerlei Interesse mehr an der bisherigen Tätigkeit des Beklagten hatte, entfalle damit der Vergütungsanspruch des Beklagten.
Nicht erforderlich sei es in diesem Zusammenhang, dass sie Klägerin eine etwaige Kündigung mit Fristen oder ausdrücklichen Aufforderungen ankündige. Dies sei der Norm des § 826 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu entnehmen.
Der Vergütungsanspruch sei deshalb entfallen, sodass der Klägerin auch ein Anspruch auf Rückerstattung des geleisteten Vorschusses zustehe.
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Fazit
Das OLG Köln hat entschieden, dass ein immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO gerechtfertigt sein kann. Irrelevant sei dabei, ob eine verordnungswidrige Datenverarbeitung stattgefunden hat oder nicht, erforderlich sei lediglich ein Verstoß gegen die DSGVO. Dies ergebe sich insbesondere aus den Grundsätzen der fairen und transparenten Verarbeitung von Daten sowie den Auskunfts- und Informationsrechten, die dem Schutz der Betroffenen dienen.
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