OLG Köln: Widerrufsbelehrung kann auch unterhalb des „Kaufen“-Buttons stehen
Flirtcafé.de sorgte für große Aufregung, als das Unternehmen auf seiner Internetseite den Link zum Widerruf unterhalb des Bestell-Buttons positionierte und nicht oberhalb wie die meisten anderen Online-Shops. Der Fall landete vor dem OLG Köln (Urteil vom 08.05.2015, Az.: 6 U 137/14). Es wurde um die für Online-Händler spannende Frage gestritten, wie Käufer auf die Widerrufsbelehrung aufmerksam gemacht werden müssen, bevor sie ihre Bestellung absenden. Betreiber von Shop-Websites fragen sich, wie sie ihre Online-Bestellflächen gestalten müssen, um nicht in Verruf der Verbraucherschützer zu geraten. Lesen Sie mehr zur Problemstellung, dem Hintergrund und der Lösung der IT-Recht Kanzlei in unserem Beitrag!
I. Hintergrund zur Ausgestaltung des Bestell-Buttons
Auf der Seite der Bestellübersicht gelangt der Online-Kauf in die heiße Phase, in der der potentielle Kunde seine Bestellung in wenigen Sekunden abschicken und einen kostenpflichtigen Vertrag abschließen soll. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für die Gestaltung der „Checkout-Seite“ besonders strenge Anforderungen gestellt und im Jahr 2012 die sog. Button-Lösung eingeführt.
Nach dieser Buttonlösung haben Online-Händler bei Verträgen mit Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr bestimmte Informationspflichten unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung absendet, anzugeben.
§ 312 j Absatz 2 BGB lautet in seiner neuen Fassung nun wie folgt:
"(2) Bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen."
Das heißt für den Online-Händler, dass er auf seiner Bestellübersichtsseite folgende Pflichtinformationen „klar und verständlich", also ohne verwirrende oder ablenkende Zusätze formulieren muss:
- Produkteigenschaften „die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung“
- Gesamtpreis „den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis auf Grund der Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung […] sowie im Falle eines unbefristeten Vertrags oder eines Abonnement-Vertrags den Gesamtpreis; dieser umfasst die pro Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten und, wenn für einen solchen Vertrag Festbeträge in Rechnung gestellt werden, ebenfalls die monatlichen Gesamtkosten; wenn die Gesamtkosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, ist die Art der Preisberechnung anzugeben“
- Fracht-, Liefer-, Versand- und Zusatzkosten
- Mindestdauer vertraglicher Verpflichtungen, Laufzeit und Kündigungsbedingungen
II. Worüber wurde vor dem OLG Köln gestritten?
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) ging gegen das Dating-Portal Flirtcafé.de vor, weil dieses seiner Ansicht nach nicht ausreichend auf das gesetzliche Widerrufsrecht hingewiesen hatte. Auf der Homepage, auf der die kostenpflichtige Anmeldung abgeschlossen wird, platzierte der Online-Händler die Widerrufsbelehrung nicht wie gewöhnlich oberhalb des „Kaufen“-Buttons, sondern erst darunter:
Die Verbraucherzentrale sah in dieser Platzierung der Widerrufsbelehrung einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Der Link zur Widerrufsbelehrung war zwar farbig deutlich hervorgehobenen und fett gedruckt. Das Problem, dass die Verbraucherschützer sahen, war jedoch die Platzierung des Links unterhalb dem Bestell-Button.
Nach den gesetzlichen Vorgaben ist der Verbraucher vor dem Abschluss eines Vertrags über sein Widerrufsrecht zu informieren, insbesondere über die Bedingungen, Fristen und die Verfahrensweise der Ausübung des Rechts.
Die Verbraucherzentrale schloss aus diesen gesetzlichen Vorgaben, dass die Widerrufsbelehrung nicht nur zeitlich „vor“ der Vertragserklärung erfolgen müsse, sondern auch räumlich. Darunter verstand sie, dass die Belehrung zum Widerruf oberhalb der Bestell-Schaltfläche platziert werden müsse. Das „vor“, von dem hier die Rede ist, findet sich als formelle Anforderung in Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB:
"(1) Der Unternehmer muss dem Verbraucher die Informationen nach den §§ 1 bis 3 vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen."
Das LG Köln war der Auffassung der Verbraucherzentrale in erster Instanz noch gefolgt.
III. Wie entschied das OLG Köln?
Das OLG Köln wich jedoch in seiner Entscheidung (Urteil vom 08.05.2015, Az.: 6 U 137/14) von der bisherigen Rechtsprechung ab. Es entschied, dass ein Online-Händler seine Widerrufsbelehrung nicht zwingend räumlich über dem Bestell-Button positionieren muss. Die gesetzlichen Regeln seien nicht so zu verstehen, dass die Widerrufsbelehrung auch räumlich „vor“ im Sinne von „oberhalb“ zu erteilen sind.
„Vor“ im Sinne des Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB sei vielmehr zeitlich in dem Sinne zu verstehen, dass der Verbraucher die Information erhält, „bevor“ er seine Bestellung abschickt.
Das OLG Köln begründet diese Auffassung mit der Überlegung, dass eine Internetseite nicht wie ein gedruckter Text stets von oben nach unten gelesen werde. Es genüge vielmehr, wenn die Informationen zum Widerruf im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Schaltfläche positioniert sind. Das heißt, dass Online-Händler darauf achten müssen, dass die Vertragsinformationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss. Solange dieser räumliche Zusammenhang gewahrt sei, seien an die Anordnung von Schaltfläche und Widerrufsbelehrung keine weiteren Anfordungen zu stellen.
Doch was genau bedeutet „bei üblicher Bildschirmauflösung“? Verbergen sich dahinter nur neue strenge Anforderungen an Online-Händler? Nein, denn das OLG Köln ist bei der Auslegung dieser Anforderung liberal gestimmt und führt dazu aus:
„Es mag zwar zutreffen, dass auf manchen Endgeräten oder dem Abruf der Seite in einem extrem kleinen Programmfenster der Hinweis nicht gleichzeitig mit der „Jetzt kaufen“-Schaltfläche angezeigt wird, wie der Vertreter des Klägers in der Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat. Darauf kann es aber nicht ankommen. Ausreichend ist vielmehr, dass sich der Hinweis bei – wie es in der oben wiedergegebenen Gesetzesbegründung heißt – „üblicher Bildschirmauflösung“ in einem ausreichenden räumlichen Zusammenhang mit der Schaltfläche befindet.
Bei entsprechender Verkleinerung des Programmfensters lässt sich der Bildausschnitt immer so weit reduzieren, dass außer der Schaltfläche keine weiteren Teile der Benutzeroberfläche sichtbar sind und sich daher auch Texte in unmittelbarer räumlicher Nachbarschaft nur noch durch Scrollen erreichen lassen.“
Für das OLG Köln ist die gesetzliche Vorgabe demnach auch dann erfüllt, wenn sich der Hinweis auf das Widerrufsrecht bei einer kleineren als der „üblichen Bildschirmauflösung“ in einem „ausreichenden räumlichen Zusammenhang mit der Schaltfläche“ befindet und auf anderen Endgeräten als dem PC erst durch Scrollen sichtbar wird. Diese Überlegung bezieht sich zum Beispiel auf die Darstellung der Bestellfläche auf Smartphones.
Das OLG Köln hielt die Beanstandung der Verbraucherzentrale in diesem Urteil also für unbegründet und gab Flirtcafe.de insoweit Recht, als es die Widerrufsbelehrung oberhalb des Bestell-Buttons platzierte.
IV. Empfehlung für Online-Shops
Das OLG Köln geht davon aus, dass die gesetzliche Vorgabe in Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB, dass die Widerrufsbelehrung „vor“ Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen ist, lediglich in zeitlicher Hinsicht zu verstehen ist, nicht in räumilicher Hinsicht. Nach dem OLG Köln müsse der Verbraucher daher die Informationen zur Widerrufsbelehrung also erhalben „bevor“ dieser seine Bestellung abschickt. Auch wenn das Urteil des OLG Köln großzügig ausgefallen ist, sollten Online-Händler sicher gehen und AGB und Widerrufsbelehrung im Checkout-Prozess oberhalb des „Kaufen“-Buttons platzieren. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ist es nicht ausgeschlossen, dass andere Gerichte eine konträre Ansicht zum OLG Köln einnehmen können.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
© Trueffelpix - Fotolia.com
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare