OLG Köln sieht Auskunftspflicht bezüglich Gesprächsnotizen und Telefonvermerken

OLG Köln sieht Auskunftspflicht bezüglich Gesprächsnotizen und Telefonvermerken
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von Sarah Freytag
4 min
Beitrag vom: 05.09.2019

Im Juli stellte die IT-Recht Kanzlei ein Urteil des LG Köln vor, wonach der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nur Stammdaten, nicht aber Gesprächsnotizen und Vermerke umfasst. Das OLG Köln widersprach dieser Ansicht am 26.07.2019 (Az. 20 U 75/18) überraschend und entfachte die Debatte über den Umfang des Auskunftsanspruchs erneut.

Die IT-Recht Kanzlei hat das nun aufgehobene erstinstanzliche Urteil des LG Köln zum Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO in diesem Beitrag aufbereitet.

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrte von der Beklagten, bei der er zwei Lebensversicherungsverträge unterhielt, Auskunft über die dort über ihn gespeicherten Daten. Die von der Beklagten zuvor erteilten Auskünfte bezüglich seiner personenbezogenen Daten (Stammdaten) erschienen dem Kläger als unzureichend, weil er mit seinem Datenauskunftsgesuch auch die Übermittlung interner Vermerke und von Kopien jeglichen jemals gewechselten Schriftverkehrs begehrte. Als die Beklagte ihm dies verweigerte, legte er Klage beim Landgericht Köln ein.

Das LG Köln wies die Klage ab und argumentierte, dass aus Art. 15 DSGVO kein allumfassender Anspruch auf Auskunft abzuleiten wäre. Der Anspruch umfasse lediglich personenbezogene Daten, nicht hingegen für interne Zwecke gespeicherte Vorgänge (wie z.B. Vermerke) über den Auskunftssteller. Das Gericht begründete dies unter Berufung auf Zweck des Art. 15 DSGVO. Der Auskunftsanspruch diene nicht der vereinfachten Buchführung des Betroffenen, sondern solle sicherstellen, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können soll.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung vor dem OLG Köln ein.

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Die Entscheidung

Das OLG Köln gab der Berufung statt und verurteilte die Versicherung dazu, neben den bereits übermittelten Stammdaten auch Auskunft zu sämtlichen weiteren Daten des Klägers, insbesondere auch zu Gesprächsnotizen und Telefonvermerke zu seiner Akte zu erteilen, die sie gespeichert, genutzt und verarbeitet hat.

1. Bei Gesprächsvermerken und Telefonnotizen handelt es sich personenbezogene Daten

Im Gegensatz zum Landgericht Köln legte das Oberlandesgericht den Begriff der "personenbezogenen Daten" nach Art. 4 und Art. 15 DSVGO weit aus. Unter die Vorschriften fielen sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen (z.B. Name, Anschrift, Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche) als auch sachliche Informationen (wie Vermögens- und Einkommensverhältnisse).

Das Gericht führt insoweit aus:

Soweit die Beklagte den Begriff der personenbezogenen Daten auf die bereits mitgeteilten Stammdaten begrenzt sehen möchte und meint, eine Verpflichtung zur Beauskunftung über insbesondere elektronisch gespeicherter Vermerke zu mit dem Kläger geführten Telefonaten und sonstigen Gespräche bestehe nicht, ist ein entsprechendes Verständnis mit dem der DS-GVO zugrundeliegenden weit gefassten Datenbegriff nicht in Einklang zu bringen.

Denn durch die Entwicklung der Informationstechnologie mit ihren umfassenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten gibt es keine belanglosen Daten mehr (...). Soweit in Gesprächsvermerken oder Telefonnotizen Aussagen des Klägers oder Aussagen über den Kläger festgehalten sind, handelt es sich hierbei ohne weiteres um personenbezogene Daten.

2. Keine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen

Auch könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass ein entsprechend weit gefasster Datenbegriff ihre Geschäftsgeheimnisse verletzen könne. Die Gefahr bestehe bereits deshalb nicht, weil Informationen, die der Kläger der Beklagten selbst zur Verfügung gestellt habe, nicht Geheimnis der Beklagten sein könnten. Die Beklagte sei aus diesem Grund diesbezüglich nicht schutzbedürftig.

3. Auskunftsanspruch kann auch nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen begrenzt werden

In einem dritten Schritt betont das Gericht, dass sich die beklagte Versicherung auch nicht darauf berufen dürfte, dass es ihr mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen wirtschaftlich unmöglich sei, diesen umfassenden Auskunftsanspruch zu erfüllen. Es sei Sache des Unternehmens, das sich der elektronischen Datenverarbeitung bediene, diese im Einklang mit der Rechtsordnung zu organisieren. Es müsse von sich aus Sorge tragen, das hohe Datenschutzniveau gegenüber Dritten zu erfüllen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Köln überrascht, denn sie legt den Umfang des Auskunftsanspruches ungewöhnlich weit aus. Zwar ist zuzugestehen, dass unter den weit gefassten Gesetzeswortlaut der „personenbezogenen Daten“ durchaus auch Gesprächsnotizen und Telefonvermerke subsumiert werden könnten.

Eine solch weite Auslegung läuft jedoch Gefahr, die Funktion des Auskunftsanspruchs über das zumutbare Maß auszudehnen und so Unternehmen in eine unüberschaubare, kostenintensive, bürokratische Bringschuld zu stürzen. Es kann nicht Aufgabe der Unternehmen sein, für ihre Kunden, Partner und Mitglieder, Buch über sämtliche Gespräche und Ereignisse zu führen. Im Zweifel sollte es jedem im verhältnismäßigen Umfang selbst zuzumuten sein, darüber informiert zu sein, welche Daten und Informationen er der entsprechenden Stellen über sich selbst preisgegeben hat. Bis in diesem bewegten Feld keine eindeutige Klarstellung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung erfolgt ist, empfiehlt es sich jedoch, sämtliche Daten, inkl. Vermerke und Notizen, vertraulich und sicher an einer zentralen Stelle zu speichern.

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Bildquelle: Natalya Bardushka / shutterstock.com

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