OLG Karlsruhe: Amazon haftet nicht für Wettbewerbsverstöße von Affiliates
Inwiefern Händler für Wettbewerbsverstöße ihrer Affiliate-Werbepartner haften, ist in der Rechtsprechung eine vielmals diskutierte Frage. Maßgeblich für eine Haftung ist die sog. Eingliederung in die betriebliche Organisation des Händlers. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Karlsruhe in Bezug auf Amazon-Affiliates gibt der Diskussion eine neue Richtung. Nach Ansicht des Gerichts entfällt eine Haftung für Affiliate-Seiten, wenn die Zulassung als Werbepartner nicht von einer Prüfung der Affiliate-Seite abhängt. Lesen Sie mehr zum Urteil.
In diesem umfangreichen Beitrag gibt die IT-Recht Kanzlei detaillierte Einblicke in die rechtlichen Fallstricke des Affiliate-Marketing.
I. Ausgangslage: Die Haftung für Affiliates
Das Affiliate-Marketing ist ein im Internet weit verbreitetes Geschäftsmodell. Affiliates sollten dafür sorgen, die Angebote eines bestimmten Händlers (Merchants) einem breiteren Zielpublikum zugänglich zu machen und die Reichweite von Absatztätigkeiten zu verstärken.
Hierfür betreiben Affiliate-Partner regelmäßig eigene Internetpräsenzen, auf denen Sie werbewirksam auf Drittangebote, nämlich solche der Händler, verweisen. Wird ein Interessent von einer Affiliate-Seite auf ein Angebot des Händlers weitergeleitet und tätigt eine Bestellung, erhält der Affiliate als „Begründer“ der Transaktion eine Provision.
Seit Jahren in der Rechtsprechung heiß diskutiert ist vor diesem Hintergrund nun die Frage, inwieweit Händler für wettbewerbswidrige Internetauftritte (etwa für irreführende Werbeversprechen) der Affiliates eigenständig zur Verantwortung gezogen werden können. Die Frage ist deshalb heikel, weil der Händler zwar einerseits wirtschaftlich eindeutig vom Internetauftritt des Affiliates profitiert, aber andererseits weder die unmittelbare Verantwortung noch hinreichende gestalterische Einflussmöglichkeiten für diese innehat.
Im Wettbewerbsrecht ist die maßgebliche Norm für eine Haftungserstreckung in Bezug auf einen Affiliate-Verstoß auch auf den Händler der § 8 Abs. 2 UWG. Nach dieser Vorschrift sind Zuwiderhandlungen, die in einem Unternehmen von einem Beauftragten begangen wurden, auch dem Unternehmen selbst zuzurechnen. Folglich kann ein Unternehmen auch für Zuwiderhandlungen eines Beauftragten unmittelbar wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen werden.
Damit ein hinreichendes Auftragsverhältnis vorliegt, muss der Beauftragte in die Organisation des Unternehmens betrieblich eingegliedert sein.
Welche Anforderungen im Verhältnis zwischen Händler und Affiliate für eine haftungsbegründende „betriebliche Eingliederung“ zu stellen sind, hat der BGH in einem Grundsatzurteil vom 07.10.2009 (Az.: I ZR 109/06) konkretisiert.
Laut dem BGH liegt ein haftungsrelevantes Auftragsverhältnis zwischen Händler und Affiliate dann vor, wenn der Affiliate erst nach einer Prüfung durch den Händler zum Partnerprogramm zugelassen wird und der Händler dem Affiliate zudem bestimmte Werbegestaltungen zur Auswahl vorgibt.
Ferner kann sich eine Haftung des Händler für Affiliate-Verstöße auch jenseits eines „Auftragsverhältnisses“ dann ergeben, wenn dem Händler objektive Anhaltspunkte für ein wettbewerbswidriges Verhalten des Affiliates vorliegen und er diesen nicht nachgeht und bei Feststellung einer Begründetheit der Vorwürfe wirksam die Abstellung herbeiführe (OLG München, Urteil vom 11.09.2008, Az. 29 U 3629/08).
II. OLG Karlsruhe: Keine Haftung für Affiliates im Fall Amazon
Die Grundsätze des BGH (s.o.) hat nun jüngst das OLG Karlsruhe angewendet, um eine Haftung des Internetriesen Amazon für Wettbewerbsverstöße von Amazon-Affiliates abzulehnen.
Der Entscheidung lag eine irreführende Werbung für Matratzen auf einer Affiliate-Seite zugrunde, die über einen Partnerlink auf das entsprechende Amazon-Angebot führte. Die Klägerin, eine Matratzenherstellerin, sah durch die Irreführung ihre wettbewerblichen Interessen verletzt und begehrte nach erfolgloser Abmahnung gegenüber. Amazon den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegen den Konzern.
Diesen Antrag lehnte das erstinstanzlich zuständige Landgericht Mannheim ab. Auch in der Berufungsinstanz vor dem OLG Karlsruhe blieb die Matratzenherstellerin als Klägerin erfolglos.
Nach Ansicht des OLG Karlsruhe schied vorliegend eine Haftung Amazons für Wettbewerbsverstöße auf einer Affiliateseite aus, weil es an den vom BGH aufgestellten Kriterien zur betrieblichen Eingliederung des Affiliates fehlte.
Die Zulassung als Amazon-Affiliate hinge im konkreten Modell gerade nicht von einer Prüfung des Affiliates und seiner Webseiten durch Amazon ab. Einzige Teilnahmevoraussetzung sei, dass die von Amazon bereitgestellten Affiliate-Links einem bestimmten Format entsprächen. Eine Eingliederung sei aus deswegen nicht anzunehmen, weil der Amazon-Affiliate für seine Tätigkeit keinerlei besondere Zugriffs- oder Zugangsrechte zu Amazon-internen Bereichen, etwa einer Affiliate-Datenbank oder ähnlichem, erhalte.
Schließlich sei auch die vertragliche Vereinbarung zwischen Amazon und Affiliates nicht geeignet, einen hinreichenden bestimmenden Einfluss von Amazon auf die Werbetätigkeit seiner Affiliates zu begründen. In der Vereinbarung behalte sich Amazon zwar laufende Überwachungsrechte für die Internetauftritte der Affiliates vor, mache eine initiative oder dauerhafte positive Ergebniskontrolle aber nicht zur Voraussetzung der Teilnahme am Affiliate-Programm.
Mithin fehle es an einem hinreichend durchsetzbaren Einfluss Amazons auf seine Werbepartner und damit gleichzeitig an einer für die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Eingliederung der Affiliates in das Amazon-Unternehmen.
III. Fazit
Nach Ansicht des OLG Karlsruhe ist eine Haftung des Händlers für Wettbewerbsverstöße seiner Affiliates ausgeschlossen, wenn einzige Voraussetzung für die Teilnahme am Affiliate-Programm die Verwendung eines korrekten Link-Formats und dessen ordnungsgemäße Platzierung ist. Wird die Zulassung des Affiliates nicht von einer Überprüfung seines Internetauftritts abhängig gemacht, fehlt es an einer für die Haftungserstreckung auf den Händler notwendigen Möglichkeit zur bestimmenden Einflussnahme.
Entschieden wurde die Haftungsfrage für das Affiliate-Partnernetzwerk von Amazon. In Anbetracht der Spitzenstellung des Unternehmens ist aber fraglich, ob sich die Grundsätze allgemein auf Affiliate-Programme übertragen lassen. Widersprüchlich mutet nämlich an, dass bei konsequenter Anwendung der Leitsätze des OLG Karlsruhe ein Händler für originär fehlende Konformitätsprüfungen seiner Affiliates haftungsrechtlich belohnt wird. Dies führt zur rechtlich sowie wettbewerblich wenig tragbaren Konsequenz, dass ein Händler haftungsrechtlich umso weniger zu befürchten hat, je geringer seine Anstrengungen bei der Zulassung von Affiliates sind.
Das Urteil des OLG Karlsruhe zeigt einmal mehr, dass Affiliates auf Ihren Internetauftritten rechtlich sensible Tätigkeiten ausüben. Die rechtliche Absicherung einer Affiliate-Präsenz ist daher ein Muss.
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