OLG Hamm: Mahnung per SMS bei Geldschuld zulässig

03.09.2024, 11:47 Uhr | Lesezeit: 5 min
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von Susanna Milrath
OLG Hamm: Mahnung per SMS bei Geldschuld zulässig

In der heutigen Zeit werden immer weniger Briefe verschickt. Lediglich Rechnungen, Zahlungserinnerungen oder Mahnungen werden häufig noch auf postalischem Weg zugestellt. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gläubiger Mahnungen auch per SMS wirksam an den Schuldner versenden kann, klärte das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 07.05.2024 (Az: I-4 U 252/22). Lesen Sie im Folgenden mehr zur Entscheidung.

I. Der Sachverhalt

Wegen einer angeblich ausstehenden Forderung mahnte die Beklagte, die ein Inkassounternehmen betreibt, eine Privatperson zwei Mal per Brief und forderte sie darin postalisch zur Zahlung auf.

Da dies ohne Erfolg blieb, versendete die Beklagte tagsüber die folgende Mahnung per SMS:

Hallo A,

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Hier Ihr Link zur Online-Zahlung [xy.de].

Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, stufte dies als unzulässige aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des §4a Abs. 1 UWG ein und erhob nach erfolgloser Abmahnung Klage.

Nachdem das Landgericht die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte, legte die Klägerin Berufung ein, um die geltend gemachten Ansprüche weiter zu verfolgen.

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II. Die Entscheidung

Das OLG Hamm erklärte mit Urteil vom 07.05.2024 (Az: I-4 U 252/22) die Mahnung per SMS grundsätzlich als zulässig.

Der Zulässigkeit von Mahnungen per SMS stehe grundsätzlich weder § 4a Abs. 1 UWG noch § 7 Abs. 1 S. 1 UWG entgegen.

1.) Keine Belästigung gemäß § 4a Abs. 1 UWG

Bei der streitgegenständlichen SMS, die ihre Adressatin unstreitig nicht zur Nachtzeit, sondern um 11:22 Uhr erreichte, handle es sich nicht um eine Belästigung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG.

Unlauter im Sinne des § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG handle, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung sei dann als aggressiv einzustufen, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet sei, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch Belästigung zu beeinträchtigen.

Entscheidend sei im vorliegenden Fall besonders die aktuelle gesellschaftliche Informationswirklichkeit. In heutigen Zeiten verfüge nahezu jeder eigenverantwortlich handelnde, geschäftsfähige Verbraucher über ein Smartphone. Der Erhalt einer SMS stelle aus Sicht ihres Empfängers keinen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar. Vielmehr sei dies nicht anders einzustufen als der Erhalt einer E-Mail, mittels derer eine Mahnung/Zahlungserinnerung in rechtlich unbedenklicher Weise versandt werden könne.

Das liege auch daran, dass die Smartphones der Nutzer regelmäßig so eingestellt seien, dass nicht nur der Eingang einer SMS oder einer anderen Mitteilung (Messenger-Nachrichten, Mitteilungen über soziale Netzwerke, etc.), sondern auch der Eingang einer E-Mail mittels sogenannter Push-Benachrichtigung – unter Umständen auch auf dem Sperrbildschirm – automatisch angezeigt werde, ohne dass der Nutzer seinen E-Mail-Account hierfür gezielt aufrufen müsse.

Die für eine Belästigung nach § 4a Abs. 1 UWG erforderliche Intensität sei also nicht mit dem Erhalt einer SMS zu begründen.

Sie stelle keinen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre der angesprochenen Person dar.

Außerdem habe der potenzielle Empfänger diesen Kommunikationskanal durch die Angabe seiner Mobilrufnummer bei dem Anbieter der Waren oder Erbringer der Dienstleistungen regelmäßig selbst eröffnet.

Schließlich obliege es dem Einzelnen, durch entsprechende Einstellungen des auf seinem Smartphone installierten Betriebssystems darüber zu entscheiden, ob er eingehende Nachrichten (E-Mails, SMS, Messenger-Nachrichten, etc.) als sogenannte Push-Meldungen automatisiert und noch dazu auf dem Sperrbildschirm angezeigt erhalten wolle oder nicht.

Damit sei die Annahme der Klägerin, dass sich der Empfänger einer SMS – anders als beispielsweise bei einem Brief – der Kenntnisnahme nicht verschließen könne, verfehlt. Dass die Möglichkeit bestehe, derartige Einstellungen vorzunehmen, sei senatsbekannt.

Des Weiteren komme im vorliegenden Fall hinzu, dass die Beklagte zunächst zwei Mal auf postalischem Weg gemahnt habe. Erst als dies erfolglos geblieben sei, habe sie die beanstandete SMS mit der Zahlungserinnerung versandt. Damit habe sich die Beklagte für eine abgestufte Vorgehensweise entschieden, die insbesondere auch auf die Interessen der vermeintlich säumigen Verbraucherin Rücksicht genommen habe, indem sie zunächst einen weniger direkten Kommunikationskanal zur Mahnung der vermeintlich bestehenden Forderung gewählt habe.

2.) Keine Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 UWG

Die streitgegenständliche SMS stelle auch keine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dar.

Eine geschäftliche Handlung sei belästigend, wenn sie dem Empfänger gegen seinen erkennbaren oder doch mutmaßlichen Willen aufgedrängt werde und sie bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden werde.

Unzumutbar sei eine Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dann, wenn sie eine solche Intensität erreiche, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden werde. Der Maßstab sei dabei der durchschnittlich empfindliche Adressat. Die Unzumutbarkeit sei dann durch eine Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der geschäftlichen Handlung verschont zu bleiben, und des Unternehmers, der seine gewerbliche Leistung zu Geltung bringen wolle, zu ermitteln.

Selbst wenn man unterstelle, dass das Verhalten der Beklagten belästigend im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG wäre, wäre die Belästigung im vorliegenden Fall jedenfalls nicht unzumutbar. Die Beklagte habe mit der SMS einen legitimen Zweck verfolgt, nämlich die Durchsetzung der (vermeintlich) bestehenden Forderung. Außerdem sei – wie bereits oben dargelegt – mit dem Erhalt einer SMS regelmäßig kein tiefer Eingriff in die Privatsphäre verbunden.

Ob möglicherweise etwas anderes gelten könne, wenn die SMS zur Nachtzeit eingehe oder mehrfach auf diese Weise gemahnt werde, lies das Gericht bewusst offen.

Es bedürfe vorliegend keiner Entscheidung, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt sei, wenn ein Schuldner mit einer Vielzahl von SMS oder solchen, die zur Nachtzeit bei ihm eingingen, konfrontiert werde. Jedenfalls sei die von einem vermeintlichen Schuldner hinzunehmende Lästigkeitsgrenze nicht überschritten, wenn – wie hier – lediglich eine SMS versandt werde, nachdem die vermeintliche Schuldnerin auf zwei zuvor postalisch erhaltene Mahnungen nicht reagiert habe.

III. Fazit

Ein unternehmerischer Gläubiger kann eine Mahnung per SMS in zulässiger Weise an einen Verbraucher versenden, sofern

  • die Forderung beweisbar besteht
  • eine zunächst ausgesprochene postalische Mahnung erfolglos blieb
  • die SMS anlassbezogen einmalig versendet wird (keine Mehrfachmahnung)
  • für den Versand eine Tageszeit gewählt wird, in der mit der Bereitschaft zum Empfang elektronischer Kommunikation vernünftigerweise gerechnet werden kann (kein Nachtversand)

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