OLG Hamm: Unzulässige Wettbewerbsbehinderung durch systematische Aufgabe und Rückabwicklung überflüssiger Bestellungen

OLG Hamm: Unzulässige Wettbewerbsbehinderung durch systematische Aufgabe und Rückabwicklung überflüssiger Bestellungen
19.07.2024 | Lesezeit: 3 min

Unlauter können sich Unternehmer nicht nur gegenüber Vebrauchern, sondern auch im Verhältnis zu Mitbewerbern verhalten, wenn sie deren wirtschaftliche Tätigkeit vorsätzlich behindern. Dass eine solche Behinderung anzunehmen ist, wenn ein Unternehmen ein anderes mit abwegigen Bestellungen und Rücksendeaufträgen überzieht, entschied jüngst das OLG Hamm.

I. Der Sachverhalt

Zwei Angestellte eines Online-Matratzenhandels tätigten bei einem Konkurrenzunternehmen innerhalb weniger Monate im Jahr 2019 abwechselnd insgesamt 11 Bestellungen von Matratzen und Matratzenauflagen und reichten sodann in zumindest 8 Fällen unter Vorgabe angeblicher Verpackungs- oder Qualitätsfehler Rückabwicklungsaufträge ein, die teilweise von negativen Produktbewertungen flankiert wurden.

Dass die Beschwerden und Unzufriedenheitsbekundungen im Rahmen der Rückabwicklungsbegehren auf Basis wahrer Tatsachen hervorgebracht wurden, war nicht zu belegen.

Im Verhalten der Angestellten des Unternehmens sah der Mitbewerber eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG sowie eine vorsätzliche sittenwidrige Geschäftsschädigung im Sinne des § 826 BGB und beantragte nach erfolgloser Abmahnung beim Landgericht Paderborn zunächst eine einstweilige Unterlassungsverfügung.

Nach deren Erlass gab die Verfügungsbeklagte die geforderte Abschlusserklärung allerdings nicht ab, sodass der Mitbewerber nach Ablauf von mehr als 6 Monaten schließlich auf Unterlassung im Hauptsacheverfahren vor dem LG Paderborn klagte.

Dieser Klage hielt das beklagte Unternehmen den Einwand der Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nach 6 Monaten gemäß § 11 Abs. 1 und Abs. 2 UWG entgegen, den das Landgericht jedoch verwarf.

Nach weitestgehend antragsgemäßer Verurteilung am 02.06.2022 begehrte das beklagte Matratzenunternehmen mit einer Berufung zum OLG Hamm die Aufhebung des Urteils und die Klageabweisung.

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II. Die Entscheidung

In der Berufungsinstanz wies das OLG Hamm mit Urteil vom 16.04.2024 (Az. 4 U 151/22) die Berufung zurück und erhielt das ursprüngliche erstinstanzliche Urteil aufrecht.

Das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten sei dieser über § 8 Abs. 2 UWG und § 831 BGB zuzurechnen. Die Anstellung im Rahmen einer weisungsgebundenen Beschäftigung lege eine Veranlassung durch die Beklagte so nahe, dass diese Tatsachen zur Entlastung hätte vortragen müssen, aus denen sich ein eigenmächtiges Vorgehen der Angestellten ohne Veranlassung oder Billigung durch das Unternehmen ergebe. Der Vortrag der Beklagten gehe aber über ein pauschales Bestreiten nicht heraus.

In der systematischen Belastung der Klägerin mit der Aufgabe von diversen, augenscheinlich nicht einen konkreten privaten Bedarf deckenden Bestellungen über Matratzen und Matratzenauflagen und anschließenden Rückabwicklungsbegehren unter fragwürdigen Begründungen ist sowohl eine gezielte Behinderung des Wettbewerbs der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG als auch deren vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB zu sehen.

Mangels anderweitiger vorgetragener Tatsachen sei davon auszugehen, dass das Kontrahierungs- sowie das nachvertragliche Verhalten allein darauf abzielten, personelle Ressourcen im Unternehmen der Klägerin zu beanspruchen und diese so durch Verursachung eines erhöhten Service-Aufwands sowie dadurch bedingte Kosten in der freien wirtschaftlichen Betätigung zugunsten des eigenen Wettbewerbs zu behindern.

Auf eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen aus §§ 8, 4 Nr. 4 UWG komme es nicht an, da zumindest gleichwertige Ansprüche aus dem ebenfalls verwirklichten § 826 der eindeutig noch nicht abgelaufenen Regelverjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB unterlägen.

III. Fazit

Unternehmer, die selbst oder über ihre Mitarbeiter Konkurrenten durch exzessive, nicht von Bedarf getragene Bestellungen und anschließende Rückabwicklungsbegehren auszubremsen versuchen, handeln rechtswidrig und können im Angesicht der Schädigungsabsicht nicht nur wettbewerbsrechtlich, sondern auch nach allgemeinem Deliktsrecht wegen sittenwidriger Geschäftsschädigung in Anspruch genommen werden.

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