Müssen Online-Marktplätze Gastbestellungen ermöglichen?

Für Online-Shops mit Direktverkauf ist die Pflicht zur Bereitstellung von Gastzugängen anerkannt. Doch gilt das auch für Shops mit Marktplatzfunktion? Dazu entschied kürzlich das OLG Hamburg.
Inhaltsverzeichnis
Der Sachverhalt
Die Verbraucherzentrale klagte gegen die Praktiken eines Online-Versandhauses, das Waren sowohl im eigenen Namen direkt verkaufte als auch Dritthändlern über einen Marktplatz den Absatz ihrer Produkte ermöglichte.
Beanstandet wurde, dass Kunden Bestellungen nur nach vorheriger Registrierung tätigen konnten und ihnen die Option von Gastbestellungen verwehrt wurden.
Dies verstieß nach Ansicht der Verbraucherzentrale gegen die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
So habe im Jahr 2022 die Datenschutzkonferenz der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) beschlossen, dass die Bereitstellung von Gastzugängen in Online-Shops ein verpflichtendes Gebot der Datenminimierung sei.
Das beklagte Versandhaus hielt der Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale entgegen, dass sich ihr Vertriebssystem von demjenigen eines klassischen Online-Shops durch das Marktplatzelement unterscheide.
Ein erheblicher Teil von Online-Bestellungen über ihre Website entfalle auf Angebote von Dritthändlern. Um diesbezüglich die Bestellabwicklung möglichst effizient zu gestalten und gleichzeitig die Vermittlerrolle zwischen Kunde und Verkäufer effektiv wahrnehmen zu können, sei der Zwang zur Einrichtung eines Kundenkontos gerechtfertigt und liege auch im Interesse des Kunden.
Nach erfolgloser Abmahnung unterlag die Verbraucherzentrale zunächst vor dem LG Hamburg (Urteil vom 22.02.2024, Az. 327 O 250/22). Mit der Berufung zum OLG Hamburg verfolgte sie ihr Rechtsschutzziel weiter.
Hinweise der DSK zur Gastbestellungsoption in Online-Shops
In ihrem Beschluss vom 24. März 2022 beurteilte die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder (DSK) das Bestellprozedere in Online-Shops in datenschutzrechtlicher Hinsicht und führte insbesondere zur Einordnung von Kundenkonto-Registrierungen und Gastbestellungen aus.
Verantwortliche, die Waren oder Dienstleistungen im Onlinehandel anbieten, müssten ihren Kunden unabhängig davon, ob sie ihnen daneben ein fortlaufendes Kundenkonto zur Verfügung stellten, grundsätzlich einen Gastzugang für die Bestellung bereitstellen.
Denn auch im Online-Handel gelte der Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO. Danach dürften nur solche Daten erhoben werden, die für die Abwicklung eines einzelnen Geschäfts erforderlich seien. Die zulässige Verarbeitung personenbezogener Daten hänge im Einzelfall insbesondere davon ab, ob Kunden einmalig einen Vertrag abschließen wollten oder eine dauerhafte Geschäftsbeziehung anstrebten. Dies setze voraus, dass Kunden jeweils frei entscheiden könnten, ob sie ihre Daten für jede Bestellung neu eingeben wollten oder ob sie bereit seien, eine dauerhafte Geschäftsbeziehung einzugehen, die mit einem fortlaufenden Kundenkonto verbunden wäre.
Damit eine für die Einrichtung eines fortlaufenden Kundenkontos erforderliche Einwilligung nicht gegen das in Art. 7 Abs. 4 DSGVO erwähnte Kopplungsverbot verstieße, müssten die Kunden im Online-Shop die gleichen Angebote auf anderem gleichwertigem Wege als über ein fortlaufendes Kundenkonto wahrnehmen können.
Gleichwertig sei eine Bestellmöglichkeit dann, wenn keinerlei Nachteile entstünden, also wenn Bestellaufwand und Zugang zu diesen Möglichkeiten, wie bei einem Gastzugang der Fall, denen eines laufenden Kundenkontos entsprächen.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO könnten im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer ein fortlaufendes Kundenkonto ausnahmsweise für die Vertragserfüllung erforderlich sei. In diesem Fall sei keine Einwilligung erforderlich, der Verantwortliche müsse jedoch nach dem Grundsatz der Datenminimierung handeln, indem beispielsweise das Kundenkonto bei Inaktivität nach einer kurzen Frist automatisch gelöscht werde.
Die Entscheidung
Wie bereits das LG Hamburg wies auch das OLG Hamburg mit Urteil vom 27.02.2025 (Az.: 5 U 30/24) die Klage in vollem Umfang ab.
Eine Verpflichtung zur Bereitstellung eines Gastzugangs im Online-Shop, der als Marktplatz und mithin als Vertragsvermittlungsplattform fungiere, bestehe nicht.
Viele der abgefragten Daten wie Name, Anschrift, E-Mail-Adresse und Telefonnummer würden auch bei einer Bestellung über einen Gastzugang benötigt. Ein echter Unterschied in der Datenmenge zwischen Kundenkonto und Gastzugang sei daher nicht ersichtlich.
Nach der DSGVO sei eine Datenverarbeitung nicht nur bei Einwilligung oder Vertragserfüllung zulässig, sondern auch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Unternehmens (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO). Dieses liege hier in der Betrugsprävention und der effizienteren Bestellabwicklung.
Auch für den Kunden sei die Nutzung eines Kundenkontos vorteilhaft. Diese erhielten einen besseren Überblick über ihre Bestellungen, könnten Retouren einfacher abwickeln, Garantiefälle leichter bearbeiten und besser mit ihren direkten Vertragspartnern kommunizieren.
Außerdem würden die Daten nicht dauerhaft gespeichert. Nach längerer Nichtnutzung werde das entsprechende Kundenkonto automatisch gelöscht. Zudem könnten Kunden jederzeit die Löschung ihres Kundenkontos verlangen.
Der Gastzugang stelle daher keine gleichwertige Alternative zum Kundenkonto dar, mit dem die gleichen Zwecke erfüllt würde. Ein Gastzugang würde im Angesicht der weitgehenden Vermittlungstätigkeit der Beklagten als Seitenbetreiberin die technische und organisatorische Abwicklung sogar unnötig erschweren, ohne einen wirklichen datenschutzrechtlichen Vorteil zu bringen.
Fazit
Ein Onine-Shop, der neben dem Direktvertrieb gleichzeitig als Marktplatz Verträge zwischen Dritthändlern und Kunden mittelt, muss Gastbestellungen nicht zwingend ermöglichen Anders als bei Direktvertriebsmodellen ist hier die Pflicht zur Einrichtung eines Kundenkontos durch Effizienzvorteile in der Vertragsabwicklung und zur Betrugsprävention regelmäßig gerechtfertigt.
Dies gelte jedenfalls dann, wenn technische und organisatorische Maßnahmen die Löschung von Kundenkonten nach längerer Inaktivität sicherstellten und individuelle Kontolöschgesuche gewissenhaft und in angemessener Zeit bearbeitet würden.
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