OLG Hamburg: „Kann“ (als Möglichkeitsform) bei gesundheitsbezogener Werbung bereits irreführend
Gesundheitsbezogene Werbung ist an hohe Anforderungen geknüpft und birgt zahlreiche rechtliche Risiken für deren Verwender. Denn deren Zulässigkeit hängt oftmals von jedem einzelnen Wort ab – insbesondere, wenn es um Leistungsversprechen geht. Das OLG Hamburg hat hierzu entschieden, dass bei gesundheitsbezogener Werbung nicht erst ein verbindliches Leistungsversprechen zur Annahme einer Irreführung vorliegen muss - vielmehr ist bereits die Möglichkeitsform „kann“ ausreichend. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des OLG Hamburg in unserem Beitrag.
Gesundheitsbezogene Werbung mit der Möglichkeitsform „kann“
Zum Rechtsstreit war es gekommen, nachdem die Beklagte eine Ganzkörperkältetherapie unter anderem mit folgenden Angaben beworben hatte:
"Vor Wettkämpfen oder Trainings kann die Eisbox die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit verbessern"
und
"Kann die Nährstoffversorgung der Muskeln und Sättigung des Gewerbes mit Sauerstoff verbessern."
In diesen gesundheitsbezogenen Angaben sah die Klägerin eine Irreführung und mahnte die Beklagte zunächst ab. Letztere verwies jedoch darauf, dass in den streitigen Angaben keinerlei verbindliches Versprechen gemacht wurde und das verwendete Wort „kann“ bloß auf eine mögliche Wirkungsweise schließen lässt. Es kam zum Rechtsstreit, der schließlich beim OLG Hamburg landete.
OLG Hamburg: „kann“ ist für irreführende gesundheitsbezogene Angabe ausreichend
Das Gericht gab im Ergebnis der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Denn nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den streitigen Angaben um gesundheitsbezogene Wirkungsangaben, selbst wenn das Leistungsversprechen durch die Möglichkeitsform „kann“ abgeschwächt wird.
Solche Wirkungsangaben dürfen nur verwendet werden, wenn die angepriesene Wirkweise wissenschaftlich anerkannt ist oder der Werbende in der Lage ist, diese zu belegen.
Das OLG Hamburg begründet seine Entscheidung wie folgt:
"Angaben über von der Verwendung zu erwartenden Ergebnissen sind Wirkungsangaben [...] Vorliegend wird in der Werbung in dieser Weise auf die Gesundheit Bezug genommen. Dem steht - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht entgegen, dass kein therapeutischer Anwendungsbereich betroffen ist und sich die Dienstleistungen der Beklagten in erster Linie auf die Bereiche Sport & Fitness sowie Beauty & Wellness beziehen."
Für die Qualifikation als gesundheitsbezogene Werbung komme es im Bereich des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG auch nicht darauf an, ob ein Wirkversprechen abgegeben wird. Eine Irreführung kann sich im Einzelfall auch außerhalb eines Wirkversprechens ergeben. Dies folgt bereits aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Das Beste jeden Morgen“, bei der es um die Werbung für ein Frühstücksprodukt ging.
Das OLG Hamburg bezieht sich sodann auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der bereits ausgeführt hat, dass überall dort, wo die Gesundheit in der Werbung ins Spiel gebracht wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen sind (BGH GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen).
Sodann folgern die Hamburger Richter, dass die angegriffenen Werbebehauptungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck einer Wirksamkeitsaussage und eines Wirksamkeitsversprechens erwecken. Das Gericht führt hierzu aus:
"Die Formulierung der Wirkaussagen in der Möglichkeitsform „kann“ führt zwar zu einer Relativierung der Werbebehauptungen (...). Sie trägt jedoch nach dem allgemeinen Verkehrsverständnis auch dem Umstand Rechnung, dass die Auswirkungen auf den menschlichen Körper individuell unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig sein können (...). Sowohl die „Kann“-Aussagen als auch die Aussagen in der Möglichkeitsform suggerieren aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, dass die Anwendung grundsätzlich geeignet ist, die ausgelobten Effekte hervorzurufen, und dass die Anwendung dieses bei einer bestimmten Anzahl von Personen auch tut (...). Das Verständnis des Verkehrs geht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dahingehend, dass die ausgelobten Effekte (lediglich) nicht ausgeschlossen seien. Daher müssen die grundsätzliche Eignung des Produkts zur Hervorrufung der ausgelobten Wirkungen und die grundsätzliche Eignung der Anwendungsform in der gebotenen Weise wissenschaftlich belegt sein (...)."
Der Hamburger Senat folgert sodann, dass durch die Formulierung, dass die genannten Wirkungen eintreten „können“ bzw. „möglich“ sind, eine Relativierung der Werbebehauptungen eingetreten ist. Allerdings handelt es sich nach dem insoweit (maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise) dennoch um eine Wirksamkeitsaussage bzw. –versprechung.
Die Beklagte hat die Wahrheit der in der angegriffenen Werbung gemachten Wirkaussagen nicht hinreichend dargetan und bewiesen, folglich erging eine dementsprechende gerichtliche Verurteilung.
Fazit
Gesundheitsrechtliche Vorgaben stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3 a UWG dar und können daher bei Verstößen abgemahnt werden. Dem liegt die hohe Bedeutung der Gesundheit als Schutzgut zugrunde.
Die vorliegende Entscheidung des OLG Hamburg zeigt, dass gesundheitsbezogene Angaben nicht durch vermeintlich geschickte Formulierungen in der Möglichkeitsform „kann“ als zulässige Aussagen ausgestaltet werden können. Soweit man als Werbender die angepriesene Wirkungsweise nicht nachweisen kann, sollte man auf derartige Wirksamkeitsaussagen verzichten.
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