OLG Hamburg: Online-Händler müssen deutlich auf Differenzbesteuerung hinweisen
Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 15 U 44/19) entschieden, dass Online-Händler bei Angeboten, die der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegen, klar und eindeutig über diesen Umstand aufklären müssen, wenn sich die Angebote nicht ausschließlich an Verbraucher richten. Der Hinweis, dass der genannte Preis die Umsatzsteuer enthält („inkl. MwSt.“) allein sei in solchen Fällen nicht ausreichend. Im nachfolgenden Beitrag beleuchten wir das Urteil genauer und setzen uns mit den Folgen für die Praxis auseinander.
I. Sachverhalt
In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Anbieter von Mobilfunkgeräten und Tablets einen Mitbewerber gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil dieser bei seinen Online-Angeboten lediglich den Hinweis „inkl. MwSt.“ platziert hatte, ohne zusätzlich auf den Umstand hinzuweisen, dass die Angebote der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegen. In seinen Rechnungen wies der Mitbewerber aufgrund der Regelung des § 25a UStG keine Umsatzsteuer aus.
§ 25a UStG regelt auszugsweise Folgendes:
(1) Für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.
2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde
a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder
b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
(…)
(3) Der Umsatz wird nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt; (…)
Der Antragsteller hielt die Vorgehensweise des Mitbewerbers für irreführend, da der Käufer nicht darüber informiert werde, dass das verkaufte Produkt der Differenzbesteuerung nach § 25a Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliege und die Rechnung über den Produktkauf mithin keine abzugsfähige Umsatzsteuer ausweist. Ein zum Abzug der Vorsteuer berechtigter Käufer gehe aufgrund der Angabe des Kaufpreises mit dem Zusatz „inkl. MwSt.“ davon aus, dass die volle gesetzliche Umsatzsteuer im Preis enthalten sei und diese im Rahmen des Vorabzugs geltend gemacht werden könne.
Mangels einer Angabe nehme der Käufer an, dass sich die enthaltene MwSt. der Höhe nach auf den Gesamtpreis beziehe und nicht - wie im Falle der Differenzbesteuerung – lediglich auf die Marge des Verkäufers. Darüber werde der Käufer auch nicht ausreichend aufgeklärt. Der vorhandene Hinweis sei pauschal formuliert, gebe keine Aufklärung über die Besteuerung des konkret beworbenen Produkts und sei schwer sichtbar.
Das erstinstanzlich hiermit befasste LG Hamburg sah dies jedoch anders und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
Nach Ansicht des LG Hamburg beinhaltete das Angebot des Mitbewerbers keine Irreführung:
Der Hinweis (...), der genannte Preis sei „inkl. MwSt.“, ist (...) sachlich zutreffend. Wenn – was das Gericht allerdings für fernliegend hält – der Hinweis bei einem gewerblichen Letztverbraucher zu der fehlerhaften Vorstellung führen sollte, er könne Vorsteuer für den gesamten oder auch nur einen Teil des Kaufpreises geltend machen, so ist (dies) bedauerlich. Insoweit scheint hier jedoch eine einschränkende Auslegung des § 1 PAngV geboten. Es kann nämlich nicht zulasten des Anbieters gehen, wenn dieser sich an den Wortlaut des Gesetzes hält.
Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller Berufung zum OLG Hamburg ein.
II. Entscheidung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verurteilte den Mitbewerber auszugsweise wie folgt:
Der Antragsgegnerin wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Internet zum Zwecke des Wettbewerbs Mobilfunktelefone unter Angaben von Preisen ("inklusive Mehrwertsteuer") anzubieten, ohne klar und eindeutig darüber aufzuklären, dass das Angebot der Differenzbesteuerung unterliegt und keine Umsatzsteuer auf der Rechnung ausgewiesen wird, wenn dies geschieht wie in Anl. 1 in Verbindung mit Anl. 2 und/oder in Verbindung mit Anl. 3 in Verbindung mit Anl. 2, sofern das Angebot nicht ausschließlich an Verbraucher gerichtet ist.
Schriftliche Gründe hierzu wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Allerdings lässt sich aus dem Tenor die Schlussfolgerung ziehen, dass das OLG Hamburg einen klarstellenden Hinweis zur ggf. anzuwendenden Differenzbesteuerung jedenfalls bei solchen Angeboten für erforderlich hält, die sich auch an Unternehmer richten.
Dies ist insoweit beachtlich, als die Richter hier nicht auf das Interesse der Verbraucher – für die ein entsprechender Hinweis keinen Vorteil brächte und daher unbeachtlich ist - sondern auf das Interesse der Unternehmer abstellen, die in rechtlicher Hinsicht weniger schutzbedürftig als Verbraucher sind. Gleichwohl sahen die Richter die Schwelle zur rechtlich relevanten Irreführung hier als überschritten an.
III. Folgen für die Praxis und Lösungsansätze
Online-Händler, die auch Angebote veröffentlichen, bei denen die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG zum Tragen kommt, sollten in entsprechenden Angeboten jedenfalls dann, wenn sich die Angebote auch an Unternehmer richten, zusätzlich auf diesen Umstand hinweisen.
Dies kann etwa durch einen entsprechenden Hinweis am Preis oder mittels eines entsprechenden Sternchenhinweises erfolgen.
Update vom 14.10.2020: Auch das LG Hamburg hat entschieden (Beschluss vom 30.03.2020, Az.: 327 O 84/20), dass ein der Differenzbesteuerung unterliegender Online-Händler verpflichtet ist, den nach der Preisangabenverordnung vorgeschriebenen Hinweis aufzunehmen, wonach der Artikelpreis die gesetzliche Umsatzsteuer enthält.
Beispiele:
Variante 1: „49,90 EUR (inkl. MwSt., Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, zzgl. Versand)“
Variante 2: „49,90 EUR* (…) *Preise inkl. MwSt., Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, zzgl. Versand“
Schwieriger wird es, wenn der Händler in seinem Shop sowohl Angebote mit Differenzbesteuerung als auch Angebote mit vollständiger Umsatzbesteuerung veröffentlicht. In diesem Fall darf der Hinweis zur Differenzbesteuerung freilich nur bei Angeboten mit Differenzbesteuerung platziert werden.
Ferner sind in der Praxis Fälle denkbar, bei denen der Händler keine technische Möglichkeit hat, den Hinweis neben dem Preis zu platzieren oder den Hinweis am Preis entsprechend zu modifizieren. Hier bleibt nichts anderes übrig, als den Hinweis zur Differenzbesteuerung an anderer geeigneter Stelle im Angebot zu platzieren, etwa in der Artikelbeschreibung. Dabei sollte der Hinweis aber möglichst so platziert werden, dass er im Zusammenhang mit dem Preis auf einen Blick wahrgenommen werden kann.
Befindet sich der Preis – wie üblich – über der Artikelbeschreibung, so könnte der Hinweis am Beginn der Artikelbeschreibung platziert werden und etwa wie folgt lauten:
Dieses Angebot unterliegt der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG. Die Umsatzsteuer wird daher auf der Rechnung nicht ausgewiesen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
3 Kommentare
ich bin u.a. interessiert meine Waren auch bei Kaufland anzubieten. Derzeit bin ich noch ein Kleinunternehmer aber Kaufland bietet keine Möglichkeit an, die Differenzbesteuerung im Inserat zu erwähnen (Einzig im Impressum).
Ist dies ein Grund, abgemahnt zu werden, oder reicht die Angabe das kein Ausweis der MwSt. erfolgt im Impressum.
Danke und Grüße
HP
Es sind also bei mir 4 Steuersätze möglich:
1) Differenzbesteuert (bei mir zu ca. 95% die Regel),
2) 19% Vollbesteuerung (bei mir im Promillebereich des Gesamtumsatzes),
3) MWSt-frei (MWSt-freies Anlagegold n. Art. 344 Abs. 1 Nr. 2 d. Richtlinie 2006/112/EG) und
4) Bücher mit 7% ermäßigtem MWSt-Satz !
Bei mir steht auch "inkl. MWSt., zzgl. Versandkosten". Bei Beschreibung u. Eingabe des Artikels in den PC wird der entsprechende Steuersatz zwar eingegeben und a. d. Rechnung entsprechend ausgewiesen, nur übernimmt das Web-Programm nicht diese Angaben. Dies zu ändern würde mich einige Tausend kosten und wäre mir für die letzten 1-2 Jahren meines numismatischen Daseins zu viel. Ich kenne auch keinen deutschen Kollegen, dessen Programm das schafft !
Was tun ?
Bei der einzigen Angabe „inkl. MwSt.“ ist es aber absolut nicht möglich, die Differenzbesteuerung zu erkennen und das hat das OLG Hamburg zum Glück erkannt.
Danke dafür, es vereinfacht den Einkauf insbesondere von gebrauchten Handys und Tabletts, bei denen aufgrund von Übernahmen aus Mobilfunkverträgen oft mit Differenzbesteuerung verkauft wird, Aber auch bei Gebrauchtwagen erheblich.