OLG Frankfurt a.M.: Irreführung durch fehlerhafte Preisangabe nach Mitarbeiterirrtum
Ein online angegebener Preis, der objektiv zu niedrig und daher falsch ist, stellt grundsätzliche eine wettbewerbswidrige Irreführung dar. Ob dies aber auch für den Fall gilt, dass ein Mitarbeiter aufgrund eines Eingabefehlers versehentlich einen falschen Preis ausweist, musste jüngst das OLG Frankfurt a.M. beurteilen. Lesen Sie im Folgenden mehr zur Entscheidung.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Die Beklagte vertrieb Elektrogeräte über einen Online-Shop. Dabei bewarb sie am 27.11.2020 ein Computergehäuse zu einem Aktionspreis von 114,90 €.
Als ein Kunde den Artikel am 02.12.2020 zu diesem Preis bestellte, stornierte die Beklagte die Bestellung und bot das Gehäuse für 175,00 € an.
Die zwei Reklamationen des Kunden wies die Beklagte damit zurück, dass es eine falsche Preisangabe im Online-Shop gegeben habe, die auf einer fehlerhaften Übermittlung des Lieferanten beruhe, und dass der angegebene Preis in höchstem Maß unwirtschaftlich sei.
Der Kläger, eine Wettbewerbsverband, der über den Vorfall informiert worden war, mahnte die Beklagte schließlich am 10.12.2022 ab. Eine Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab, aber erklärte, den Artikel nun doch zu dem niedrigeren Preis veräußern zu wollen, da es sich bei der Stornierung um ein Versehen eines Mitarbeiters gehandelt habe.
Das LG Gießen wies die Klage mit Urteil vom 15.10.2021 (Az. 6 O 11/12) ab. Mit einer Berufung zum OLG Frankfurt a.M. verfolgte der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter.
II. Die Entscheidung
Die Berufung hatte in der Sache Erfolg. Das OLG Frankfurt a.M. stellte mit Urteil vom 24.11.2022 (Az. 6 U 276/21) fest, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG zustehe.
Die Preisangabe sei unwahr und damit irreführend.
In dem hier vorliegenden Fall werde der Verkehr erwarten, dass er einen im Online-Shop angebotenen Artikel auch tatsächlich zu dem angegebenen Preis erwerben könne. Zwar wisse der Verkehrskreis von etwaigen möglichen Änderungen im Einzelfall, dass der Preis aber um über 50% erhöht werde, komme diesem nicht in den Sinn. Auch habe die Beklagte tatsächlich eine Lieferung zum Angebotspreis nicht nur einmal, sondern auf Nachfrage des Klägers sogar noch ein zweites Mal abgelehnt.
Zu einem anderen Ergebnis komme man auch nicht dadurch, dass die Beklagte aufführe, es habe sich um einen Fehler des zuständigen Mitarbeiters gehandelt, der dem System nicht entnommen habe, dass es sich um einen Angebotsartikel handele. Denn Anknüpfungspunkt für die Unlauterkeit sei bei richtlinienkonformer Auslegung die relevante Unwahrheit bzw. Täuschungseignung der Angaben. Eine Täuschungsabsicht sei für den § 5 UWG, der den Irreführungsschutz des Art. 6 UGP-RL umsetze, nicht nötig. Auch andere Motive des Unternehmers seien im Rahmen des § 5 UWG unbeachtlich.
Auch fehle es hier nicht an der nach § 5 Abs. 1 UWG erforderlichen Geeignetheit, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es sei offensichtlich, dass der Preis ein entscheidendes Element bei der Kaufentscheidung darstelle, erst recht, wenn es bei einem Artikel im Wert von 150 € um einen Preisnachlass von 50 € ginge.
Unbeachtlich sei, dass es sich lediglich um einen Einzelfall gehandelt habe, da die Geeignetheit auf die konkrete Handlung abstelle und in der konkreten Situation eine Veranlassung des Verbrauchers zu der geschäftlichen Entscheidung möglich sei.
Des Weiteren sei es nicht von Bedeutung, dass die Beklagte dem Kunden noch vor Abschluss des Kaufvertrages den tatsächlichen Preis genannt habe, da in diesem Moment die Kaufentscheidung des Käufers schon getroffen sei. Die geschäftliche Entscheidung sei unabhängig von dem tatsächlichen Zustandekommen des Kaufvertrags.
Die geschäftliche Entscheidung sei nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben wolle, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließe, tätig zu werden.
Gemäß dem EuGH wird der Begriff der geschäftlichen Entscheidung im Sinne der zugrundeliegenden Art. 2 lit. k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung nach Art. 6 Abs. 1 UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert. Nach dem EuGH ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb des Produkts erfasst, sondern vielmehr auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen. Etwa das Betreten des Geschäfts oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet. Demnach könne eine Irreführung auch dann von Bedeutung sein, wenn es zwar nicht zu endgültigen Marktentscheidung komme, d.h. zum Kauf der Ware, aber die Irreführung einen Anlockeffekt auf den Verkehr ausübe.
Damit ließe sich auch die potenzielle Schädlichkeit für die Mitbewerber bejahen, da der in das Geschäft gelockte Kunde sich zwar womöglich gegen den Kauf der irreführend beworbenen Ware entschließe, aber für den Kauf eines anderen Produkts. Dies sei das Geschäft, was den Mitbewerbern dann entgehe. Die weite Auslegung der „geschäftlichen Entscheidung“ diene also nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern ebenfalls dem Mitbewerberschutz.
Im Fall habe der Kunde seine Kaufentscheidung sogar schon getroffen, dass der Kaufvertrag dann nicht zustande kam, habe vielmehr an der Beklagten gelegen und nicht an dem Kaufentschluss des Kunden.
III. Fazit
Anknüpfungspunkt für den Unlauterkeitsvorwurf bei objektiv unrichtig niedrigen Preisangaben ist die relevante Unwahrheit. Deshalb ist allein entscheidend, ob ein tatsächlich im Online-Shop angegebener Preis falsch war. Nicht von Bedeutung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist, wie oder aus welchem Grund es zu der falschen Angabe gekommen ist. So ändert etwa der Fehler eines Mitarbeiters nichts an der Einstufung eines fehlerhaften Preises im Online-Shop als wettbewerbswidrige Irreführung.
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