OLG Frankfurt a.M.: Keine Klagebefugnis für den IDO-Verband

OLG Frankfurt a.M.: Keine Klagebefugnis für den IDO-Verband
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von Sarah Freytag
28.06.2019 | Lesezeit: 6 min

In Deutschland gibt es, anders als in anderen EU-Ländern, per Gesetz die Möglichkeit, gewisse Interessenverbände Abmahnungen aussprechen und Prozesse führen können. Leider hat dies in der Vergangenheit nicht nur dazu geführt, dass Wettbewerbsverstöße im Interesse aller Marktteilnehmer effektiv und nachhaltig verfolgt werden konnten. Vielmehr haben einzelne Verbände dadurch traurige Berühmtheit erlangt, dass sie das Gesetz ausnutzten, um selbst Profit aus Abmahnverfahren zu schlagen. Dass dies dem Gesetzeszweck grundsätzlich zuwiderläuft, legte das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. jüngst in einem Urteil vom 02.05.2019 (Az. 6 U 58/18) dar und sprach dem IDO-Verband im konkreten Fall die Klagebefugnis ab. Die IT-Recht Kanzlei stellt das Urteil vor.

Der Sachverhalt

Der Beklagte handelt als gewerblicher Verkäufer über die online Plattform eBay mit Comics. Kläger war im vorliegenden Fall der IDO-Verband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben insbesondere die Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen, in streitigen Fällen durch Abmahnung und Prozessführung, seiner Mitglieder gehört. Der Kläger mahnte den Beklagten unter anderem deswegen ab, weil dieser seinen Angeboten aus der Kategorie Bücher und Spielwaren auf eBay kein Musterwiderrufsformular beigefügt hatte. Als sich der Beklagte weigerte, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, verklagte ihn der Kläger vor dem Landgericht Frankfurt a.M. auf Unterlassen. Der Beklagte wurde in erster Instanz antragsgemäß verurteilt, ging jedoch gegen dieses Urteil in Berufung. Er trug dabei vor, dass es dem IDO-Verband bereits an der Klagebefugnis fehle, da die Mitglieder des Verbandes nicht in wettbewerblicher Konkurrenz zu ihm stünden.

Die gerichtliche Entscheidung

Das OLG Frankfurt a.M. gab dem Beklagten Recht, änderte das Urteil der Vorinstanz ab und wies die Klage ab. Die Klage sei, mangels Aktivlegitimation des Klägers, unzulässig.

Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) stehen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche "rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt" zu.

Das Gericht stellte fest, dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen statuiere, sondern auch Voraussetzung für die Prozessführungsbefugnis sei. Da der Kläger nicht darlegen könne, dass ihm eine erhebliche Zahl (1.) von Unternehmern angehöre, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt (2.) wie der Beklagte vertreiben, sei die Klage bereits unzulässig.

Zur Beurteilung dieser beiden Kriterien legte das Gericht Folgendes dar:

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1.) "Erhebliche Zahl von Unternehmern"

Um klagebefugt zu sein, müsste dem Verband eine "erhebliche Zahl" von Unternehmen angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher Art vertreiben. Diese Anspruchsvoraussetzung diene dem Zweck, reine Abmahn- und Wettbewerbsvereine zu bekämpfen, die vorwiegend aus Gebühreninteresse gegen Wettbewerbsverstöße vorgehen. Das Gericht führt aus, dass sich die Erheblichkeit im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht von vornherein und generell bestimmen ließe. Es gäbe jedenfalls keine Mindestanzahl und es müsse auch nicht die Mehrheit der Mitbewerber dem Verband angehören.

Maßgebend sei viel mehr, dass die Zahl, Größe und Marktbedeutung der Mitbewerber die in dem Verband organisiert sind, darauf schließen lassen ließe, dass sie in der Weise repräsentativ vertreten seien, so dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden könne. Im Zweifel sei darauf abzustellen, ob die Zahl und wirtschaftliche Bedeutung der brachenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf (zuließe), dass nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen würden.

Dies habe zur Folge, dass Mitglieder mit einem stationären Ladengeschäft in diesem Zusammenhang größeres Gewicht zukomme, als Mitgliedern mit kleinen Online-Shops, die ihre Waren vornehmlich über von Dritten angebotenen Verkaufsplattformen vertreiben. Diese Online-Shops hätten meist einen geringen Umsatz und könnten meist ohne größeren Investitionsaufwand mit wenigen Mausklicks aus dem Wohnzimmer hinaus eröffnet und wieder eingestellt werden. Aus diesem Grund könne ihnen keine mit Ladengeschäften vergleichbare wirtschaftliche Bedeutung beigemessen werden.

2.) "Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art"

Das Gericht stellte fest, dass diese Anspruchsvoraussetzung erfordere, dass die Unternehmen in demselben sachlich und räumlich relevanten Markt in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Maßgebliches Kriterium für ein Wettbewerbsverhältnis sei, dass sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen so nahe stünden, dass der Absatz des einen Unternehmens durch ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden könne. Dabei käme es, anders als im Kartellrecht, gerade nicht darauf an, dass die Kornkurrenten identische Produkte vertrieben. Eine Zugehörigkeit zur selben oder einer angrenzenden Branche reiche bereits aus.

Im Wege einer Gesamtwürdigung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei zu berücksichtigen, ob sich die Produktsortimente ähnelten oder nur ein sehr mittelbares Wettbewerbsverhältnis bestünde.

3.) Bedeutung der Kriterien für den IDO-Verband im Fall

Die Mitgliederstruktur des IDO-Verbands erfülle in der Gesamtschau des Gerichts beide Kriterien kumulativ nicht.

Bezüglich des ersten Kriteriums sei festzustellen, dass der klägerische Verband seine Mitglieder weit überwiegend aus Verkäufern bei eBay rekrutiere, die die Plattform als "digitalen Flohmarkt" nutzen und eine Vielzahl an unterschiedlichen Waren in übersichtlicher Stückzahl anböten. Die meisten Mitglieder vertrieben nur in unerheblichen Umfang Waren, die unter die Kategorien "Bücher" oder "Spielwaren" fallen würden und hätten daher gerade keine repräsentative, wirtschaftliche Bedeutung. Der Senat erachte im Ergebnis die Zahl der Mitglieder insgesamt als nicht ausreichend, um auszuschließen zu können, dass der IDO-Verband durch seine Klage nicht vorwiegend nur eigene Interessen verfolgte.

Bezüglich des zweiten Kriteriums sei im konkreten Fall darauf abzustellen, ob dem IDO-Verband Unternehmen angehörten, die Produkte der Kategorie "Bücher" oder "Spielwaren" vertrieben. Nicht berücksichtigungsfähig hingegen seien Mitgliedsunternehmen die pauschal als "Sammelartikelhändler" angeführt würden. Der Begriff des "Sammelartikels" sei zu weit und wenig greifbar und würde zu einer willkürlichen Zusammenfassung von Mitgliedern führen. Eine nähere Überprüfung der Angebote der Mitglieder ergäbe, dass der Großteil der Mitglieder Bücher und Spielwaren nur zu einem geringen Anteil anböten.

Fazit

Auch in einem ähnlich gelagerten Fall vor dem LG Rostock (Urteil vom 02.05.2019, Az. 5a HKO 112/18) wurde dem IDO-Verband die Klagebefugnis abgesprochen, da er nicht über ausreichend Mitglieder im relevanten Marktsegment (hier im Bereich von Nahrungsergänzungsmitteln) verfüge. Diese Urteile sind erfreulich, zeigen sie doch, dass in diesen Fällen die Gerichte bekannten "Abmahn-Verbänden" entschieden entgegengetreten sind. Fachlich vermag die Gewichtung des OLG Frankfurt a.M., das ohne rechtliche Anhaltspunkte dem stationären Handel für die Beurteilung der Erheblichkeit der Mitgliederzahl per se eine höhere Durchschlagkraft zusprach als dem Online-Handel, allerdings nicht zu überzeugen. Offenbar ausschließlich, um die Abmahnpraxis des IDO-Verbandes einzudämmen, ließ das Gericht bewusst ungewürdigt, dass maßgebliche Mitbewerberverhältnisse im E-Commerce in deutlich größeren und vor allem dynamischeren Dimensionen bestehen und mithin eine Vergleichbarkeit mit dem stationären Handel fehlgeht.

Freilich ist das Urteil in seiner Reichweite begrenzt, da dem IDO-Verband nur für den konkreten Fall und das konkrete Mitbewerberverhältnis die Aktivlegitimation abgesprochen wurde. Faktisch dürfte es daher in jedem Einzelfall mühsame Kleinstarbeit bleiben, die tatsächlichen Mitgliederstrukturen und deren wirtschaftliche Bedeutung genau zu durchdringen und zu bewerten. Besonders problematisch ist dabei, dass es abgemahnten Händlern, anders als den Gerichten, hierfür oft an erforderlichen Informationen fehlen dürfte.

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