OLG Bremen: Umweltbezogene Werbeaussagen „nachhaltig“ und „ressourcenfreundlich“ lösen erweiterte Aufklärungspflichten aus
Im Angesicht des Klimawandels richten viele Verbraucher ihre Kaufentscheidung zunehmend auch nach dem ökologischen Fußabdruck von Anbietern aus und bevorzugen solche mit Umweltschutzkonzepten. Als Reaktion darauf greifen Unternehmen vermehrt zu klimaschutzbezogenen Werbeaussagen, um für ihre Produkte den Eindruck einer besonderen Umweltschonung zu erwecken. Dass Anpreisungen wie „nachhaltig“ oder „ressourcenfreundlich“ aber nicht einfach behauptet werden dürfen, sondern für ihre Zulässigkeit weitere aufklärende Informationen voraussetzen, entschied das OLG Bremen. Lesen Sie mehr zum Urteil.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Die Beklagte, ein Handelsunternehmen für biologische Lebensmittel, hatte in der „Lebensmittel Zeitung (LZ)“ eine Werbeanzeige für biologische Teesorten geschaltet und für zwei Tees unter die Attribute „nachhaltig“ und „ressourcenfreundlich“ hervorgetan, ohne dies weiter zu substantiieren.
Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, sah in diesen Pauschalbehauptungen irreführende Werbeaussagen.
Die Werbeaussagen seien bewusst unscharf formuliert und appellierten generell an das Umweltbewusstsein von Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern, ohne aber konkret darüber aufzuklären, aus welchen Umständen sich die ausgelobte Umweltschonung ergebe.
Verbraucher und andere Marktteilnehmer würden so dazu verleitet, von besonderen Umweltmaßnahmen bei der Produktion auszugehen, ohne dass solche tatsächlich beschrieben worden wären.
Die Beklagte hielt der klägerischen Auffassung entgegen, die Werbebegriffe knüpften allein an die ebenfalls ausgelobte Bioqualität der Tees und mithin an deren ökologische Produktion an. Dieser Sachzusammenhang sei durch das ebenfalls erfolgten Abdrucken des DE-Bio-Siegels für Betrachter widerspruchsfrei herzustellen.
Nachdem das Landgericht Bremen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung abgewiesen hatte, verfolgte der Kläger mit einer Berufung zum OLG Bremen sein Rechtsschutzziel weiter.
II. Die Entscheidung
Das OLG Bremen gab mit Urteil vom 23.12.2022 (Az. 2 U 103/22) der Berufung in Punkt auf die beiden streitgegenständlichen Werbeaussagen statt und erließ insoweit die einstweilige Verfügung.
Umweltbezogene Werbeaussagen seien zwar grundsätzlich zulässig, aber – ähnlich wie die Gesundheitswerbung – nach strengen Zulässigkeitsmaßstäben zu beurteilen.
Umweltbezogene Werbung sei nämlich geeignet, auf besonders emotionale Weise Bedürfnisse und Sorgen im Menschen anzusprechen und geschäftliche Entscheidungen dadurch stark zu beeinflussen, dass suggeriert werde, mit ihnen gesteigerte Umweltverantwortung übernehmen zu können.
Diesem Umweltbewusstsein stünden aber Interpretations- und Verständnisdefizite in Bezug auf konkrete klimaschutzbezogene Schlagworte entgegen, deren Bedeutung und Tragweite im Einzelnen nicht zur Gänze erfasst würden.
Die emotionale Zielrichtung und das Nebeneinander diverser, inhaltlich schwer voneinander abgrenzbarer Werbeschlagworte schaffe einen besonderen Irreführungscharakter für umweltbezogene Werbung, dem mit gesteigerten Aufklärungspflichten über die tatsächlich ergriffenen und die Werbebehauptung tragenden Maßnahmen einhergehen müsse.
Weil dem Begriff „nachhaltig“ nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein ökonomischer oder gar sozialer Kontext innewohnen könnten, sei dessen Bedeutungsgehalt fließend und ließe gerade keine konkreten Rückschlüsse auf die Maßnahmen zur Umsetzung der insoweit behaupteten Umweltsensibilität zu.
Ähnlich wie bei der Werbeaussage „umweltfreundlich“ müsse daher, um irreführende Eindrücke des angesprochenen Verkehrs zu vermeiden und ein Verständnis der Reichweite der Auslobung zu ermöglichen, darüber aufgeklärt werden, aus welchen konkreten Maßnahmen die Nachhaltigkeit abgeleitet werde.
Eine erweitere Aufklärungspflicht lasse sich inhaltsgleich auch für die Anpreisung „ressourcenfreundlich“ annehmen, weil diese Pauschalbehauptung unzutreffende Vorstellungen über die Bedeutung und Reichweite des produktbezogenen Umweltschutzes provoziere. Um dem Informationsbedürfnis des angesprochenen Verkehrs gerecht zu werden, hätte darüber informiert werden müssen, aus welchen konkreten Vorzügen und Mitteln sich die Ressourcenfreundlichkeit ergebe.
Indem die Beklagte die umweltbezogenen Attribute generell behauptete, ohne sie durch Informationen zu den konkret ergriffenen Maßnahmen näher zu substantiieren, habe sie gegen die ihr obliegenden Aufklärungspflichten verstoßen und mithin in irreführender Weise mit Umweltaussagen geworben.
III. Fazit
Begrifflichkeiten und Werbeaussagen, die eine Nachhaltigkeit oder Ressourcenfreundlichkeit behaupten, dürfen nicht pauschal aufgestellt werden.
Weil der angesprochene Verkehr aus derartigen Behauptungen die Reichweite und den Inhalt konkret umweltschonenden Verhaltens nicht herauszulesen vermag, ist in unmittelbarem Zusammenhang auch mit weiteren Informationen darüber aufzuklären, aus welchen Maßnahmen und oder Eigenschaften sich die behauptete Umweltwirkung ableitet.
Wer mit der Anpreisung von Nachhaltigkeit oder Ressourcenfreundlichkeit ohne weitere Aufklärung wirbt, begeht eine wettbewerbsrechtliche Irreführung.
Weiterführender Hinweis:
Als umweltbezogene Werbung ebenfalls beliebt ist der Verweis auf „Klimaneutralität“.
Welche aufklärerischen Anforderungen dort zu beachten sind, zeigen wir in diesem Beitrag.
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