Verbraucherinformationen im Onlinehandel in Österreich: Von Händlern und Hellsehern
Ein interessantes Judikat erreichte uns kürzlich aus unserer österreichischen Nachbarschaft: Gemäß der §§ 4 und 8 des dort gültigen Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (FAGG) ist ein Onlinehändler verpflichtet, den Verbraucher unmittelbar vor dem Kauf einer Ware über deren „wesentliche Eigenschaften“ zu unterrichten. Die Frage, was diese Eigenschaften genau sind, lässt der österreichische Oberste Gerichtshof in einem aktuellen Urteil (OGH, Urt. v. 23.01.2018, Az. 4 Ob 5/18s) offen – und setzt offenbar eher auf die hellseherischen Fähigkeiten des Händlers.
Der Sinn der Regelung aus §§ 8 Abs. 1, 4 Abs. 1 Ziff. 1 FAGG liegt darin, dem Verbraucher unmittelbar vor der endgültigen Kaufentscheidung noch einmal alle entscheidungsrelevanten Produktmerkmale an die Hand zu geben und so bspw. einen Vergleich mit ähnlichen Produkten oder zumindest einen letzten Check zu ermöglichen.
Im Grundfall zum hier besprochenen Judikat hatte nun ein Onlineshop im Warenkorb unmittelbar vor dem Kauf ein Produktbild eingeblendet; dieses war dergestalt verlinkt, dass ein Klick auf das Bild auf eine Seite mit allen Produktinformationen führte. Nach Ansicht des Gerichts wird die Informationspflicht gem. §§ 8 Abs. 1, 4 Abs. 1 Ziff. 1 FAGG hierdurch nicht erfüllt, da die Verlinkung einerseits nicht das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ aufweise, und andererseits weder das Bild noch die unter dem Link erreichbaren Informationen auf „wesentliche Eigenschaften“ des Produkts hinwiesen.
Bezüglich des Bildes ging der OGH davon aus, dass es zwar durchaus Informationen transportiere, aber den Verbraucher keineswegs über wesentliche Merkmale der Ware aufklärte (OGH, Urt. v. 23.01.2018, Az. 4 Ob 5/18s):
„Abbildungen können den Unternehmer durchaus unterstützen, seiner Hinweispflicht nachzukommen (vgl Kletečka/Kronthaler, ÖJZ 2018/2, 12 bezüglich der getroffenen Farbauswahl). Sie sind aber nicht geeignet, die erforderlichen Informationen, insbesondere zum Material und zur Größe eines Produkts, zu ersetzen.“
Die per Link aufrufbaren Informationen genügten der Informationspflicht gem. §§ 8 Abs. 1, 4 Abs. 1 Ziff. 1 FAGG ebenfalls nicht – hinter dem Link waren zwar alle Produktmerkmale einzusehen, es wurden jedoch nicht die „wesentlichen Eigenschaften“ herausgefiltert:
"Mit dieser Form des Zugangs zu allen Produktdetails kann […] der Informationspflicht nach § 8 Abs 1 FAGG aber nicht entsprochen werden, weil das Gesetz in dieser letzten Phase des Bestellvorgangs gerade eine umfassende Darstellung aller Eigenschaften der Ware verhindern will."
Kurz zusammengefasst: Der österreichische Verbraucher soll unmittelbar vor dem endgültigen Kauf der Ware noch einmal kurz und knapp vorgeführt bekommen, was genau er gleich per Klick einkaufen wird – diese Information sollte mehr als ein Bild sein, aber weniger als das gesamte Datenblatt. Genau hier weist das – methodisch du argumentativ durchaus überzeugende – Urteil jedoch eine gravierende Schwäche auf: Es enthält nicht wirklich Hinweise darauf, woran denn nun „wesentliche Eigenschaften“ im Sinne der Norm erkennbar sind. Zwar führen die Richter (zusammenhanglose) Beispiele aus der Literatur u.a. für Kleidung („Größe, Farbe, Material, Waschbarkeit“), Drucker („wie viel Blatt Papier ein Drucker pro Minute druckt“) und Sonnenschirme („neben den Maßen, Form und Farbe auch das Material des Bezugsstoffs, das Material des Gestells sowie das Gewicht“) an, lassen sich bezüglich der konkreten Auslegung der Norm jedoch nur zu diesem recht allgemeinen Hinweis hinreißen:
"Aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass zu den Produktmerkmalen auch diejenigen Informationen gehören, die die Einsetzbarkeit der Ware und ihre Brauchbarkeit für den konkreten Verbraucher betreffen. Von der Informationspflicht sind auch diejenigen Angaben erfasst, die die Vergleichbarkeit der Ware/Leistung mit einem Konkurrenzprodukt ermöglichen, was insbesondere leistungsbestimmende Merkmale betrifft (Tamm, VuR 2014, 10)."
Während die Vergleichbarkeit mit Konkurrenzprodukten durchaus noch Sinn ergibt, dürfte die „Einsetzbarkeit der Ware und ihre Brauchbarkeit für den konkreten Verbraucher“ den Onlinehändler vor größere Probleme stellen – eines der klassischen Merkmale des Onlinehändlers (und der große Unterschied zum stationären Händler) ist ja gerade, dass er den „konkreten Verbraucher“ nie zu Gesicht bekommt. Der Normgeber fordert nun jedoch allen Ernstes, dass der Händler aus allen das Produkt betreffenden Informationen eine Essenz zaubert, die den entscheidungsrelevanten Bedürfnissen des unbekannten Verbrauchers gerecht werden – in der Praxis dürfte es sich nun natürlich eher schwierig gestalten, die konkreten Bedürfnisse dieses unbekannten Verbrauchers zu erraten und anhand dieser die „wesentlichen Merkmale“ des Produkts so knapp wie möglich und so umfangreich wie nötig aufzubereiten. Als gangbarer Ausweg bleibt wohl nur – die fachkundige Unterstützung eines Hellsehers.
Dies ist freilich etwas überspitzt ausgedrückt; im vorliegenden Fall zeigt sich jedoch erneut eine der großen Unzulänglichkeiten des europäischen eCommerce-Rechts: Der Normgeber gefällt sich in seiner Rolle als selbsternannter Verbraucherschützer und bürdet dem Handel Pflicht um Pflicht auf, ist aber anderseits sehr sparsam mit Hinweisen, wie denn diesen Pflichten effektiv nachzukommen ist. Der hier entstandene Graubereich wird in der Rechtsprechung über Jahre hinweg und anhand einer Vielzahl von Fällen – und damit Gerichtsverfahren – ausgeleuchtet werden müssen.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare