Liefertermin nicht eingehalten? Schadenersatzansprüche wirksam abwehren!

Liefertermin nicht eingehalten? Schadenersatzansprüche wirksam abwehren!
Stand: 24.08.2023 12 min

Lieferzeitangaben: Auf welche Formulierungen sollte man besser verzichten? Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Lieferzeitangaben: Auf welche Formulierungen sollte man besser verzichten?"

Es kommt immer wieder vor, dass Online-Händler zugesagte Lieferzeiten nicht einhalten können. Unangenehm wird es jedoch, wenn Käufer in solchen Fällen Schadenersatzansprüche geltend machen. Wir zeigen, wie sich Händler dagegen wehren und stellen hilfreiche Musterformulierungen bereit.

Lieferzeiten: Ein entscheidendes Kaufkriterium

Jeder kennt das Gefühl, wenn man eine Online-Bestellung aufgegeben hat und nun ungeduldig auf die Lieferung wartet. In der Regel kann man sich ungefähr darauf einstellen, wann die bestellte Ware geliefert wird, denn oft findet man beim Kauf Angaben wie „Lieferzeit in 3-5 Werktagen“.

Nicht selten ist die Lieferzeit dabei für den Kunden ein wichtiges Kaufkriterium. Je kürzer diese ist, desto höher die Verkaufschancen des Unternehmens. Zudem sind Online-Shops gesetzlich verpflichtet, eine Lieferzeit anzugeben.

Kommt das gewünschte Paket dann doch etwas später als angekündigt an, ist die Enttäuschung und Ungeduld mitunter groß und die Online-Händler haben mit verärgerten Kunden zu kämpfen. Aus Sicht der Kundenbindung ist es sicherlich sinnvoll, den Kunden über die verspätete Lieferung zu informieren.

Aber stehen dem Kunden aufgrund der Nichteinhaltung der angegebenen Lieferzeit Ansprüche zu?

Im Fernabsatz ist die Angabe von Lieferzeiten verpflichtend!

Online-Händler sind zur Belehrung in Bezug auf Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen verpflichtet. Die Angabe der Lieferzeit ist von großer Bedeutung, denn sie wird nach § 312d Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsbestandteil, sodass mit Verstreichen der angegebenen Frist unter Umständen automatisch ein sog. Verzug eintreten kann.

Die Angabe einer Frist für die Lieferung reicht dabei aus (z. B. „2 – 5 Tage“).

Schadensersatzanspruch des Käufers

Bereits die kurze Überschreitung der angegebenen Lieferzeit kann bei Kunden zur Verärgerung und der Forderung nach einer „Entschädigung“ bzw. Schadensersatz führen.

Die entscheidende Frage lautet dann: Hat der Kunde bei Nichteinhaltung der Lieferfrist tatsächlich einen Anspruch auf Schadenersatz?

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1. Voraussetzungen

Der Käufer kann bei Überschreitung der Lieferfrist durch den Händler grundsätzlich Schadensersatz verlangen, sofern die gesetzlichen Anforderungen hierfür erfüllt sind.

Entscheidend ist, dass der Händler sich im Verzug befindet. Dafür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Die Leistung wurde trotz Fälligkeit nicht erbracht.
  • Es erfolgte eine Mahnung, es sei denn, diese ist bei kalendermäßig festgelegter Lieferzeit entbehrlich.
  • Die Nichtleistung ist vom Händler zu vertreten (gesetzliche Vermutung).
  • Der Verzug wurde nicht zwischenzeitlich beendet.

Im Einzelnen:

a. Fälligkeit der Leistung

Für die Annahme des Verzugs muss die Lieferung der Ware fällig sein.

Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger (= Käufer) die Leistung verlangen kann. Dies ist der Zeitpunkt zum Ablauf der angegebenen Lieferzeit.

b. Mahnung durch den Käufer

Ferner setzt ein Verzug grundsätzlich eine Mahnung voraus.

Eine solche Mahnung liegt vor, wenn der Käufer den Händler gesondert auffordert, die geschuldete Leistung (= Lieferung der Ware) zu erbringen. Hierzu ist eine angemessene Frist zu bestimmen, die von den Umständen des Einzelfalls abhängt (sich aber an der angegebenen Lieferzeit orientieren sollte).

Allerdings kann eine Mahnung auch entbehrlich sein. Ist im Falle des Schadensersatzes eine Mahnung oder im Falle des Rücktritts eine Fristsetzung gesetzlich entbehrlich, so kann der Käufer grundsätzlich sofort Schadensersatz verlangen oder vom Vertrag zurücktreten, ohne den Händler zur Leistung aufgefordert zu haben.

Wann eine Mahnung entbehrlich ist, ergibt sich aus dem Gesetz. So ist nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Mahnung entbehrlich, wenn „für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“.

Bei einer Lieferzeitangabe wie beispielsweise „Lieferung in 3-5 Werktagen“ handelt es sich (nach überwiegender Auffassung) um eine nach dem Kalender bestimmte Leistungszeit.

Das bedeutet, dass sich der Online-Händler automatisch im Verzug befindet, wenn er nicht spätestens am 5. Werktag liefert. Einer vorherigen Mahnung des Käufers bedarf es dann nicht.

Denn eine solche Angabe impliziert die Vereinbarung eines konkreten oder zumindest kalendermäßig bestimmbaren Liefertermins, welcher nach § 312d Abs. 2 Nr.1 BGB auch Vertragsbestandteil wird.

Allerdings liegt nicht immer der Fall vor, dass die Mahnung (bei Überschreitung des Lieferzeitraums) als entbehrlich angesehen werden kann. Zum einen gibt es juristische Stimmen, die einen automatischen Verzug im Falle der Nichteinhaltung der Lieferzeit ablehnen.

Zum anderen kann auch im Falle einer Lieferzeitangabe (wie z.B. „Lieferzeit: ca. 3-5 Tage) Unbestimmtheit herrschen, ob nach Ablauf des angegebenen Zeitrahmens (aufgrund der Verwendung der zulässigen Bezeichnung „ca.“) wirklich eine präzisierte kalendermäßig bestimmte Leistungszeit vorliegt.

c. Verantwortlichkeit des Händlers

Liegt eine Nichtleistung des Händlers in Bezug auf die fällige Lieferleistung vor, setzt ein Schadensersatzanspruch des Käufers zusätzlich noch voraus, dass der Händler die Verzögerung der Lieferung zu vertreten hat. Das Verschulden des Schuldners muss sich nur auf den Eintritt des Verzugs, nicht auf den Eintritt des Schadens beziehen.

Dieses Verschulden wird jedoch gesetzlich vermutet: Der Händler muss beweisen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat.

Ein Schadensersatzanspruch ist also dann ausgeschlossen, wenn der Händler nachweisen kann, dass ihn für die Verzögerung insbesondere kein Verschulden trifft.

Zudem setzt ein Schadensersatzanspruch des Käufers schon nach seinem Wesen voraus, dass tatsächlich ein kausaler Schaden entstanden ist.

Kein Verschulden liegt daher beispielsweise vor, wenn es sich um höhere Gewalt handelt. Höhere Gewalt ist anzunehmen, wenn es sich um von außen eintretende Ereignisse handelt, die für den Händler genauso überraschend kommen wie für den Käufer.

Ebenso hat der Schuldner den Verzug nicht zu vertreten, wenn die Ware aufgrund von Unerreichbarkeit des Gläubigers zu spät geliefert wird. Wenn der Gläubiger also beispielsweise seinen Wohnort geändert hat und den Schuldner darüber nicht informiert hat, sodass dieser ohne Verschulden die Person oder Anschrift des Gläubigers nicht kennt.

Liegen die Voraussetzungen für den Verzögerungsschaden vor, kann der Käufer diesen speziellen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dieser Schadensersatzanspruch tritt neben den Lieferanspruch und ersetzt ihn gerade nicht.

d. Konsequenz des Schadenersatzanspruchs

Bei dem Schadensersatzanspruch ist der Käufer so zu stellen, als hätte der Händler die Leistung rechtzeitig erbracht. Allerdings muss zwischen dem Verzug und dem Schaden ein Ursachenzusammenhang bestehen.

Zu beachten ist, dass die (höheren) Kosten für einen Deckungskauf keinen Verzögerungsschaden darstellen, diese können also nicht als Schaden in Folge eines Verzugs geltend gemacht werden. Um derartige Schäden geltend machen zu können, müssen gesonderte Voraussetzungen eines sog. Schadensersatzanspruchs statt der Leistung vorliegen. Ebenso stellt die entgangene Nutzungsmöglichkeit keinen durch Verzug ersatzfähigen Schaden dar.

Die Kosten für die Rechtsverfolgung stellen hingegen einen Verzögerungsschaden dar, wenn diese aus Sicht des Käufer zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind. Hierzu zählen auch die Kosten für einen beauftragten Rechtsanwalt, der nach Verzugseintritt zur Durchsetzung des Lieferanspruchs beauftragt wird.

2. Muster zur Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche

Wir stellen zwei Muster für die Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche bereit.

Diese Muster sind für die Fälle konzipiert, dass

  • schon gar kein kausaler Schaden vorliegt.
  • kein Verschulden des Online-Händlers aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Leistungshindernisse gegeben ist.
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Besonderheit: Der Selbstbelieferungsvorbehalt

Grundsätzlich gilt im Zivilrecht der Grundsatz „pacta sunt servanda“ (= Verträge sind einzuhalten), sodass ein Rücktritt durch den Händler gesetzlich nicht vorgesehen ist und dieser sich auch bei Nichteinhaltung des Liefertermins einer grundsätzlich möglichen Lieferung nicht mehr vom Vertrag lösen kann.

Auch eine Loslösung vom Vertrag durch Anfechtung hilft hier nicht weiter. Eine Anfechtung ist grundsätzlich nur wegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums möglich. Unterliegt der Händler einem Irrtum über die Lieferbarkeit der Ware, so handelt es sich lediglich um einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum.

Es kann aber immer vorkommen, dass Online-Händler etwa aufgrund gestiegener Rohstoffpreise oder einer erhöhten Nachfrage auf den Weltmärkten von ihren Lieferanten im Stich gelassen werden. Sie geraten dann gegenüber dem Endkunden, an den sich der Online-Händler bereits gebunden hat, in Bedrängnis. In der Praxis ist es in einem solchen Fall hilfreich, wenn man sich als Online-Händler auf einen wirksamen Selbstbelieferungsvorbehalt berufen kann.

Unter einem Selbstbelieferungsvorbehalt versteht man eine vertragliche Vereinbarung zwischen Händler und Käufer, die es dem Händler ermöglicht, sich unter bestimmten Voraussetzungen von bereits geschlossenen Kaufverträgen durch Rücktritt zu lösen.

Die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten Grund von der Leistungspflicht zu lösen, ist grundsätzlich unwirksam (§ 308 Nr. 3 BGB) . Nach § 308 Nr. 8 BGB ist ein Rücktrittsvorbehalt für den Fall der Nichtverfügbarkeit der Leistung jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn sich der Verwender verpflichtet, den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und die Gegenleistung unverzüglich zu erstatten.

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Liegt ein wirksamer Selbstbelieferungsvorbehalt vor, kann der Händler durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.

Damit erlischt sowohl die Pflicht des Händlers zur Lieferung der Ware als auch die Pflicht des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises. Hat der Käufer bereits gezahlt, kann er den Kaufpreis einschließlich der bereits gezahlten Versandkosten vom Händler zurückverlangen. Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche gegen den Händler stehen ihm jedoch nicht zu. Insbesondere kommen verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche nicht mehr in Betracht.

Lesen Sie zum Thema Selbstbelieferungsvorbehalt gerne diesen weiterführenden Beitrag.

Fazit

Lieferverzögerungen sind grundsätzlich nicht vom Kunden hinzunehmen. Im Gegenteil: Die Angabe der Lieferzeit ist im Online-Handel von großer Bedeutung, da sie nach § 312d Abs. 1 S. 2 BGB fester Vertragsbestandteil wird, sodass der Online-Händler mit Verstreichen der angegebenen Frist oftmals automatisch in Verzug kommt.

Allerdings liegt nicht immer der Fall vor, dass die Mahnung (bei Überschreitung des Lieferzeitraums) als entbehrlich angesehen werden kann. Wenn Käufer auf Nummer sicher gehen möchten, sind diese gut beraten, eine Mahnung für den Fall der Lieferzeitüberschreitung auszusprechen, um die Verzugsvoraussetzungen damit rechtssicher auszulösen.

Möchte man als Online-Händler auf der sicheren Seite sein, empfiehlt es sich, mit dem Käufer im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Selbstbelieferungsvorbehalt zu vereinbaren, der es dem Händler unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, sich bei Nichtlieferung durch den Hersteller vom geschlossenen Kaufvertrag zu lösen. In einem solchen Fall stehen dem Kunden grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche gegen den Händler zu.

In den übrigen Fällen hat der Händler immer noch die Möglichkeit, sich gegen einen geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu wehren, indem er darlegt, dass dem Käufer durch die verspätete Lieferung kein (kausaler) Schaden entstanden ist, oder kein Verschulden der Händlers gegeben ist.

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Bildquelle: mayu85 / Shutterstock.com

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