Werbung mit nicht-vorrätiger Ware: Was ist rechtlich zu beachten?
Für Shop-Betreiber ist es in der Regel zeit- und kostenaufwändig, derzeit nicht verfügbare Produkte, die nachbestellt sind, aus dem Online-Shop zu entfernen. Zudem spielt es ihnen in die Karten, dass die (nicht verfügbaren) Produkte im Online-Shop durch ihre Platzierung in den Suchmaschinen weiter potenzielle Neukunden anlocken. Doch dürfen Shop-Betreiber mit nicht-vorrätiger Ware werben? Oder müssen die Produkte offline genommen werden?
Inhaltsverzeichnis
- A. Rechtlicher Hintergrund: Verbot von Lockangeboten
- B. OLG Hamm zur Werbung mit nicht-vorrätiger Ware
- I. Auf die Aufklärung kommt es an!
- II. Nicht-vorrätige Ware muss offline genommen werden
- C. Nicht-vorrätige Ware: Entfernen des Kauf-Buttons ausreichend?
- I. Nr. 5 der Schwarzen Liste: auch bei Angeboten ohne Kauf-Button
- II. Die Folge: Hinreichende Aufklärung notwendig
- D. Die richtige Aufklärung: So gehts!
- E. Fazit
A. Rechtlicher Hintergrund: Verbot von Lockangeboten
Abgemahnt werden können nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) Marktteilnehmer, die „unlauter“ handeln. Die sogenannte „Schwarze Liste“ im Anhang des UWG zählt 30 geschäftliche Handlungen auf, die stets „unlauter“ und damit wettbewerbswidrig sind (vgl. § 3 Abs. 3 UWG) .
Klausel Nr. 5 der Schwarzen Liste verbietet „ohne Wenn und Aber“ sogenannte Lockangebote. Der Unternehmer darf nicht mit Angeboten zu einem bestimmten Preis werben, wenn er weiß oder wissen kann, dass er diese Leistung nicht über einen angemessenen Zeitraum wird anbieten können, weil er keinen ausreichenden Vorrat vorhält. Es soll verhindert werden, dass Kunden zum Vertragsschluss gelockt werden, obwohl die bestellte Ware gar nicht vorrätig ist.
Das bedeutet konkret: Muss der Unternehmer von vornherein – mit hinreichenden Gründen – davon ausgehen, dass der zur Verfügung stehende Vorrat für einen angemessenen Zeitraum nicht zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage ausreicht, muss er in der Werbung konkret auf diesen Aspekt hinweisen.
B. OLG Hamm zur Werbung mit nicht-vorrätiger Ware
Rechtsprung zur Zulässigkeit von Werbung mit nicht-vorrätiger Ware ist so gut wie nicht vorhanden. Eines der wenigen Urteile zu diesem Thema hat das OLG Hamm am 11.08.2015 (4 U 69/15) gefällt.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Shop-Betreiber online unter anderem Elektrofahrräder angeboten. Am 03.12.2014 bot er in seinem Online-Shop ein Fahrrad unter dem Hinweis „nur noch wenige Exemplare auf Lager, Lieferzeit ca. 2-4 Werktage“ an.
Tatsächlich war das Rad jedoch gar nicht mehr auf Lager. Ein Konkurrent des Händlers bestellte das Rad zu Testzwecken. Nach Abschluss des Bestellvorgangs erhielt er eine E-Mail mit einer Bestätigung über den Eingang der Bestellung und der Bitte, den Kaufpreis im Wege der Vorkasse auf ein Konto des Shop-Betreibers zu überweisen. Noch am selben Tag erhielt der Testkäufer eine weitere E-Mail des Shop-Betreibers mit dem Hinweis, dass das bestellte Rad momentan nicht auf Lager sei, jedoch in Kürze ein anderes vergleichbares Modell vorrätig werde. Daraufhin mahnte der Konkurrent den Händler wegen unzulässiger Lockvogelwerbung ab.
I. Auf die Aufklärung kommt es an!
Das OLG Hamm führte aus, dass nicht die mangelnde Vorratshaltung durch den Unternehmer, sondern die mangelnde Aufklärung des Kunden über die Produktverfügbarkeit wettbewerbswidrig sei. Dieser Aufklärungspflicht sei der Händler nicht nachgekommen.
Der Hinweis darauf, dass „nur noch wenige Exemplare auf Lager“ seien, genüge zur Aufklärung der Kunden über das Fehlen eines entsprechenden Warenvorrates nicht. Der Verkehr verstehe diesen Hinweis – im Gegenteil – gerade dahin, dass der Anbieter tatsächlich noch über entsprechende Waren verfügt und sehe in dem Hinweis lediglich die Aufforderung des Verkäufers, mit einer Kaufentscheidung nicht mehr allzu lange zu warten.
II. Nicht-vorrätige Ware muss offline genommen werden
Gleichzeitig ordnete das Gericht ausdrücklich an, dass es nach Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig sei, ein Angebot für eine nicht (mehr) lieferbare Ware im Internet zu belassen. So erwarten Verbraucher, dass die Angebotsseiten in Online-Shops ständig aktualisiert und dementsprechend die jeweiligen Artikel auch auf ihre Verfügbarkeit hin geprüft werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 07.04.2005, I ZR 314/02).
C. Nicht-vorrätige Ware: Entfernen des Kauf-Buttons ausreichend?
Was bedeutet das Urteil konkret für den Online-Handel? Müssen Angebotsseiten, die nicht vorrätige Waren bewerben, stets offline genommen werden? Oder genügt unter Umständen auch das Entfernen des Kauf-Buttons, sodass Kunden den Artikel nicht mehr in den Warenkorb legen können?
Das OLG Hamm ist insoweit nicht deutlich. So betont es zunächst die zentrale Rolle eines aufklärenden Hinweises. Dies spricht dafür, dass nicht vorrätige Artikel online gelassen werden und sogar in den Warenkorb gelegt werden können, solange nur ein ausdrücklicher Hinweis auf die mangelnde Verfügbarkeit erfolgt.
Gleichzeitig weist das OLG Hamm jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es unlauter sei, ein Angebot für eine nicht lieferbare Ware im Internet zu belassen. Dies spricht dafür, dass Angebotsseiten, die für nicht-vorrätige Ware werben, stets offline genommen werden sollten.
Was gilt denn nun?
I. Nr. 5 der Schwarzen Liste: auch bei Angeboten ohne Kauf-Button
Zur Klärung dieser Frage muss zunächst ermittelt werden, auf welche Konstellationen Nr. 5 der Schwarzen Liste überhaupt Anwendung findet. Laut Nr. 5 fallen unter Lockvogelangebote „Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG zu einem bestimmten Preis“.
Unter Warenangebote im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG ist jede Kommunikation zu verstehen, die der Förderung des Absatzes von Waren dient (Köhler/Bornkamm, UWG 2017, § 5a UWG Rn. 4.14). Nicht erforderlich sind „echte Vertragsangebote“, die der Kunde sofort annehmen kann. Das Angebot muss demnach keine tatsächliche Möglichkeit zu einem Geschäftsschluss bieten oder im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit stehen (Köhler/Bornkamm, UWG 2017, § 5a UWG Rn. 4.17, vgl. auch EuGH, Urteil vom 12.05.2011, C-122/10). Notwendig ist jedoch in jedem Fall, dass der Verbraucher
- so hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist,
- um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können (EuGH, Urteil vom 12.05.2011, C-122/10.
Nr. 5 der Schwarzen Liste findet demnach auch auf Angebote Anwendung, die keine tatsächliche Möglichkeit zu einem Geschäftsabschluss bieten. Entscheidend ist lediglich, dass die Angebotsseite so über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert, dass der Verbraucher eine „geschäftliche Entscheidung“ treffen kann.
Wird der Kauf-Button auf einer Angebotsseite ausgeblendet, kann der Kunde zwar keine Entscheidung dahingehend treffen, den Artikel in den Warenkorb zu legen. Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ ist jedoch weit zu verstehen und erfasst sämtliche Entscheidungen, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen (EuGH, Urteil vom 19.12.2013 C-281/12 (Trento Sviluppo srl u. a./Autorità Garante della Concorrenza e del Marcato)). Wird lediglich der Kauf-Button ohne weiteren Hinweis auf die Nichtverfügbarkeit der Ware ausgeblendet, könnte der Kunde geneigt sein, beim Händler nachzufragen, aus welchem Grund man den jeweiligen Artikel nicht in den Warenkorb legen kann. Denn möglicherweise handelt es sich dabei lediglich um einen Bug und die Ware ist noch vorrätig. Bereits diese Nachfrage dürfte jedoch entsprechend der dargestellten Definition eine geschäftliche Handlung sein.
Daraus folgt: Auch eine Angebotsseite, bei der der Kauf-Button ausgeblendet ist, fällt als Warenangebot unter Nr. 5 der Schwarzen Liste. Dieses Ergebnis wird auch durch das Urteil des OLG Hamm gestützt. Danach stellt auch die Aufforderung an den Verbraucher zur Abgabe eines Angebots (sog. „invitatio ad offerendum“) ein Warenangebot i. S. d. § 5a Abs. 3 UWG dar.
II. Die Folge: Hinreichende Aufklärung notwendig
Nach Nr. 5 der Schwarzen Liste sind die oben präzisierten Warenangebote jedoch nur dann unlauter, „wenn der Unternehmer nicht darüber aufklärt, dass er hinreichende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen“.
Daraus folgt konkret: Der Unternehmer wird durch Nr. 5 des Anhangs zum UWG nicht daran gehindert, solche Produkte zu bewerben,
- die nur in sehr geringer Zahl vorrätig und deswegen vermutlich schnell ausverkauft sind.
- die überhaupt nicht vorrätig sind (Alexander in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht UWG 2014, Nr. 5 Rn. 17).
Unlauter und damit wettbewerbswidrig ist allein die fehlende Aufklärung. Das Urteil des OLG Hamm ist demnach so zu interpretieren, dass es wettbewerbswidrig ist, ein Angebot für eine nicht (mehr) lieferbare Ware im Internet zu belassen, ohne diesem einen aufklärenden Hinweis hinzuzufügen.
Demnach genügt es auch nicht, schlicht den Kauf-Button auszublenden. Notwendig ist in jedem Fall ein ergänzender Hinweis auf die (Nicht-)Verfügbarkeit des Artikels. Fehlt ein aufklärender Hinweis, handelt der Händler wettbewerbswidrig.
D. Die richtige Aufklärung: So gehts!
Ein aufklärender Hinweis über die (Nicht-)Verfügbarkeit eines Produkts muss
- klar formuliert,
- leicht lesbar
- und gut erkennbar
sein. Ein allgemeiner Hinweis auf einen begrenzten Warenvorrat (Bsp.: „Sollten diese Artikel trotz sorgfältig geplanter Angebotsmengen allzu schnell ausverkauft sein, bitten wir um Ihr Verständnis“) genügt nicht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2002, 20 U 130/01). Die Art der Aufklärung ist insbesondere auch abhängig von der Präsentation der Artikel. Wird die Ware „blickfangmäßig“ besonders hervorgehoben, muss auch der aufklärende Hinweis am Blickfang teilhaben (BGH, Urteil vom 24.10.2002, I ZR 50/00).
E. Fazit
Werbung mit nicht-vorrätiger Ware ist zwar zulässig, muss jedoch mit einem transparenten Hinweis versehen werden, dass die Ware zurzeit nicht vorrätig ist. Händler, die auf Nummer sicher gehen und ihren Shop kundenfreundlich gestalten möchten, sollten
- die Angebotsseite mit dem aufklärenden Hinweis versehen, dass der jeweilige Artikel zurzeit nicht lieferbar ist.
- und den Kauf-Button bei nicht-vorrätiger Ware ausblenden.
Ohne einen entsprechenden aufklärenden Hinweis handelt der Unternehmer wettbewerbswidrig und kann demnach abgemahnt werden.
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5 Kommentare
3 Artikel wurden per E-Shop bestellt und umgehend bezahlt. Den AGBs wurde zugestimmt, in welchen geregelt ist, dass eine Bestellbestätigung nicht als Annahme des Kaufvertrags des Verkäufers gedeutet werden darf. Erst die Auftragsbestätigung binnen 3 Tagen stellt die Annahme durch den Verkäufer dar.
Nun waren leider nur 2 Artikel verfügbar, hierzu kam umgehend die Versandbestätigung. In einer separaten Email zum selben zeitlichen Zeitpunkt kam die Information, dass Artikel Nr.3 rückerstattet wurde ohne weitere Begründung. Dem Kunden wurde somit keine Möglichkeit gegeben vom Vertrag zurückzutreten sofern dieser Vertrag überhaupt geschlossen wurde wenn die Ware nicht vollumfänglich geliefert werden kann?
Eine wie in den AGBs erwähnte Auftragsbestätigung wurde (sofern man die Lieferinformation nicht als solche sieht) nicht mehr separat versendet. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob der Vertrag dennoch geschlossen ist wenn der Verkäufer diesen nur teilweise annimmt aber dem Käufer die Abweichungen (sprich die Lieferung von nur 2 statt 3 Artikeln) nicht kommuniziert. Bzw welche Grundlage würde hier für die Rückabwicklung/ Schadensersatz/ Abmahnung von Seiten des Käufers ggf. greifen? Herzlichen Dank
Ich habe dies bei mehreren Händlern Fa. Feuerhaus und ähnliche durchgespielt und recherchiert.
Gruß Andreas
Hatte selbst einen Webshop, daher ist mir diese Ausrede etwas schleierhaft.
MfG.