Neues Kaufrecht gilt seit 01.01.2022 – was macht Amazon daraus?
Online-Händler müssen seit dem neuen Jahr neue Regeln im Kaufrecht beachten. Aufgrund der neuen Vorschriften sind in vielen Fällen auch technische Anpassungen im Bestellablauf erforderlich. Bei Plattformen sind hier die Plattformbetreiber gefragt. Wie ist der Stand bei Amazon.de?
Worum geht es?
Es ist nun schon wieder über einen Monat her, seitdem das neue Kaufrecht 2022 greift.
Kurzum, die wichtigsten Änderungen für Online-Händler sind dabei:
- Über vorhandene Mängel der Ware, aufgrund derer die Ware negativ von der objektiv erwartbaren Beschaffenheit abweicht, muss nach neuem Kaufrecht eigens informiert und dahingehend eine ausdrückliche, gesonderte Vereinbarung über die Negativabweichung mit dem Verbraucher getroffen werden.
- Wenn ein Händler Gebrauchtware an einen Verbraucher verkaufen und dabei – wie gesetzlich möglich – die Verjährungsfrist für die Mängelhaftung von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzen möchte, gelten dieselben neuen Anforderungen. Auch dann bedarf es einer eigenen Information über diese Verkürzung sowie einer ausdrücklichen, gesonderten Vereinbarung zwischen den Parteien dahingehend.
Welchen neuen Anforderungen gelten beim Verkauf via Amazon.de?
Will ein Händler via Amazon Gebrauchtware an Verbraucher verkaufen, die Mängel aufweist und/ oder möchte er die Gewährleistung für solche Ware auf ein Jahr verkürzen, bedarf es dahingehend insbesondere (jeweils) einer ausdrücklichen, gesonderten Vereinbarung mit dem Verbraucher.
Eine solche müssten getroffen werden, bevor der Verbraucher seine Bestellung bei Amazon.de aufgibt.
Diese kann nach derzeitigem Stand bei Amazon aber überhaupt nicht getroffen werden, da es dazu einer aktiven Mitwirkungshandlung seitens des Verbrauchers bedarf. Ein bloßer Hinweis reicht gerade nicht aus, da dadurch noch nicht von einer Vereinbarung ausgegangen werden kann.
Es wäre im Bestellablauf ein vom Verbraucher aktiv zu betätigendes Element, wie etwa eine Checkbox, die angehakt werden muss oder eine Schaltfläche, die geklickt bzw. verschoben werden muss, erforderlich.
Nur in diesem Fall kann sowohl von einer nachweisbaren Kenntnisnahme als auch Zustimmung des Verbrauchers ausgegangen werden.
Eine solche Anpassung des Bestellablaufs hat Amazon.de bisher jedoch nicht umgesetzt.
Was gilt also für eine Gewährleistungsverkürzung bei Amazon.de?
Aufgrund der technischen Gegebenheiten bei Amazon.de könnte ein Händler gar nicht die notwendige gesonderte, ausdrückliche Vereinbarung mit dem Verbraucher treffen. Es ist daher nicht möglich, bei Verkäufen über Amazon.de rechtssicher die Verjährungsfrist für die Gewährleistung bei Gebrauchtwaren von zwei Jahren auf ein Jahr zu verkürzen.
Dies war aber auch nach altem Kaufrecht schon gar nicht rechtssicher möglich. Denn Amazon blendet seit geraumer Zeit in jedem Verkäuferprofil den folgenden Hinweis ein:
"Sind Sie Verbraucher und ist der von Ihnen gekaufte Artikel mangelhaft, also zum Beispiel beschädigt oder entspricht nicht der Beschreibung, so gelten uneingeschränkt die gesetzlichen Gewährleistungsregeln."
Wer daher als Händler bei Amazon.de den Versuch unternehmen würde, für Gebrauchtware beim Kauf durch Verbraucher die Verjährung zu verkürzen, der würde widersprüchlich handeln.
Denn einerseits suggeriert der zitierte Hinweis durch Amazon, dass die gesetzlichen Gewährleistungsregeln uneingeschränkt Geltung haben. Diese Regeln sehen eine Verjährungsfrist von 2 Jahren vor. Andererseits würde der Händler diese Frist aber gerne auf ein Jahr verkürzen.
Dies wäre ein unlösbarer und vor allem abmahngefährdeter Widerspruch.
Die Thematik bzw. Problematik der Gewährleistungsverkürzung stellt sich bei Amazon.de damit sozusagen aus „anderen Gründen“ schon gar nicht.
Was gilt also für den Verkauf von Mängelexemplaren via Amazon.de?
Der Verkauf von Mängelexemplaren, also Waren mit vorhandenen Mängeln, welche die Beschaffenheit so nachteilig beeinträchtigten, dass diese negativ von der objektiven Erwartbarkeit abweicht, ist dagegen derzeit bei Amazon.de nicht rechtssicher möglich.
Dies gilt, soweit es um den Verkauf solcher Waren an Verbraucher geht.
Das größte Problem besteht darin, dass keine ausdrücklich, gesonderte Vereinbarung hinsichtlich der Negativabweichung mit dem Verbraucher bei einer Bestellung via Amazon.de getroffen werden kann.
Daneben ist auch die weitere neue rechtliche Voraussetzung, das eigens Inkenntnissetzen des Verbrauchers vom Mangel bzw. den Mängeln, nicht ganz unproblematisch. Eine Aufzählung der Negativabweichungen / Mängel im Rahmen der Artikelbeschreibung reicht dafür gerade nicht aus.
Hier könnte ggf. noch an die hervorgehobene Darstellung der Defizite im Rahmen der Bulletpoint-Auflistung oder Zustandsbeschreibung gedacht werden.
Da es sich beim Markplatz von Amazon.de aber ohnehin nicht um einen typischen Absatzkanal für Mängelexemplare handelt (eher zum Verkauf von Gebrauchtware), dürfte das Problem nicht allzu viele Amazon-Händler berühren.
Voll funktionsfähige Gebrauchtware nicht erfasst
Nach unserer derzeitigen Auffassung ist voll funktionsfähige Gebrauchtware, die keinerlei funktionseinschränkende Mängel aufweist, nicht von der neuen rechtlichen Problematik erfasst.
Zu dieser Thematik berichteten wie bereits hier.
Fazit
Die neuen rechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Verkaufs von Mängelexemplaren sind bei Amazon.de technisch nicht umsetzbar.
Wer bei Amazon.de Mängelexemplare an Verbraucher verkauft, läuft daher Gefahr, im Nachgang auf Mangelbeseitigung bzw. Nachlieferung einer mangelfreien Ware in Anspruch genommen zu werden. Es steht zu befürchten, dass sich hier ein Markt für „Nacherfüllungsschmarotzer“ bilden könnte.
Die Thematik „Verkürzung der Mängelhaftung für Gebrauchtware“, die sich ebenfalls zum 01.01.2022 verschärft hat, stellt sich bei Amazon.de bereits aus anderen Gründen nicht.
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