Abmahnsicher: IT-Recht Kanzlei empfiehlt neue Muster-Widerrufsbelehrung des BMJ

Abmahnsicher: IT-Recht Kanzlei empfiehlt neue Muster-Widerrufsbelehrung des BMJ
10.03.2008 | Lesezeit: 6 min

Es hat lange gedauert. Doch nun scheint endlich Wind in die Mühlen des deutschen Gesetzgebers zu kommen. Nach der am 1. April 2008 in Kraft tretenden Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung des Bundesjustizministeriums gilt ab diesem Datum eine neue Muster-Widerrufsbelehrung bzw. Muster-Rückgabebelehrung für in Deutschland tätige Händler.

I. Hintergrund

Die bisher gültige Muster-Widerrufsbelehrung des BMJ war sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung auf massive Kritik gestoßen, da sie insbesondere in Bezug auf Vertragsschlüsse über das Internet einige rechtliche Besonderheiten nicht hinreichend berücksichtigte. Wer sich als Online-Händler auf das gesetzliche Muster verließ und es für seine Zwecke im Internet einsetzte, begab sich stets in die Gefahr, eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung einzufangen. Online-Händler, die das gesetzliche Muster auf der Internetplattform eBay einsetzten wurden von einer Abmahnwelle wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen regelrecht überflutet.

Aufgrund dieser Vorkommnisse hatte das BMJ bereits im Oktober 2007 einen Diskussionsentwurf für eine neue Muster-Widerrufsbelehrung vorgestellt, der jedoch aufgrund der vorgesehenen Anhänge und des damit einhergehenden Umfangs des Musters von 4 DIN A4 Seiten auf heftige Kritik gestoßen war. Die neue Verordnung verzichtet erfreulicherweise vollständig auf die zunächst geplanten Anhänge und fällt damit deutlich übersichtlicher aus als der Entwurf.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt an dem vom BMJ vorgelegten Diskussionsentwurf war die Tatsache, dass das Muster auch weiterhin nur als „untergesetzliche” Verordnung und nicht, wie von vielen gefordert, als formelles Gesetz ausgestaltet sein sollte. Die Verordnung hätte daher auch weiterhin vor den Gerichten angegriffen werden können. Diesem Kritikpunkt hat der Gesetzgeber mit der neuen Verordnung zwar noch nicht abgeholfen. Jedoch ist aus Fachkreisen zu vernehmen, dass das BMJ demnächst Vorschläge für ein formelles Gesetz unterbreiten wird, das auch Regelungen zu den Mustern (Widerrufs- und Rückgabebelehrung) enthalten wird. Eine entsprechende Gesetzesvorlage soll für den Sommer diesen Jahres geplant sein, wobei der Belehrungstext der neuen Verordnung unverändert in ein Gesetz überführt werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die in Deutschland tätigen Händler jedoch noch eine gewisse Rechtsunsicherheit in Kauf nehmen. Im Vergleich zur bisher geltenden Rechtslage stellt die neue Verordnung im Hinblick auf die zu verwendenden Belehrungstexte aber schon einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung dar.

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II. Die wichtigsten Änderungen für Online-Händler im Überblick

1. Beginn der Widerrufsfrist

Einen beliebten Abmahngrund stellte in der Vergangenheit die fehlerhafte Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist dar. Nach fast einhelliger Auffassung der Gerichte in Deutschland ist die in der bisherigen Muster-Widerrufsbelehrung enthaltene Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.” als Information über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs für den Verbraucher bei Verwendung im Internet entgegen § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV nicht klar und verständlich und somit wettbewerbswidrig. Denn Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn ist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB die Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform und bei der Lieferung von Waren gem. § 312d Abs. 2 BGB zusätzlich der Tag des Wareneingangs beim Empfänger.

Der neue Mustertext berücksichtigt nun sowohl das Textformerfordernis als auch den Wareneingang beim Empfänger.

Ein weiteres Problem im Hinblick auf den Fristbeginn ist die Erfüllung bestimmter Informationspflichten durch den Verkäufer. Dieser Problematik trägt das neue Muster Rechnung, indem es die Normen, aus denen sich die einzelnen Informationspflichten ergeben, zitiert. Auf eine explizite Regelung der einzelnen Informationspflichten, wie noch in dem Diskussionsentwurf des BMJ vom Oktober 2007 vorgesehen, wurde aus Gesichtspunkten der Übersichtlichkeit verzichtet.

Der Mustertext zum Fristbeginn bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren lautet nach der neuen Verordnung dann wie folgt:

„Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV. ”

Problematisch ist, dass der Verordnungsgeber bei der neuen Formulierung des Fristbeginns auf die Verwendung des Wortes „frühestens” verzichtet hat. Dies eröffnet neue Abmahngefahren, da die Umsetzung der Informationspflichten nicht abschließend rechtlich geklärt ist.

2. Wertersatzklausel bei eBay

Äußerst umstritten war in der Vergangenheit die Frage, ob im Rahmen der Widerrufsbelehrung bei eBay darauf hinzuweisen ist, dass ein Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware durch den Verbraucher außer Betracht bleibt. Hintergrund dieser Problematik ist, dass der Verbraucher gem. § 357 III 1 BGB nur dann Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten hat, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Da die Darstellung der rechtlichen Informationen auf der Internetseite nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung jedoch nicht dem Textformerfordernis des § 126b BGB genügen, ist bei eBay eine Information über den Wertersatz vor Vertragsschluss in Textform nicht möglich, mit der Folge, dass gemäß § 346 II 1 Nr. 3 BGB bei einer bloß bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Sache durch den Käufer ein Wertersatz komplett außer Betracht bleibt.

Obwohl diese Frage nach wie vor nicht höchstrichterlich geklärt ist, hat der Verordnungsgeber eine Formulierung in den neuen Mustertext aufgenommen, der dieser Problematik Rechnung trägt. So heißt es unter Ziffer 7 der Gestaltungshinweise der neuen Musterbelehrung:

Wenn ein Hinweis auf die Wertersatzpflicht gemäß § 357 III 1 BGB und eine Möglichkeit zu Ihrer Vermeidung nicht spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgt, ist anstelle dieses Satzes folgender Satz einzufügen:

„Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten."

III. Fazit

Wie bereits erwähnt stellt die neue Muster-Widerrufsbelehrung des BMJ einen Schritt in die richtige Richtung dar, mehr aber auch nicht. Solange der Gesetzgeber hier nicht durch ein formelles Gesetz Rechtssicherheit schafft, bleibt es auch mit dem neuen Mustertext bei rechtlichen Unwägbarkeiten für Online-Händler. Dennoch empfiehlt die IT-Recht-Kanzlei ab sofort die Verwendung der neuen Muster. Der Vorteil liegt zum einen in der Möglichkeit, sich auf die Privilegierung des § 14 I BGB-InfoV zu berufen, wonach die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 II und den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB genügt, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Zum anderen können ggf. Amtshaftungsansprüche gegen das BMJ geltend gemacht werden, falls Schäden durch Verwendung des amtlichen Musters entstehen, da das BMJ trotz Kenntnis der Kritik am Muster dieses mehrfach bestätigt und somit einen gewissen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

Doch Vorsicht: Wer in der Vergangenheit wegen Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung abgemahnt worden ist und in Folge dessen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat oder wer aus diesem Grund eine einstweilige Verfügung, respektive ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil eingefangen hat, sollte das amtliche Muster keinesfalls ungeprüft übernehmen. Denn entsprechende Unterlassungsverpflichtungen verlieren durch Inkrafttreten der neuen Verordnung keineswegs ihre Gültigkeit. Es muss daher in jedem Einzelfall genau geprüft werden, welche Teile des amtlichen Musters unverändert übernommen werden können und welche Teile ggf. modifiziert werden müssen. Hierfür sollte in jedem Fall anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Die IT-Recht-Kanzlei berät Sie gern!

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Bildquelle:
delater / PIXELIO

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