Beginnt die Gewährleistungsfrist durch eine Nachbesserung erneut?

Beginnt die Gewährleistungsfrist durch eine Nachbesserung erneut?
Stand: 14.12.2022 5 min

Händler, die Neuware verkaufen, müssen grundsätzlich eine zweijährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche einhalten. Doch was gilt, wenn innerhalb dieser Zeit ein Mangel auftritt und der Händler diesen behebt, etwa durch Reparatur oder Ersatz? Beginnt die Verjährungsfrist dann erneut oder kann der Händler davon ausgehen, nach Ablauf der Zweijahresfrist nicht mehr wegen Mängeln der Kaufsache belangt werden zu können?

Reguläre Verjährungsfrist

Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BGB verjähren die Ansprüche des Käufers wegen Mängeln der Kaufsache grundsätzlich in zwei Jahren, wobei die Frist mit der Ablieferung der Sache beginnt. Längere Verjährungsfristen sieht das Gesetz etwa für Bauwerke, für Baustoffe, die in Bauwerken verbaut wurden, sowie für Fälle, in denen der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, vor.

Neubeginn der Verjährung

Geht man nach dem Wortlaut der vorgenannten Regelung, müsste der Händler nach Ablauf von zwei Jahren nach der Ablieferung der Sache eigentlich nicht mehr mit Mängelansprüchen des Käufers rechnen. Allerdings enthält § 212 Abs. 1 BGB eine Regelung, die sich auch auf die Verjährung von Mängelansprüchen bezieht.

Danach beginnt die Verjährung erneut, wenn

  • der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
  • eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

In der Praxis sind insbesondere solche Fälle relevant, in denen der Händler den Anspruch des Käufers anerkennt. Dabei kann ein Anerkenntnis sowohl ausdrücklich als auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen.

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Ausdrückliches Anerkenntnis

Ein ausdrückliches Anerkenntnis liegt etwa dann vor, wenn der Händler nach einer Mängelrüge des Käufers Nacherfüllungsmaßnahmen ausdrücklich „im Rahmen der Mängelhaftung“ bzw. „im Rahmen der Gewährleistung“ erbringt.

Indizien hierfür können etwa besondere Vermerke des Händlers auf dem Kaufbeleg oder auf der Rechnung sein oder natürlich auch, wenn der Händler gegenüber dem Käufer in der Korrespondenz ausdrücklich ankündigt, eine bestimmte Maßnahme zur Erfüllung seiner Gewährleistungspflicht durchzuführen.

In solchen Fällen wird man regelmäßig von einem Neubeginn der Verjährung ausgehen müssen, und zwar unabhängig davon, für welche Art der Nacherfüllung der Käufer sich entschieden hat bzw. welche Nacherfüllungshandlung der Verkäufer vorgenommen hat.

Konkludentes Anerkenntnis

Fraglich ist, ob auch solche Nacherfüllungsmaßnahmen, die der Händler nach einer Mängelrüge des Käufers kommentarlos ausführt, den Neubeginn der Verjährung auslösen können.

Dies ist nicht ohne Weiteres der Fall. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die einen Neubeginn der Verjährung rechtfertigen. So kann ein Neubeginn der Verjährung etwa angenommen werden, wenn es sich um denselben Mangel oder um die Folgen einer mangelhaften Nachbesserung handelt und die betreffenden Maßnahmen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als konkludentes Anerkenntnis der Mängelbeseitigungspflicht des Verkäufers anzusehen sind (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2005 – VIII ZR 16/05 Rn. 16).

Ein konkludentes Anerkenntnis der Pflicht zur Nacherfüllung ist ferner nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nacherfüllung verpflichtet zu sein. Dies ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bewerten (vgl. BGH NJW 06, 47/48).

Erfüllung von Garantieansprüchen

Bietet der Händler neben der gesetzlichen Mängelhaftung freiwillig eine Garantie (Händlergarantie) an und nimmt er im Falle einer Mängelrüge des Käufers Nacherfüllungsmaßnahmen im Rahmen dieser Garantie vor, so ist hierin kein konkludentes Anerkenntnis von gesetzlichen Mängelansprüchen des Käufers zu sehen (vgl. LG Bad Kreuznach, Urteil vom 26.04.2018 – 3 O 151/17).

Kein Neubeginn nach Ablauf der Verjährungsfrist

Gibt der Händler erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist (also unter normalen Umständen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Ablieferung der Ware) ein Anerkenntnis bzgl. der Mängelansprüche des Käufers ab, so beginnt die Verjährung nicht erneut, da die Verjährung durch die Regelung des § 212 BGB nicht beseitigt werden soll (vgl. BGH NJW 15, 351 Tz. 40).

Allerdings könnte dies unter Umständen als Verzicht des Händlers auf die Verjährungseinrede zu werten sein.

Tipps für die Praxis

Die obigen Ausführungen zeigen, dass das Risiko eines Neubeginns der Gewährleistungsfrist insbesondere dann besonders hoch ist, wenn der Händler Mängelansprüche des Käufers ausdrücklich anerkennt. Daher sollten es Händler in der Praxis nach Möglichkeit vermeiden, solche Ansprüche des Käufers etwa durch besondere Vermerke auf der Rechnung oder im Rahmen der Korrespondenz mit dem Käufer ausdrücklich anzuerkennen.

Sofern nicht offensichtlich ist, dass die Kaufsache einen Mangel hat, für den der Händler auch verantwortlich ist, sollte der Händler evtl. Nacherfüllungsmaßnahmen sogar ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und lediglich aus Kulanz“ durchführen, damit ein Anerkenntnis ausgeschlossen werden kann.

Bietet der Händler neben der gesetzlichen Mängelhaftung freiwillig eine Garantie (Händlergarantie) an, sollte er evtl. Nacherfüllungsmaßnahmen im Zweifel ausdrücklich auf Grundlage der Garantie und nicht auf Grundlage der gesetzlichen Mängelhaftung durchführen. Dies funktioniert aber nur, wenn der Käufer bei seiner Mängelrüge keine Wahl zur Anspruchsgrundlage (Gewährleistung oder Garantie) trifft oder sich im Rahmen seines Wahlrechts ausdrücklich für die Garantie entscheidet.

Sofern die Verjährungsfrist für die Gewährleistung bereits abgelaufen ist, sollte der Händler evtl. Mängelansprüche des Käufers weder ausdrücklich noch konkludent anerkennen. Zwar würde die Verjährung hierdurch nicht erneut beginnen. Allerdings könnte dies dem Händler unter Umständen als Verzicht auf die Verjährungseinrede ausgelegt werden, mit der Folge, dass der Käufer an sich verjährte Ansprüche ggf. noch gerichtlich durchsetzen könnte.

Sofern es sich bei dem Käufer um einen Unternehmer handelt, kann der Händler die Verjährungsfrist für die Mängelhaftung bei Neuware im Rahmen von AGB auf ein Jahr verkürzen. Hierdurch kann er das Haftungsrisiko hinsichtlich solcher Mängel, die erst nach Ablauf der verkürzten Frist auftreten ausschließen und somit auch das Risiko, dass die Verjährung nach Ablauf der verkürzten Frist neu beginnt.

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