OLG Frankfurt a.M.: Negative Kritik zu Wettbewerbern nicht verboten
Unternehmen dürfen in gewissen Grenzen über Wettbewerber herziehen. Dabei gilt als Faustformel: Je ausführlicher die Kritik ausfällt, je mehr sie also erläutert und fundiert wird, umso eher wird sie von der Meinungsfreiheit gedeckt und ist daher rechtlich zulässig. Wer hingegen bestimmte Mitbewerber in den Fokus nimmt und konkret benennt, und mit seiner Kritik das Ziel verfolgt, die Konkurrenten zu verunglimpfen, begeht einen UWG-Verstoß. Das OLG Frankfur hatte zuletzt hierzu einen Fall zu entscheiden.
Worum geht es in dem Fall?
Ein Autor und Verleger von Ratgeber-Büchern verlinkt ein Statement in seinem Webshop, der Teil eines großen Online-Marktplatzes ist. In diesem Statement mit dem Titel „Wettbewerbswidrige Schrottbücher übernehmen den Ratgebermarkt“ äußert er sich umfangreich und in pauschaler Weise äußerst negativ über Ratgeber-Bücher von Mitbewerbern (Zitat: „Schrottbücher“). Eine Mitbewerberin, die auch solche Ratgeber vertreibt, wehrt sich – am Ende auch gerichtlich – hiergegen.
Was steht dazu im Gesetz?
Die Freiheit, die eigene Meinung frei zu bilden und zu äußern, ist nach Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes umfassend verfassungsrechtlich geschützt.
Die Meinungsfreiheit besteht aber nicht schrankenlos; so findet sie nach Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes ihre Schranken dadurch, dass der Gesetzgeber verhältnismäßige allgemeine Gesetze erlässt, oder die persönliche Ehre verletzt ist. Die Grenze der Meinungsfreiheit ist jedenfalls dann erreicht, wenn Andere (Personen und ggf. auch Unternehmen) beleidigt werden. Beleidigung meint dabei die Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung der Ehre eines Anderen, die geeignet ist den Anderen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Beleidigung ist strafbar nach Art. 185 Abs. 1 StGB.
Beleidigende oder in sonstiger Weise herabsetzende oder verunglimpfende Äußerungen im Rahmen von geschäftlichen Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind zudem gemäß § 4 Nr. 1 UWG unlauter. Sie können daher abgemahnt werden und auch zu Schadensersatzansprüchen der betroffenen Mitbewerber führen.
Werden beleidigende oder auf sonstige Weise rechtswidrige Äußerungen hingegen nicht im Rahmen von geschäftlichen Handlungen bzw. des Geschäftsumfelds getätigt, können sie zwar nicht zu UWG-Verstößen führen und somit auch nicht nach dem UWG abgemahnt werden. Allerdings können sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Personen bzw. Unternehmen verletzen, so dass zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz bestehen können.
Wie hat das Gericht entschieden?
Kritische bzw. negative Äußerungen über Konkurrenten sind nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. (Entscheidung vom 11. März 2022, 6 W 14/22) jedenfalls dann keine geschäftlichen Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, die lauterkeitsrechtliche Ansprüche (z.B. auf Unterlassung) auslösen können, wenn sie im Rahmen von redaktionell gestalteten Beiträgen in den Medien fallen. Solche redaktionellen Beiträge werden vom sog. Presse- und Rundfunkprivileg nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes geschützt und können daher grundsätzlich nicht nach den Vorschriften des UWG bewertet werden. Dies betrifft etwa Websites von Zeitungen, Nachrichtenmagazinen oder von Radio- und TV-Sendern. Die Zulässigkeit solcher Äußerungen bemisst sich in diesen Fällen nach dem allgemeinen Zivilrecht, etwa nach den deliktsrechtlichen Schadensersatznormen der §§ 823 ff. BGB.
In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall hat der Autor seine negativen Äußerungen über die Mitbewerberin aber nicht in einem redaktionellen Beitrag, sondern auf einer über seinen Webshop verlinkten Website getätigt, also durchaus mit Bezug zum eigenen Business, so dass von einer geschäftlichen Handlung i.S.d. UWG auszugehen ist.
Das Gericht entschied weiter: Negative Bewertungen zu Mitbewerbern seien zwar sowohl im Hinblick auf ausdrücklich genannte als auch ungenannte Mitbewerber objektiv geeignet, den eigenen Wettbewerb des sich negativ Äußernden zum Nachteil der jeweils betroffenen Konkurrenten zu fördern, und dadurch einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG darzustellen. Zwar könne dieses UWG-Verbot der Herabsetzung und Verunglimpfung von Mitbewerbern möglicherweise auch dann Anwendung finden, wenn die Mitbewerber nicht erkennbar – also nicht ausdrücklich benannt – sind. Das sei im vorliegenden Fall aber nicht entscheidend: Entscheidend sei vielmehr, dass die negativen Äußerungen des Autors keine Herabsetzung oder Verunglimpfung enthielten, sondern vielmehr Meinungsäußerungen seien, die zumindest nicht substanzlos seien, und vom schützenden Bereich der Meinungsfreiheit erfasst. Denn der Autor habe seine Meinung, es handle sich um Schrottbücher, erläutert und näher ausgeführt, und dabei an ebenso ausdrücklich geäußerte Tatsachen angeknüpft.
Dürfen meine Mitbewerber nun immer über mich herziehen?
Nein. Meinungsäußerungen werden zwar auch im geschäftlichen Bereich weitreichend geschützt, so dass auch deutlich geäußerte Kritik und stark negative Äußerungen häufig auch im Business-Kontext hingenommen werden müssen.
Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist aber nicht unendlich. Geht es dem Äußernden vor allem darum, (bestimmte) Konkurrenten fertig zu machen, ist dies ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG und damit unzulässig. Betroffene Wettbewerber haben dann Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der negativen Kritik nach § 8 Abs. 1 UWG.
Wann bloß herbe Kritik an Mitbewerbern, und wann hingegen eine Herabsetzung und Verunglimpfung vorliegen, ist eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Wird die Kritik fundiert vorgetragen, also mit (belegbaren) Tatsachen unterfüttert und in einen Gesamtkontext gestellt, ist sie eher zulässig, als wenn dies nicht erfolgt. Erwähnt der Äußernde im Rahmen seiner Kritik zudem konkrete Wettbewerber, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die negativen Äußerungen als unzulässig eingestuft werden können.
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