Befreiung von der Nährwertdeklaration für Kleinstunternehmen und Handwerksbetriebe

Befreiung von der Nährwertdeklaration für Kleinstunternehmen und Handwerksbetriebe
3 min 3
Beitrag vom: 13.12.2016
Aktualisiert: 25.03.2025

Von der Nährwertdeklarationspflicht für Lebensmittel sind bestimmte Kleinstunternehmen ausgenommen. Doch welche Betriebe und Vertriebsformen werden privilegiert?

Das Kleinstunternehmerprivileg bei der Nährwertkennzeichnung

Grundsätzlich verpflichten die Art. 29 ff. der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) sämtliche Lebensmittelunternehmer, für die von ihnen vertriebenen Lebensmittel eine inhaltlich und gestalterisch verordnungskonforme Nährwertdeklaration vorzuhalten.

Während Hersteller und Importeure dieser Pflicht durch die physische Verpackungskennzeichnung genügen können, sind Online-Händler gehalten sein, die Nährwerttabellen produktbezogen in ihre Web-Präsenzen zu integrieren.

Einen umfangreichen Leitfaden mit allen relevanten Fragen zur Umsetzung der Nährwertdeklarationspflicht stellen wir hier bereit.

Die einheitliche Deklarationspflicht gilt hierbei allerdings nicht ausnahmslos, sondern kann in verschiedenen Fällen vernachlässigst werden. So normiert die LMIV in Art. 29 Abs. 1 und in Anhang V diverse Befreiungstatbestände, die meist eine bestimmte Kategorie von Lebensmitteln ins Auge fassen.

Daneben existiert aber auch eine unternehmensbezogene Privilegierung in Anhang V Nr. 19 LMIV, welche Lebensmittel – einschließlich handwerklich hergestellter Lebensmittel – von der Nährwertdeklaration freistellt, die

  • direkt,
  • in kleinen Mengen
  • durch den Hersteller an den Endverbraucher oder an lokale Einzelhandelsgeschäfte abgegeben werden, die die Erzeugnisse sodann unmittelbar an den Endverbraucher abgeben.

Zweck der Regelung ist es, vor allem Kleinstunternehmen und Handwerksbetrieben, die sich auf eine Direktvermarktung oder lokale Abgabe von kleinen Mengen eigentlich kennzeichnungspflichtiger Erzeugnisse spezialisiert haben, einen übermäßigen Organisations- und –Umstellungsaufwand zu ersparen. Dies soll ihre wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit erhalten und ihre Ortsbindung stärken.

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Voraussetzungen im Einzelnen

Um von der Nährwertkennzeichnung befreit zu sein, müssen mehrere unternehmens- und vertriebsspezifische Merkmale erfüllt sein.

1. Kleinstunternehmen

Auch wenn im Wortlaut der Vorschrift nicht direkt angelegt, sollen sich nach allgemeiner Ansicht nur Kleinstunternehmen auf die Ausnahme berufen können.

Als Kleinstunternehmen gelten solche Betriebe, die

  • weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen und
  • einen Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro aufweisen

zur Berechnung der Zahl der Beschäftigten:

Die "Kleinstunternehmerdefinition" folgt der KMU-Definition der EU-Kommission gemäß Anhang I der Verordnung 651/2014.

Als "Beschäftigte" zählen danach primär Vollzeitangestellte. Jeder Vollzeitangestellte zählt als 1 Beschäftigter.

Teilzeitbeschäftigte und Saisonarbeitende werden entsprechend ihres Anteils an der Gesamtjahresarbeitszeit in Vollzeitkräfte umgerechnet und addiert (sog. "Vollzeitäquivalent").

Sind Leiharbeitnehmende in dem Unternehmen beschäftigt, sind sie ebenfalls vollständig oder anteilig einzubeziehen.

Beispiel: Eine Person, die zu 50 % der normalen Arbeitszeit arbeitet, wird mit dem Vollzeitäquivalent 0,5 angesetzt und damit als 0,5 Beschäftige berechnet.

Auszubildende gelten nicht als Beschäftigte und nehmen an der Berechnung der Beschäftigtenzahl nicht teil.

2. Direktvermarktung

Weitere Voraussetzung der Ausnahme ist die ausschließlich direkte Abgabe an Verbraucher oder lokale Einzelhändler.

Nach einem Grundsatzurteil des EuGH vom 12.10.2017 (Az. C-289/16) setzt eine "direkte Abgabe" einen Verkauf unter gleichzeitiger physischer Anwesenheit voraus.

Eine Direktvermarktung scheidet also aus, wenn ein Verkauf über das Internet oder andere Fernabsatzwege stattfindet.

Erzeuger, die als Kleinstunternehmer gelten und ihre Produkte online verkaufen, können sich auf die Aunsahme von der Nährwertdeklaration also nicht berufen.

3. Lokale Abgabe

Letzte Voraussetzung ist die rein lokale Abgabe an Endverbraucher oder an Einzelhandelsgeschäfte, die unmittelbar an Endverbraucher verkaufen.

Dafür muss grundsätzlich ein Abgaberadius von maximal 50 Kilometern zur Betriebsstätte eingehalten werden.

Die Abgabe außerhalb dieses Radius oder an den Großhandel führt zum Entfall des Privilegs und zur Entstehung der Nährwertdeklarationspflicht.

Fazit

Für Kleinstunternehmen und Handwerksbetriebe mit einer Größe von maximal 10 Mitarbeitern und einem Umsatz von höchstens 2 Millionen Euro im Jahr sieht die LMIV eine Befreiung von der verpflichtenden Nährwertdeklaration vor. Diese greift allerdings nur, wenn es sich bei dem jeweiligen Gewerbe um ein herstellendes handelt, das seine Produkte entweder direkt an Endverbraucher abgibt oder aber lokale Einzelhandelsgeschäfte bedient.

Die direkte Abgabe setzt eine gleichzeitige physische Anwesenheit von Verkäufer und Käufer voraus.

Kleinstbetriebe, die ihre Lebensmittel auch online oder auf anderen Fernabsatzwegen verkaufen, können sich insoweit auf die Befreiung von der Nährwertkennzeichnung nicht berufen.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle: Okrasiuk / Shutterstock.com

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3 Kommentare

M
Matthias 19.02.2017, 23:30 Uhr
Mitarbeiterzahl 10 Vollzeitmiarbeiter?
Wie werden die 10 Mitarbeiter berechnet? Handelt es sich dabei um Vollzeitstellen?
W
Winfried 14.12.2016, 21:23 Uhr
Hersteller und Inverkehrbringer
Wäre für die Anwendung der Kleinstunternehmerregelung der Inverkehrbringer eines Produkts (z.B. unter Private Label) dem Hersteller gleichzusetzen? Fiele somit auch der Inverkehrbringer unter die Privilegierung?
M
Martin 13.12.2016
Brutto- vs Nettoumsatz
Bezieht sich die Grenze von 2 Mio. Jahresumsatz auf den Brutto- oder Nettowert?

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