Widerrufsrecht beim Mobilfunkvertrag: Die wundersame Wandlung von Grundgebühren zu Kreditraten

Wer kennt das nicht: Mobilfunkvertrag geschlossen oder verlängert, Handy billig dazubekommen. Das Mobiltelefon ist in diesen Fällen deshalb so billig, weil der Netzbetreiber es vorfinanziert und sich das Geld im Laufe der Vertragsdauer über die Grundgebühr zurückholt. Das Amtsgericht Dortmund betrachtet daher in einem aktuellen Urteil (13.10.2010, Az. 417 C 3787/10) den Mobilfunkvertrag als kombinierten Dienstleistungs- und Verbraucherdarlehensvertrag – und räumt dem Verbraucher so eine zusätzliche Widerrufsoption ein.
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Die klagende Partei hatte in einem Mobilfunkshop zwei Handys gekauft und entsprechende Mobilfunkverträge abgeschlossen; die Telefone wurden hierdurch zum Preis von je € 1,00 abgegeben. Tags darauf überlegte der Käufer sich die Sache anders und wollte die Handys zurückgeben; der Shopbetreiber verwies jedoch darauf, dass er selbst gar nicht Vertragspartei geworden sei. Nach einigem Hin und Her zwischen Käufer, Verkäufer und Provider landete die Sache schließlich vor dem AG Dortmund.
Urteil: AG Dortmund, 13.10.2010, Az. 417 C 3787/10
Da Gericht ging antragsgemäß davon aus, dass diese Form des Mobilfunkvertrags eine Finanzierungshilfe darstellt, da der Kaufpreis für das jeweilige Handy – das ja deutlich teurer ist als € 1,00 – durch den Kunden später anteilig über die monatliche Grundgebühr beglichen wird:
„Die Klägerin musste nämlich den regulären Kaufpreis für das Handy nicht bezahlen, so das Gericht als unstreitig davon ausgeht, dass zum Preise von 1,00 Euro regulär kein Handy erworben werden kann. Dagegen spricht bereits das eigene werbliche Verhalten der Beklagten, weshalb auf die Anlage zum Protokoll verwiesen wird, wonach sich frei verfügbare Handys zu einem Kaufpreis von mindestens 49,00 Euro darstellen.
Von daher konnte die Klägerin die zunächst unangetastet gebliebene Kaufkraft, die sie sonst hätte aufwenden müssen, anderweitige einsetzen. Ähnlich verläuft die weitere Konstruktion der Beklagten, welche ein Handy teurer Art bei gleichzeitigem Abschluss eines Dienstleistungsvertrages für 25,00 Euro monatlich mit einer Gutschein-Card von 300,00 Euro und bei 35,00 Euro monatlich sogar mit einem Gutschein über 400,00 Euro honoriert. Von daher kann es keinem Zweifel unterliegen, dass in wirtschaftlicher Hinsicht die in der Laufzeit des Mobilfunkvertrages vorgesehenen Nutzungsgebühren den entsprechenden, sicherlich auch dem Gericht nicht mitgeteilten Kaufpreisanteil decken, um die Vorfinanzierung des Endgerätes wieder auszugleichen. Von daher wird dem Kunden zunächst gewährte Kaufkraft nachträglich wieder entzogen.“
Diese Finanzierungshilfe sei entgeltlich gewährt worden, da ja der Provider die Grundgebühr während der Vertragslaufzeit so berechnet, dass die vorgestreckten Kosten nachträglich vom Mobilfunkkunden erstattet werden. Daher seien auch die Regelungen zum Verbraucherdarlehen gem. §§ 491 ff. BGB heranzuziehen:
„Gem. § 499 Abs. 1 BGB ist eine Entgeltlichkeit der Finanzierungshilfe auch deshalb gegeben, weil der Provider die Kosten seines vorzeitigen Kapitalabflusses durch Finanzierung des Restkaufpreises regelmäßig in seiner Gebührenkalkulation berücksichtigt. Die Verbrauchereigenschaft der Klägerin ist unstreitig wie auch das Übersteigen der Bagatellgrenze von 200,00 Euro nach Maßgabe der einvernehmlichen Wertfestsetzung von je 300,00 Euro je Vertrag. Von daher konnte die Klägerin gem. § 495 Abs. 1 BGB ihre Erklärungen widerrufen, wobei der erklärte Widerruf am Folgetag wie auch am 12.11.2009 gegenüber dem Provider sicherlich fristgemäß war, im Übrigen mangels Belehrung auch der Widerruf vom 17.03.2010.“
Hierbei bezog sich der Widerruf rechtmäßig nicht nur auf den Kaufvertrag über die Mobiltelefone, sondern auf die gesamten Mobilfunkverträge, da diese untrennbar mit dem Kauf der Telefone verbunden sind:
„Die Widerrufbarkeit des gesamten Mobilfunkvertrages, genauer, der auf ihren Abschluss gerichteten Willenserklärung, wie auch jener auf Abschluss der Kaufverträge als verbundenes Geschäft folgt aus der Unteilbarkeit des Mobilvertrages in Finanzierungs- und Dienstleistungsmomente. Denn bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung der Provision für die Beklagte hatte diese auch den Zweck, die Anschaffungskosten für das Mobiltelefon zu finanzieren, zumal die Beklagte überhaupt nicht darlegt, wie hoch; diese Anschaffungskosten für sie eigentlich sind. Erst von daher bewirkt die Verbilligung des Mobiltelefons damit eine Provisionszahlung, so dass der Kunde über eine Kaufkraft verfügt, die er später durch Zahlung der Mobilfunkgebühren nachträglich wieder verliert, weshalb die Finanzierungsfunktion gem. § 499 Abs. 1 BGB gegeben ist.
Beide Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit, weshalb eine Verbundenheit zwischen ihnen gegeben ist, § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB, so dass mit Widerruf bezogen auf den Telekommunikationsvertrag auch der Kaufvertrag sich auflöst.“
Kommentar
Die Frage, um was für einen Vertragstyp es sich denn nun beim Mobilfunkvertrag mit integriertem Neugerät handelt, wird schon seit längerem diskutiert – jetzt hat ein Amtsgericht sie anscheinend beantwortet. Sollte diese Rechtsauffassung sich durchsetzen, dann steht dem Mobilfunkkunden zukünftig eine zusätzliche Widerrufsoption zur Verfügung, und zwar auch dann, wenn Vertrag und Handy aus einem „analogen“ Shop stammen.
Ob diese Auffassung sich nun durchsetzt, wird die Zeit zeigen müssen. Dagegen spricht, dass wir es hier mit einem amtsgerichtlichen Urteil zu tun haben – dass diese erstinstanzlichen Erkenntnisse Einzug in die Rechtsdogmatik finden ist eher die Ausnahme. Dafür spricht allerdings, dass das Urteil dogmatisch und argumentativ sauber herausgearbeitet wurde und vor allem eines ist: Sehr überzeugend. Wir dürfen also gespannt sein.
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