LG Dortmund: Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ für Medizinprodukte ohne wissenschaftlichen Beleg unzulässig

LG Dortmund: Werbeaussage „Schnelle Wundheilung“ für Medizinprodukte ohne wissenschaftlichen Beleg unzulässig
von Dr. Bea Brünen
Stand: 24.10.2016 3 min

„Schnelle Wundheilung“ und „Für die optimale Heilung“: Mit diesen Versprechen warb ein Hersteller von Medizinprodukten in der Gebrauchsanweisung für eine Wundsalbe. Das Landgericht (LG) Dortmund stufte diese Aussagen jedoch mangels wissenschaftlichem Beleg der Wirkung der Salbe als irreführend und damit unzulässig ein.

A. Der Streitfall: Wettbewerbsverband vs. Wundsalbe

Der verklagte Medizinprodukte-Hersteller vertrieb u.a. eine Wundsalbe, die entsprechend der Gebrauchsanweisung zur Behandlung von Wunden, leichten Verbrennungen und Sonnenbrand eingesetzt wird. In der Gebrauchsanweisung heißt es auch, dass die Wundsalbe der „schnelle(n) Wundheilung“ und der,,[…] optimale(n) Heilung“ dient.

Ein Wettbewerbsverband stufte diese Aussagen als irreführend i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 Medizinproduktegesetz (MPG), § 3 Nr. 1 Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilweisens (HWG), § 5 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ein, da sie nicht dem Stand der Wissenschaft entsprächen. Zwar hatte der Medizinprodukte-Hersteller die Wundsalbe durch die Gruppe TÜV Nord CE-zertifizieren lassen. Dies stelle jedoch keinen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis dar. Der Verband klagte daher vor dem LG Dortmund auf Unterlassung der vermeintlich irreführenden Werbeaussagen.

Banner Starter Paket

B. Bedeutung der CE-Zertifizierung

Doch was bedeutet CE-Zertifizierung überhaupt? CE steht für „Communauté Européenne“ (französisch: „Europäische Gemeinschaft“). Mit der Kennzeichnung weisen Hersteller nach, dass ihre Produkte den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen der einschlägigen europäischen Richtlinien entsprechen. CE-gekennzeichnete Produkte können in der ganzen EU verkauft und vertrieben werden, ohne weitere nationale Zulassungen durchlaufen zu müssen.

Dafür muss der Hersteller das Produkt einer Risikobewertung, einem Verfahren des Risikomanagements (Minimierung von Risiken) und einer Risiko-Nutzen-Analyse unterziehen sowie ein dem Risiko des Produktes angemessenes Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich durchlaufen. Dabei müssen die Hersteller grundsätzlich eine benannte Stelle (z.B. TÜV, Dekra) einbinden. Da es in der Regel allein dem Hersteller obliegt die Einhaltung der für sein Produkt maßgeblichen Sicherheitsvorschriften zu überprüfen, ist das CE-Kennzeichen kein Garant für die Sicherheit eines Produkts.

C. LG Dortmund: CE-Zertifizierung als wissenschaftlicher Nachweis nicht ausreichend

Die Dortmunder Richter stellten zunächst fest, dass gerade bei Aussagen über die Wirkung und Wirkweise von Medizinprodukten besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen zu stellen sind. Dieser strenge Maßstab wird angelegt, um den Einzelnen und die Bevölkerung vor den von irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben ausgehenden potenziellen Gefahren zu schützen. Werbende Anpreisungen sind daher grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Ohne eine derartige qualifizierte wissenschaftliche Grundlage dürfen keine werbenden Behauptungen aufgestellt werden.

Doch wann entsprechen Werbeaussagen der von der Rechtsprechung geforderten gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis? Grundsätzlich ist der Nachweis nur dann erbracht, wenn er auf Studien beruht, die nach den allgemeinen Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Die Dortmunder Richter stellen fest, dass hierfür grundsätzlich eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegen muss, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist.

Eine CE-Zertifizierung ließen die Richter hingegen nicht als wissenschaftlichen Nachweis genügen. Als Grund führten sie an, dass von den zuständigen Zertifizierungsstellen nicht geprüft werde, inwieweit die vom Hersteller in Anspruch genommenen Wirkungen und Wirkweisen wissenschaftlich belegt seien.

D. Fazit: Ohne wissenschaftlicher Nachweis keine Werbung

Das Bewerben bestimmter Wirkweisen eines Produkts ist nur zulässig, wenn hierüber ein ausreichender wissenschaftlicher Nachweis geführt werden kann. Die CE-Zertifizierung genügt nicht als wissenschaftlicher Beleg.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare

Beiträge zum Thema

FAQ zum Handel mit Medizinprodukten
(25.10.2024, 08:29 Uhr)
FAQ zum Handel mit Medizinprodukten
OLG Hamm zu irreführenden Werbeaussagen für umstrittene kinesiologische Behandlungsmethoden
(13.08.2014, 09:41 Uhr)
OLG Hamm zu irreführenden Werbeaussagen für umstrittene kinesiologische Behandlungsmethoden
OLG Celle und LG Ulm zur Unlauterkeit der Werbung mit wissenschaftlich nicht belegten Wirkungsbehauptungen für Kinesio-Tapes
(04.04.2014, 10:28 Uhr)
OLG Celle und LG Ulm zur Unlauterkeit der Werbung mit wissenschaftlich nicht belegten Wirkungsbehauptungen für Kinesio-Tapes
Wirkungsaussagen für Kinesio-Tapes stellen nach LG Konstanz irreführende Leistungsversprechen dar
(31.10.2013, 14:09 Uhr)
Wirkungsaussagen für Kinesio-Tapes stellen nach LG Konstanz irreführende Leistungsversprechen dar
CDU/CSU und FDP treten für schärfere Medizinprodukte-Richtlinien ein
(18.12.2012, 11:30 Uhr)
CDU/CSU und FDP treten für schärfere Medizinprodukte-Richtlinien ein
BayVGH: Öko-Wärme-Säckchen (mit Trauben- oder Johannesbeerkernfüllung) können Medizinprodukte sein
(11.12.2012, 17:01 Uhr)
BayVGH: Öko-Wärme-Säckchen (mit Trauben- oder Johannesbeerkernfüllung) können Medizinprodukte sein
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder

Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie uns:
IT-Recht Kanzlei
Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller
Alter Messeplatz 2
Tel.: +49 (0)89 / 130 1433-0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433-60
E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de
© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei