Such Maschine! Zur Markenverletzung in der Trefferliste
Die Amazon-Suchmaschine im Visier des Markenrechts - was, wenn ein Suchbegriff für ein bestimmtes Produkt eingegeben wird und nur ausschließlich Produkte der Konkurrenz angezeigt werden? Mit dieser Frage musste sich auch jüngst das OLG Köln (Urteil vom 20.11.2015, Az.: 6 U 40/15) beschäftigen und bejahte eine diesbezügliche Markenverletzung.
Wird eine bestimmte Herstellermarke eingegeben und werden ausschließlich Produkte der Mitbewerber im Suchergebnis angezeigt, wird beim Suchenden der Eindruck erweckt, es handle sich um Produkte des Herstellers. Amazon verknüpft hierbei durch die Ausgestaltung der Suchergebnisse den geschützten Markenbegriff mit dem Angebot von Konkurrenzprodukten. Eine Rechtsverletzung ist nur dann nicht gegeben, wenn ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgt, dass keines der angezeigten Ergebnisse der Eingabe entspricht.
OLG Köln: Urteil vom 20.11.2015
Kläger war hier ein Hersteller von Büro- und Gamingstühlen, der diese unter der geschäftlichen Bezeichnung „NEEDforSEAT“ vertreibt und Inhaber der Gemeinschaftsmarken „MAXNOMIC“ und „NEEDforSEAT ist“. Hinsichtlich des Vertriebs bedient er sich jedoch nicht dem Onlineverkaufsportal amazon.de.
Als auf Amazon.de bei der Eingabe der Suchbegriffe „Maxnomic“ und „need for seat“ Produkte der Konkurrenz angezeigt wurden, jedoch nicht die Produkte des Herstellers, sah sich dieser in seinen Markenrechten verletzt bzw. erachtete einen Wettbewerbsverstoß wegen irreführender Werbung.
Amazon hingegen berief sich auf das Resultat eines Algorithmus, der vorangegangenes Nutzerverhalten berücksichtige und argumentierte, es mangle an einer kennzeichenmäßigen Benutzung, da die Suchbegriffe nicht hinterlegte Keywords, Metatags oder vordefinierte Suchbegriffe seien.
Markenrechtsverletzung „MAXNOMIC“ zu bejahen
Das OLG Köln stimmte dem Kläger insoweit zu, als dass es in den Suchergebnissen von Amazon.de zumindest bezüglich der Marke „MAXNOMIC“ eine Markenrechtsverletzung als gegeben ansah.
Vergleichend führte das Gericht Suchmaschinen wie „Google“ auf und betonte, dass solche Suchmaschinen die eingegebenen Suchbegriffe nicht selbst benutzen und somit auch nicht selbst haften, sondern richtigerweise nur derjenige, der damit wirbt. Der zugrunde liegende Fall unterscheidet sich aber dahingehend, dass Amazon selbst die Werbende und damit Anbieterin entsprechender Ware ist.
"Die Situation ist mit der automatischen Vervollständigung von Suchanfragen durch „Google“ zu vergleichen, die ebenfalls auf einer algorithmischen Auswertung früherer Nutzeranfragen aufbaut."
Das Argument Amazons, die Zeichen selber nicht zu benutzen, sondern nur Kundenanfragen durch Verwendung von Algorithmen auszuwerten, vermochte nicht zu greifen. Die Richter räumten hierbei ein, dass die Situation zwar mit der automatischen Vervollständigung von Suchanfragen durch „Google“ (Autocomplete-Funktion) vergleichbar ist, die ebenfalls auf einer algorithmischen Auswertung früherer Nutzeranfragen aufbaut und die „Google“ unter Umständen auch haftbar machen kann, aber im Unterschied dazu, wirbt Amazon auch hier nicht für fremde, sondern für eigene Angebote.
Markenverletzung durch Eingabe der Marken des Herstellers
Eine Markenverletzung sah das Gericht darin, dass ausschließlich Angebote der Konkurrenz durch Eingabe der Marke des Herstellers angezeigt wurden. Dieses Ergebnis ist allein auf eine Tätigkeit von Amazon zurück zu führen. Bedient Amazon sich dabei eines Algorithmus, um potentielle Kaufinteressierte auch auf bestimmte ähnliche Produkte zu lenken, nach denen sie nicht gezielt gesucht haben, überschreitet Amazon seine Rolle als Online-Plattformbetreiber und kann sich folglich auch nicht darauf berufen, dass die Angebote nicht von ihr seien.
"Die Angebote als solche sind nicht rechtswidrig. Der Rechtsverstoß folgt allein aus dem Umstand, dass sie auf die Eingabe des zugunsten des Antragstellers geschützten Zeichens angezeigt werden. Diese die Rechtswidrigkeit begründende Verknüpfung zwischen der Eingabe des Zeichens und dem Angebot eines Konkurrenzprodukts beruht allein auf der Tätigkeit der Antragsgegnerin. Durch den Einsatz des Algorithmus, um interessierte Kunden auf bestimmte Angebote zu lenken, nach denen sie nicht direkt gesucht haben, verlässt die Antragsgegnerin die Rolle einer reinen Plattformbetreiberin und kann sich daher nicht darauf zurückziehen, die betreffenden Angebote seien nicht von ihr, sondern Dritten auf ihrer Plattform eingestellt worden."
Liegt ein solcher Fall vor, muss zumindest ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgen, dass keines der angezeigten Ergebnisse der Eingabe entspreche, so die Richter. Denn andernfalls lässt sich nicht ausschließen, dass der Suchende davon ausgeht, zwischen den Anbietern der ihm platzierten Produkte und dem Markeninhaber bestünde eine wirtschaftliche Beziehung.
Verwechselungsgefahr
Auch erachtete das OLG Köln eine Verwechselungsgefahr. Hierzu betonte es, dass ergänzend zur üblichen Prüfung die vom BGH (Urteil vom 27.06.2013 – I ZR 53/12 – „Fleurop“) zum Keyword-Advertising entwickelte zweistufige Prüfung dahingehend notwendig sei, ob die Auswahl des geschützten Kennzeichens oder eines damit hochgradig ähnlichen Zeichens als Schlüsselwort die Herkunftsfunktion des Kennzeichens beeinträchtigt.
Dies ist zumindest dann der Fall, wenn das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht suggeriert wird, die beanstandete Anzeige hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung aber so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer aufgrund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit ihm wirtschaftlich verbunden ist.
"Internetnutzer, die auf einer Verkaufsplattform, von der sie wissen, dass dort Produkte unterschiedlicher Hersteller angeboten werden, ein ihnen geläufiges Zeichen als Suchwort eingeben, erwarten in erster Linie, dass ihnen auch Produkte, die unter diesem Zeichen vertrieben werden, angeboten werden. Sie werden nicht ohne weiteres auf den Gedanken kommen, dass ihnen ausschließlich Produkte anderer Hersteller, die zu dem Markeninhaber keinerlei Beziehung aufweisen, vorgeschlagen werden, solange sie keinen ausdrücklichen Hinweis in dieser Richtung erhalten (etwa sinngemäß „Ihre Suche ergab keine Treffer. Folgende Produkte könnten Sie auch interessieren: …“)."
Keine Verwechselungsgefahr hinsichtlich der Suchworte „need for seat“
Eine Verwechselungsgefahr der Marke „NEEDforSEAT“ bzw. dem Suchbegriff „need for seat“ lehnten die Richter allerdings ab.
"Dem durchschnittlichen Internetnutzer ist bekannt, dass es bei den meisten Suchmaschinen einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob er eine Folge von Wörtern in der Form need for seat oder in der Form „need for seat“ eingibt. Ihm ist bekannt, dass lediglich im zweiten Fall die Suchmaschine in erster Linie nach Ergebnissen sucht, in denen genau die eingegebene Phrase enthalten ist. Im ersten Fall dagegen werden ihm als Ergebnisse Seiten angezeigt, die diese Wörter in irgendeiner Zusammensetzung oder Reihenfolge enthalten. Er wird daher das Ergebnis der Suchfunktion im beanstandeten Fall nicht dahingehend verstehen, dass das Ergebnis etwas mit „NEEDforSEAT“ oder „need for seat“ zu tun hat."
Als Fazit ist daher festzuhalten, dass eine Markenverletzung dann gegeben ist, wenn in die Suchmaschine von Amazon.de ein geschütztes Zeichen eingegeben wird und in der Trefferliste eine Reihe ausschließlicher Konkurrenzprodukte des Markeninhabers erscheinen. Eine solche Rechtsverletzung kann nur dann vermieden werden, wenn ein entsprechender Hinweis dahingehend erfolgt, dass keines der Ergebnisse der Eingabe entspreche.
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