Der markenrechtliche Auskunftsanspruch und seine Grenzen
Flattert eine Markenabmahnung ins Haus, geht es v.a. um die Unterlassungserklärung und viel Geld. Aber auch um den Auskunftsanspruch. Welche Inhalte dieser Auskunftsanspruch im Einzelnen gewährt, wurde in einem aktuellen Urteil des KG Berlin vom 13.07.2021 (5 U 87/19) näher beleuchtet.
I. Markenverletzung bei Google-Ads: Die Frage (auch) nach den Klicks
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, das sogenannte Ads-Programme anbietet. Diese ermöglichen es Werbebetreibenden ihre Werbung auf Internetseiten zu schalten, die Teil des Google-Werbenetzwerkes sind. Den Inhalt der Anzeigen, Art und Umfang der Anzeigen und die jeweilige Anzeigenkampagne und Werbestrategie treffen die Nutzer des Programms selbst. Diese bestimmen insbesondere den Text der jeweiligen Anzeige in der Suchmaschine und die Internetseite, mit der die Anzeige verlinkt wird. Maßgeblich für den Erfolg solcher Anzeigen sind die von den Nutzern ausgewählten Begriffe, sogenannte Key-Words, bei deren Eingabe in die Suchmaske die Werbung angezeigt werden soll.
Die Klägerin ist auf eine solche Anzeige aufmerksam geworden, die als Key-Word deren eingetragene Marke nutzte.
Zur Verfolgung ihrer Rechte macht die Klägerin nun Auskunftsansprüche gem. § 19 MarkenG geltend über den Zeitpunkt, ab dem die streitgegenständliche Anzeige auf der Webseite der Beklagten sichtbar gewesen ist, die Anzahl der Klicks, der streitgegenständlichen Werbeanzeige sowie den Preis, den der Nutzer für diese streitgegenständliche Anzeige an die Beklagte gezahlt hat.
II. Auskunft ja – Klicks nein
Diese Ansprüche hat das KG nur teilweise als gegeben angesehen. Die Klägerin hat einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Dauer des Bestehens des Vertriebsweges. Hinsichtlich der Anzahl der Klicks und des Preises allerdings nicht.
1. Auskunftsanspruch gegen Dritte
Der Auskunftsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen einen Täter, Mittäter oder Störer der Rechtsgutsverletzung durch widerrechtliche Benutzung der Marke.
Ist die Rechtsverletzung allerdings offensichtlich oder wurde gegen den Verletzer bereits Klage erhoben, kann sich der Auskunftsanspruch auch gegen einen Dritten richten. Durch die Voraussetzungen der offensichtlichen Rechtsverletzung oder der Klageerhebung gegen den Verletzer werden Hürden aufgestellt, die erreicht werden müssen, um gegen den Dritten einen Anspruch auf Auskunft erheben zu können.
Eine offensichtliche Rechtsgutsverletzung liegt dann vor, wenn sie so eindeutig ist, dass eine Fehlentscheidung und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Beklagten ausgeschlossen erscheint.
Die Beklagte ist hier die Anbieterin des Programms, mit dem der Nutzer dann die rechtsverletzende Anzeige schaltete. Die Stellung der Beklagten als Täterin, Mittäterin oder Störerin ist hier durchaus problematisch. Das Gericht nimmt hierzu allerdings keine Stellung, da es hier einen offensichtlichen Verstoß in der vorausgesetzten Weise annimmt.
Die Beklagte ist deshalb auch als Dritte Gegnerin des Auskunftsanspruchs.
2. Schutzumfang des Auskunftsanspruchs
Laut dem ersten Absatz des § 19 MarkenG umfasst der Auskunftsanspruch die Herkunft und den Vertriebsweg der Waren oder Dienstleistungen, die mit der fremden Marke gekennzeichnet wurden und dadurch die Rechtsverletzung begründen.
In Absatz 3 wird der Gegenstand der zu erteilenden Auskunft näher umschrieben. Es ist Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift der Hersteller, Lieferanten, Vorbesitzer und gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen und über die Menge und Preise der rechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen. Dieser Absatz steht dem Umfang der Auskunft nach Absatz 1 nicht entgegen. Der dritte Absatz soll den ersten nur spezifizieren und erweitern und keine Einschränkungen vornehmen.
a) Vertriebsweg im Internet
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Vertriebsweg im ersten Absatz die Art und Weise, in der ein Produkt vertrieben, also am Markt angeboten wird. Die Schaltung einer Werbeanzeige für ein Produkt auf der Seite einer Suchmaschine, die mit der Internetseite des Webenden verlinkt ist, stellt die Eröffnung eines solchen Vertriebsweges dar.
b) Die Auskunft darüber, wie lange die Werbeanzeige schon aktiv ist
Die geschuldete Auskunft über den Vertriebsweg beinhaltet laut Gericht nicht nur die Mitteilung, dass ein bestimmter Vertriebsweg bestanden hat, sondern auch, ab wann dies der Fall war. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie dient der wirksamen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und soll den Markeninhaber dazu in die Lage versetzen, die Vertriebskanäle trocken zu legen und einen etwaigen Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruch vorzubereiten.
c) Anzahl der Klicks auf die Werbeanzeige
Vom Anspruch nicht umfasst ist die Auskunft, wie oft die geschaltete Werbeanzeige angeklickt wurde, also die Anzahl der generierten Klicks. Dabei geht es nämlich nicht mehr um die Frage, ob und wann der Vertriebsweg zur Verfügung stand. Die Frage der Klicks geht vielmehr darüber hinaus. Das Gericht sieht darin eine Überschreitung des Wortlauts „Vertriebsweg“. Die Anzahl der Klicks kann nicht unter diese Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs gefasst werden.
Das Gericht betont außerdem, dass die Anzahl der Klicks nicht als Menge der Waren angesehen werden können. Der Wortsinn der Vorschrift würde dadurch auch hier überschritten. Auch hier wäre die Voraussetzung „Menge der Waren“ zu weit gedehnt, würde man die Anzahl der Klicks darunter fassen.
d) Preis
Auch nicht umfasst ist die Auskunft, welches Entgelt der Programmanbieter für das Schalten der Anzeige erhalten hat. Im dritten Absatz erfasst ist die Angabe über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden. Auf den ersten Blick könnte diese Vorschrift einschlägig sein, allerdings muss hier besonders auf die Regelungsrichtung der Vorschrift geachtet werden. Erfasst sind die „Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden“. Diese Dienstleistungen sind selbst die rechtsverletzenden.
Im vorliegenden Fall liegt die Rechtsverletzung allerdings nicht in der Dienstleistung der Beklagten, sondern in der Tätigkeit, die durch die Dienstleistung der Beklagten ermöglicht wird. Wie bereits erläutert handelt es sich hier um einen Auskunftsanspruch gegen den Dritten, den Anbieter des Programms, durch das die Werbeanzeigen erstellt und in der Suchmaschine angezeigt werden. Der Dritte bekommt ein Entgelt für die Nutzung des Programms, nicht für die rechtsverletzende Dienstleistung selbst, die mithilfe des Programms durchgeführt wird.
3. Der Ausschluss des Auskunftsanspruchs - eine Frage der Abwägung
Hinsichtlich entstandener Auskunftsansprüche ist zum Schluss noch zu prüfen, ob diese eventuell trotz Vorliegen einer der Voraussetzungen ausgeschlossen sein könnten. Ein Ausschluss kommt in Betracht, wenn die Inanspruchnahme des Beklagten unverhältnismäßig ist. Diese ist unverhältnismäßig, wenn eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände einer konkreten Fallkonstellation ergibt, dass das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers schwerer wiegt, als das Informationsinteresse des Verletzten.
In der vom Gericht zu entscheidenden Klage greift die Auskunft nicht in schutzwürdige Belange der Beklagten ein, weshalb hier ein Überwiegen des Auskunftsinteresses angenommen wurde.
III. Fazit: Viel Auskunft - aber nicht zu viel
Der Auskunftsanspruch aus § 19 MarkenG umfasst:
- Herkunft der Ware
- Vertriebsweg der Waren
- Name und Anschrift der Hersteller
- Lieferanten
- Vorbesitzer
- Abnehmer
- Verkaufsstellen
- Menge der Waren und Dienstleistungen
- Preise der Waren und Dienstleistungen
Der Vertriebsweg einer Ware kann auch durch Schaltung einer Werbeanzeige in einer Suchmaschine mit Link auf die jeweilige Webseite eröffnet sein. Die Auskunft über einen Vertriebsweg umfasst nicht nur das ob der Eröffnung dieses Vertriebsweges, sondern auch die Dauer, für die dieser schon besteht.
Die Auskunft über die Anzahl der Klicks auf eine solche Werbeanzeige in einer Suchmaschine kann nicht verlangt werden.
Bei der Frage nach dem Preis ist genau darauf zu achten, ob es sich bei dem Preis, der Inhalt der Auskunft sein soll, um den der rechtsverletzenden Dienstleistung handelt. Handelt es sich wie in der vorliegenden Entscheidung des KG Berlin um den Preis für die Tätigkeit, die die rechtsverletzende Dienstleistung ermöglicht, kommt ein Auskunftsanspruch dahingehend nicht in Betracht.
IV. Interesse an einer Markenanmeldung?
Wir verteidigen nicht nur bei Markenabmahnungen - wir melden auch Marken an! Wer sicher und sogar kostenfrei eine Marke anmelden will und bereits Mandant bzgl. unserer Schutzpakete ist oder werden will, für den haben wir folgendes Angebot:
Für unsere Neu- und Bestandsmandanten in Sachen Schutzpakete berechnen wir unter folgenden Umständen bei Anmeldung einer deutschen Marke kein Honorar:
- Für neue Mandanten: Wer sich neu für eines unserer Schutzpakete entscheidet und dabei eine Mindestlaufzeit von mindestens 12 Monaten (im Unlimited-Paket obligatorisch) wählt, der bekommt einmal pro Jahr eine (1) Markenanmeldung on top. Gemeint ist damit die Prüfung der Eintragungsfähigkeit einer deutschen Marke und Durchführung der Anmelde- und Zahlungsmodalitäten ohne Berechnung unseres normalerweise anfallenden Honorars. Die anfallenden Amtsgebühren sind davon natürlich ausgenommen und weiterhin vom Markenanmelder zu tragen. Interesse? Hier geht es zu unseren Schutzpaketen.
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Dann wenden Sie sich bitte an den für Sie bereits zuständigen Rechtsanwalt der IT-Recht Kanzlei oder an die info@it-recht-kanzlei.de.
Mehr dazu finden Sie in diesem Beitrag.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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