Marke „Orvieto“ für Möbel nicht herkunftshinweisend – ein Überblick zum Thema
Laut Beschluss des Bundespatentgerichts vom 14. 11. 12 (26 W (pat) 2/12) steht der Anmeldung des Zeichens „Orvieto“ für die Warengruppe Möbel kein Schutzhindernis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Zu dem gleichen Ergebnis gelangte das BPatG bei Wortfolgen mit geografischen Herkunftsangaben in den Fällen „Salva“, „Gröhnwohld“ und „Kloster Beuerberger Naturkraft“. Demgegenüber hielt das Gericht in den Beschlüssen zu „Samoa“, „Barcelona“ und „Gizeh“ mit Hinblick auf die Bekanntheit der Orte ein Freihaltebedürfnis für gegeben.
Fall
Nachdem das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die Anmeldung des Zeichens „Orvieto“ mit der Begründung zurückwies, dass es sich bei der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren um eine Angabe handele, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Bezeichnung ihrer geografischen Herkunft dienen könne, legte die Anmelderin Beschwerde ein.
Diese begründete sie vornehmlich damit, dass es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bei der Prüfung, ob eine geografische Bezeichnung als Angabe über die Herkunft von Waren und Dienstleistungen geeignet sei, vor allem auf das Verständnis und den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise ankomme. Es sei daher von ausschlaggebender Bedeutung, ob die geografische Angabe im inländischen Verkehr bekannt sei oder nicht.
Nach Ansicht der Anmelderin sei die italienische Kleinstadt „Orvieto“ weitgehend unbekannt, sodass ein Freihaltebedürfnis nicht bestehe und die Zurückweisung der Anmeldung unrechtmäßig geschehen sei.
Entscheidung
Das Bundespatentgericht ließ sich von den Ausführungen der Anmelderin überzeugen und hielt die zulässige Beschwerde für begründet.
Der Eintragung der angemeldeten Marke „Orvieto“ für die Warengruppe Möbel steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG also nicht entgegen.
Ein Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt voraus, dass die geografische Angabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen könnte. Sofern eine Verwendung der Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist zu prüfen, ob sie vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, sowie der Bekanntheitsgrad dieser Gegebenheiten bei den beteiligten Verkehrskreisen.
So werden in der italienischen Kleinstadt „Orvieto“ derzeit Möbel und Möbelzubehör nicht hergestellt. Der Ort ist vielmehr vom Tourismus und Weinbau geprägt. Die Richter des Bundespatentgerichts sahen daher auch keinerlei Gegebenheiten, die künftig die Herstellung von Möbeln in Orvieto erwarten lassen könnten. Für diese Einschätzung spräche, so das Gericht, vor allem die Tatsache, dass es in Orvieto und ins einem Umland sowohl an den zur Herstellung von Möbeln notwendigen Grundstoffen, wie etwa Holz, als auch an Unternehmen fehle, die Grundstoffe wie Kunststoffe oder Metalle als Halbfabrikate erzeugen.
"Angesichts des Fehlens einer entsprechenden Infrastruktur reicht allein die touristische und landwirtschaftliche Bedeutung von Orvieto nicht aus, um ein in der Zukunft bestehendes Freihaltungsbedürfnis an dieser geografischen Angabe in Bezug auf die in der Anmeldung beanspruchten Waren zu begründen. Es ist auch nicht erkennbar, dass und ggf. welche positiv besetzten Vorstellungen der von der Ware Möbel angesprochene inländische Verkehr mit Orvieto verbinden und auf die beanspruchten Waren übertragen könnte. Bei dieser Sachlage fehlen
ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme einer künftigen Eignung des Wortes “Orvieto” als geografische Herkunftsangabe für Möbel und die sonstigen mit der Anmeldung beanspruchten Waren."
Im Übrigen, so das Gericht, fehlt es der Ortsbezeichnung „Orvieto“ für die fragliche Warengruppe Möbel auch nicht an jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Bei der angemeldeten Marke handele es sich gerade nicht um eine Angabe, die einen beschreibenden Begriffsgehalt aufweist, da der kleine Ort Orvieto, in weiten Teilen des deutschen Verkehrs unbekannt sei und dadurch von diesem auch nicht für den Möbelsektor als beschreibende geografische Herkunftsangabe verstanden werde.
"Auch für den Fachverkehr gilt nichts anderes, weil Orvieto auch nicht als Herstellungsort für Möbel berühmt oder bekannt ist. Da es sich bei Orvieto auch sonst nicht um ein im Bereich der beanspruchten Waren bekanntes, beschreibend verwendetes Wort handelt, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der angemeldeten Marke für diese Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt."
Fazit
Für die Eignung einer Ortsangabe zur Beschreibung der geografischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen kommt es also vor allem auf die tatsächlichen Anhaltspunkte vor Ort an, wie etwa dem Umstand, dass in dem fraglichen Ort bereits einschlägige Herstellungs- oder Leistungsunternehmen existieren.
Eine Abwesenheit solcher Unternehmen ist jedoch nicht als Freibrief zu werten. Vielmehr kommt es dann darauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist.
Nach neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wird das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG somit nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise durch die beteiligten Verkehrskreise in Verbindung gebracht werden können.
Bei Namen von Ländern, Regionen, größeren Städten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.
Ein Schutzhindernis besteht darüber hinaus auch bei Ortsbezeichnungen, welche die Auffassung der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, beispielsweise dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen. Solche Vorstellungen können zum Beispiel auf einem bestimmten Lebensstil oder einem besonderen Flair, auf Tradition oder Modernität berufen, die der Verkehr mit dem Ort verbindet.
Einige Beispiele aus der Spruchpraxis des Bundespatentgerichts vermögen vielleicht etwas Licht auf die praktische Umsetzung dieser Grundsätze zu werfen.
Als schutzfähig hat das BPatG, wie im vorliegenden Fall das Zeichen „Orvieto“, folgende Marken angesehen:
1) „Salva“ ( 26 W (pat) 520/10)
Der Umstand, dass es sich bei „Salva“ um eine Ortschaft in Rumänien handelt, sei in Deutschland weitgehend unbekannt, sodass der inländische Verkehr die konkret beanspruchte Warengruppe Wein mit dem betreffenden Ort vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung bringen werde.
2) „Gröhnwohld“ ( 26 W (pat) 19/11)
Gröhnwohld ist der Name eines kleinen Dorfes in Schleswig-Holstein, in dem ein Gewerbegebiet weder ausgewiesen noch geplant sei und auch kein Hopfen- oder Fruchtanbau betrieben werde.Wegen der geringen Größe und wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes sei daher auch in Zukunft nicht mit nennenswerter wirtschaftlicher Entwicklung zu rechnen.
3) „Kloster Beuerberger Naturkraft“ ( 26 W (pat) 501/11)
Da in Deutschland nur ein Kloster dieses Namens existiere, bestehe eine Monopolstellung für die Produktion von Waren unter unternehmerischer Verantwortung des Klosters an diesem Ort. Dass nicht das Kloster Beuerberg oder sein Träger Markenanmelder sei und bisher auch keine Anhaltspunkte für dessen Berechtigung vorlägen, begründe kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Für nicht schutzfähig hielt das BPatG dagegen folgende Marken:
1) „Samoa“ (26 W (pat) 1/12)
In Samoa, einem Inselstaat im südwestlichen Pazifik, werden derzeit Möbel und Möbelzubehör nicht hergestellt. Da es jedoch in Samoa sowohl eine holzverarbeitende Industrie als auch die entsprechende Vegetation gebe, könne eine künftige Entwicklung in diese Richtung nicht ausgeschlossen werden.
Ferner handelt es sich bei Samoa um den Namen eines Staates, bei dem eine grundsätzliche Vermutung dafür spricht, dass er als geografische Herkunftsangabe für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen benötigt wird.
Im Übrigen sei Samoa ein Inbegriff für Südsee und Urlaub in der Südsee, weshalb der deutsche Verkehr mit dem Namen dieses Staates und dieser Insel positiv besetzte Vorstellungen verbinde.
2) „Barcelona“ (26 W (pat) 20/08)
Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für nahezu alle Waren benötigt werden können.
Diese Regelvermutung greift für Barcelona als Hauptstadt der spanischen Region Katalonien mit ca.1,6 Millionen Einwohnern und bezogen auf die Einwohnerzahl aktuell elftgrößte Stadt der Europäischen Union ohne weiteres ein.
Für die Eignung der Ortsangabe „Barcelona“ zur Beschreibung der geografischen Herkunft der hier maßgeblichen Möbelwaren spreche zudem, dass unstreitig eine Vielzahl von Holzkonstruktionsfirmen und Möbelherstellern in der Region Barcelona und Umgebung bereits ansässig sein und diesen vorzubehalten ist, auf die geografische Herkunft ihrer Möbelprodukte durch die entsprechende Ortsangabe „Barcelona“ hinzuweisen.
3) „Gizeh“ (27 W (pat) 517/10)
„Gizeh“ ist die drittgrößte Stadt in Ägypten und vor allem auch für seine Pyramiden bekannt. Es sei auch nicht unwahrscheinlich, dass die Verbraucher eine Verbindung zu den beanspruchten Waren/Dienstleistungen, nämlich orthopädische Schuhwaren u Bekleidungsstücke, unter Umständen auch durch positiv besetzte Vorstellungen mit dem beliebten Urlaubsort herstellen könnten.
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