ALLET JUTE: Dekorative Beschriftung oder Markenverletzung?
Das OLG Hamburg (Beschluss vom 03.03.2021 Az.: 3 U 9/19) hatte sich mit der Bezeichnung „ALLET JUTE“ auf einem Stoffbeutel zu befassen – bei der Zeichenfolge handelte es sich um eine eingetragene Marke u.a. für Taschen. Liegt hier eine markenmäßige Benutzung vor?
Der ALLET-JUTE-Stoffbeutel: Witzige Deko oder Markenverletzung?
Der Streit spielte sich im Rahmen einer negativen Feststellungsklage ab, in der der Abgemahnte proaktiv Klarheit darüber erlangen wollte, ob die Bezeichnung eines Stoffbeutels mit der Aufschrift ALLET JUTE markenverletzend sei. Diese Bezeichnung war als Marke u.a. für die Klasse 18 (Taschen) geschützt. Also bestand auch im weitesten ein Schutz im Warenbereich von Jute-Beuteln.
Eine solche Markenverletzung würde man nur dann annehmen, wenn das Zeichen markenmäßig genutzt wurde, mithin zum Hinweis auf die Herkunft einer Ware:
"Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2013, 1239, Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH, GRUR 2015, 1201, Rn. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH, GRUR 2018, 924, Rn. 25 – ORTLIEB I; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 22 – Slim Fit Hose SAM)."
Ob ein Zeichen als Herkunftshinweis wahrgenommen wird, richtet sich nach der Verkehrsauffassung – sprich:
"Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht."
Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
Nach alldem entschied das OLG Hamburg, das hier nicht von einer Markenverletzung ausgegangen werden kann. Und begründet:
"Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Angabe vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis, sondern als inhaltliche Aussage, als witziges Statement, mit dem sowohl auf die Art des Produkts (Jutebeutel) angespielt als auch ein kurzes positives Motto propagiert wird. Darin liegt gerade der Witz der Angabe bzw. der Pfiff des so gestalteten Produkts. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der maßgeblichen Kennzeichnungsgewohnheiten."
Zur Frage des vorgenannten Verkehrsverständnisses hatte etwa das OLG Köln (6 U 75/13) in einem einschlägigen Fall ausgeführt:
"Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist davon auszugehen, dass der Verkehr bei Zeichen, die sich nicht als eingenähtes Etikett auf der Innenseite des Bekleidungsstückes befinden, sondern an einer anderen Stelle, nicht generell davon ausgeht, es handele sich bei diesen Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern um einen Herkunftshinweis. Ob eine solche Wahrnehmung gegeben ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Tz. 20 – DDR-Logo). Befindet sich das Zeichen etwa großflächig auf der Vorderseite eines Pullovers oder in verkleinerter Form in Höhe der linken Brust, ist der Verkehr weitgehend daran gewöhnt, hierin einen Herkunftshinweis zu sehen. Anderes gilt jedoch dann, wenn dem Zeichen vom Verkehr ein konkreter Sinngehalt beigemessen wird (vgl. BGH GRUR 210, 838 – DDR-Logo, OLG Hamburg GRUR-RR 2009, 300 – Aufdruck „Mit Liebe gemacht“ auf einem Babystrampler bzw. OLG Hamburg, BeckRS 2009, 18504, – „Zicke“). In diesen Fällen wird das Zeichen als reines Dekor wahrgenommen, so dass die Funktion als Herkunftshinweis zu verneinen ist. Ebenfalls verneint hat der BGH eine markenmäßige Verwendung in einem Fall, in dem auf der Vorderseite eines Pullovers zahlreiche Marken nebeneinander aufgedruckt waren (vgl. BGH GRUR 1994, 635 – Pulloverbeschriftung). Selbst wenn diese Entscheidung noch zum Warenzeichengesetz ergangen ist, haben die Feststellungen über die Verkehrswahrnehmung weiterhin Gültigkeit."
Dieser Streit ist nicht ganz neu: Bereits in der Vergangenheit gab es einige Fälle, gerade im Bekleidungssektor, bei denen zu entscheiden war, ob ein Zeichen mehr dekorativ als markenmäßig verwendet wurde.
Gerade der Verkauf von vermeintlich witzigen Sprüchen und Aufdrucken auf T-Shirts birgt deshalb das Risiko, sich bei Verletzung geschützter Marken eine Abmahnung einzuhandeln. Diese Gefahr besteht nicht nur bei bekannten Marken (T-Shirt mit dem Aufdruck "Ahoj-Brause", Hanseatisches OLG, Urteil vom 20.01.2005, Az.: 5 U 38/04), sondern oft auch bei Alltagsbegriffen (Aufdruck "Zicke", Hanseatisches OLG, Urteil vom 30.01.2002, Az.: 5 U 160/01). Umgekehrt muss sich auch kein Markeninhaber die Verwendung seines Zeichens auf T-Shirts gefallen lassen. Selbst eine "humoristische" Verfremdung einer Marke, etwa bei der Verwendung für Abi-T-Shirts, bleibt unzulässig, wenn die Marke dem Verkehr als Kennzeichen bekannt ist und der Markennamen im Brust- oder Rückenbereich auffällig präsentiert wird (Aufdruck "Trabi03", Hanseatisches OLG, Beschluss vom 05.01.2006, Az.: 5 W 2/06) – siehe hierzu auch unseren Beitrag über den Spruch „Kölsche Jung“.
Exkurs: Vergleichbar sind diese Fälle auch mit den Streitigkeiten um die Verwendung von Vornamen als Marke – siehe hierzu unseren Beitrag.
Fazit: Ende jut – allet jut
Die Frage, ob ein Zeichen markenmäßig oder dekorativ genutzt wird, liegt im Auge des Betrachters – gemeint ist damit: Es entscheidet die Auffassung der Verkehrskreise, also der Kunden. Hierbei kommt es sehr auf die Kennzeichnungsgewohnheiten der jeweiligen Produkte an. Im Fall des Stoffbeutels hat das Gericht jedenfalls die Markenverletzung bei Verwendung der Zeichenfolge ALLTE JUTE verneint.
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