Ratgeber: Mahnung und Schuldnerverzug im Online-Handel

Ratgeber: Mahnung und Schuldnerverzug im Online-Handel
14.08.2015 | Lesezeit: 19 min

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Gerade im Online-Handel, wo Leistung und Gegenleistung in zeitlicher Hinsicht schon aufgrund der Geschäftsnatur regelmäßig auseinander fallen, sehen sich Unternehmer vielmals säumigen Kunden gegenüber. Ist ihnen in derlei Fällen die Eintreibung ihrer Forderungen selbst überlassen, schlagen sich ausbleibende Zahlungen nicht nur in Form von Umsatzeinbußen nieder, sondern verursachen darüber hinaus Rechtsverfolgungskosten und einen erhöhten administrativen Aufwand. Für ein erfolgreiches Vorgehen gegen säumige Schuldner sind hier Grundkenntnisse zum Mahnwesen unabdinglich, die der folgende Ratgeber der IT-Recht Kanzlei vermittelt - inkl. vieler Musterformulare.

A. Ausgangslage: Säumnis des Kunden

Bei jedem Kauf im Online-Handel schwingt für den Händler das latente Risiko mit, dass der Kunde die geschuldete Leistung, also die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, nicht oder nicht rechtzeitig erbringt. Derartige Säumnisse des Schuldners stellen Unternehmer vor allen in Konstellationen, in denen sie in Vorleistung treten und mithin den Kaufgegenstand ohne vorherigen Zahlungseingang auf den Weg geben, vor erhebliche Probleme. Zum einen nämlich sind sie zunächst gehalten, den ausbleibenden Kaufpreis – meist auf eigene Rechnung – einzutreiben, zum anderen aber müssen sie bei weiterer Verzögerung Maßnahmen einleiten, um ihre Leistung zurückzufordern.

Doch auch in den Regelfallkonstellationen, in denen eine Vorleistung des Käufers vereinbart ist, drohen bei Zahlungsverzögerungen weitreichende Konsequenzen in Form von Umsatz- und Gewinneinbußen. Der Verkäufer ist hier gehindert, die bestellte Ware wieder in den verfügbaren Bestand zu integrieren, weil sie dem säumigen Schuldner bis auf Weiteres vorbehalten ist. Mithin muss er sich zunächst an dem Vertrag festhalten lassen und darf die Ware so trotz Ausbleiben der Gegenleistung grundsätzlich nicht wieder zum Verkauf anbieten.

Will der Verkäufer nun gegen den säumigen Schuldner vorgehen, muss er rechtsverbindliche Schritte einleiten. Der Gesetzgeber sieht in derlei Fällen grundsätzlich das Rechtsinstitut der Mahnung vor, welches durch Anordnung spezifischer Rechtsfolgen den Gläubiger primär in seinem Erfüllungsinteresse schützen soll, ihm unter weiteren Voraussetzungen aber auch eine Loslösung vom Vertrag ermöglicht.

B. Die Mahnung

I. Bedeutung und Rechtsnatur der Mahnung

Die Mahnung ist die Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen. Mit ihr kann der Verkäufer vom säumigen Käufer mithin die Begleichung des offenen Rechnungsbetrags fordern, sofern diese geschuldete Leistung bereits fällig ist und die Durchsetzbarkeit durch Einwendungen oder Einreden nicht gehemmt ist.

Achtung: eine Mahnung vor Fälligkeit der Leistung ist wirkungslos, BGH, Urteil v. 29.04.1992 - XII ZR 105/91

Regelmäßig sind gem. §271 bei gegenseitigen Vertragen die geschuldeten Leistungen sofort nach Vertragsschluss fällig, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, sodass der Verkäufer sodann die Zahlung vom Käufer verlangen kann. Bleibt sie aus, so kann der Verkäufer zur Zahlung anmahnen.

Ziel der Mahnung ist es hierbei nicht nur, den säumigen Schuldner innerhalb der in der Mahnung anberaumten Nachfrist zur Leistung zu veranlassen, sondern auch, die rechtliche Position für die Eventualität weiterer Leistungsverzögerungen abzusichern.

Das Gesetz knüpft an die erfolglose Mahnung, also das weitere Ausbleiben der fälligen und durchsetzbaren Leistung nach Ablauf der in der Mahnung anberaumten Nachfrist, nämlich die Rechtsfolge des Schuldnerverzugs gem. §286 BGB, der nicht nur zu einer verschärften Haftung des säumigen Schuldners führt, sondern dem Gläubiger verschiedene Ansprüche und Rechte an die Hand gibt (s. für nähere Ausführungen den Punkt C.)

Ihrer Rechtsnatur nach ist die Mahnung eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Sie ist mithin empfangsbedürftig und muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

Zu unterscheiden ist die rechtsgeschäftliche Mahnung vom gerichtlichen Mahnbescheid (s. dazu unter D.) Während erstere Teil des außergerichtlichen Mahnverfahrens ist und den Schuldnerverzug herbeiführen kann, ergeht letzterer erst bei bereits eingetretenem Schuldnerverzug durch gerichtlichen Beschluss und setzt einen entsprechenden Mahnantrag und dessen gerichtliche Stattgabe voraus.

II. Inhalt und Form der Mahnung

Will der Gläubiger den Schuldner zur Leistung mahnen, so hat er für die Wirksamkeit der Leistungsaufforderung bestimmte formelle Voraussetzungen zu beachten.

1.) Inhalt

a) Hinreichende Bestimmtheit

Als rechtsgeschäftliche Handlung muss die Mahnung hinsichtlich ihres Inhalts hinreichend bestimmt sein. So muss für den Gläubiger ersichtlich sein, dass er zur Erbringung einer bestimmten Leistung (etwa der Zahlung des Kaufpreises für einen bestimmten Kaufgegenstand) aufgefordert wird, der Gläubiger also die konkrete Leistung verlangt. Fordert ein Verkäufer zur Zahlung auf, kann die Forderungen insbesondere durch eine Angabe der Rechnungsnummer und eine klare Benennung des Vertragsgegenstandes, für den der fällige Kaufpreis eingefordert wird, konkretisiert werden.

Zwar muss die Mahnung nicht ausdrücklich als solche tituliert werden, allerdings muss sich aus ihren Inhalt der Charakter einer Aufforderung zur Leistungserbringung ergeben.

Werden dahingegen missverständliche oder uneindeutige Formulierungen gewählt, die dem Bestimmtheitskriterium nicht gerecht werden, kann nicht von einer Mahnung ausgegangen werden mit der Folge, dass an ein weiteres Untätigkeitbleiben des Schuldners keine Rechtsfolgen geknüpft werden.

Für nicht ausreichend wurden in diesem Zusammenhang Formulierungen befunden, mit denen

  • der Schuldner aufgefordert wird, sich über die Leistungsbereitschaft zu erklären (BGH, Urteil v. 09.06.1999 – Az. VIII ZR 149/98)
  • ein bloßer Hinweis auf die Fälligkeit der Forderung erfolgt
  • die Dankbarkeit des Gläubigers über den baldigen Erhalt der Leistung zum Ausdruck gebracht wird
  • erklärt wird, dass der Leistung nun entgegengesehen werde

Auch die bloße Übersendung einer Rechnung oder einer Zahlungsaufstellungen entbehrt des bestimmenden Charakters einer Mahnung.

Für die Wirksamkeit der Mahnung nicht erforderlich ist dahingegen, dass explizit auf ihre Rechtsfolgen verwiesen wird. Insofern genügt die Aufforderung zur Zahlung. Eine Mahnung büßt ihre Wirksamkeit nicht dadurch ein, dass sie keine Hinweise auf die Rechtsfolgen des Verzugs enthält (BGH, Urteil vom 25. 10. 2007 - III ZR 91/07).

Hinweis: Nutzen Sie für Ihre rechtssichere und wirksame Mahnung die Musterschreiben am Ende dieses Ratgebers.

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b) Fristsetzung erforderlich?

Häufig geht mit der Mahnung die Aufforderung einher, die ausstehende, fällige Forderung binnen eines gewissen Zeitraums (regelmäßig werden 14 Tage anberaumt) zu begleichen.

Allerdings ist eine derartige Fristsetzung kein Erfordernis, das die Wirksamkeit der Mahnung bedingt. Vielmehr kann auf eine ausdrückliche Fristsetzung auch verzichtet werden.

Zu beachten ist, dass auch Formulierungen, mit denen an den Schuldner appelliert wird, die Zahlung „unverzüglich“, „sofort“ oder „umgehend“ als Fristsetzung akzeptiert werden, weil insofern eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht (BGH v. 12.8.2009 - VIII ZR 254/08)

Achtung: Will der Verkäufer von seinem ihm bei Ausbleiben der Leistung zustehenden Gestaltungsrecht des Rücktritts (dazu mehr unter Punkt C.) Gebrauch machen, ist zuvor grundsätzlich der erfolglose Ablauf einer gesetzten Nachfrist erforderlich. Spätestens die zweite Mahnung sollte insofern eine Fristsetzung enthalten. Fristlose Mahnungen genügen diesem Rücktrittserfordernis nicht.

Wird eine zu kurz bemessene Frist gewählt, die dem Schuldner zu wenig Zeit einräumt, auf das Begehren des Gläubigers zu reagieren, ist dies ebenfalls unschädlich. In derlei Fällen wird automatisch und ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Mahnung die zu kurze in eine angemessene Frist umgewandelt.

c) Neue Informationspflichten über Rechtsdurchsetzungskosten ab dem 01.10.2021

Um Forderungen beizutreiben, kann der Online-Händler bei ausbleibender Zahlung auf Inkassodienstleistungen oder rechtsanwaltliche Hilfe zurückgreifen. Die ihm hierfür entstehenden Kosten sind als Verzugsschaden grundsätzlich vom Schuldner zu tragen.

Eine Gesetzesänderung zum 01.10.2021 macht die Ersatzfähigkeit solcher Rechtsverfolgungskosten aber davon abhängig, dass der Online-Händler säumige Kunden auf eventuell anfallende Zusatzkosten ausdrücklich in Textform hinweist.

Die Änderung wird im neuen § 288 Abs. 4 BGB geregelt sein, der wie folgt lauten wird:

Ist der Schuldner Verbraucher und der Gläubiger Unternehmer und sind dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Inkassodienstleisters als Verzugsschaden ersatzfähige Kosten entstanden, so kann der Gläubiger diese Kosten nur ersetzt verlangen, wenn er den Schuldner auf die mögliche Ersatzpflicht hingewiesen hat. Der Hinweis muss klar und verständlich in Textform erteilt werden und leicht erkennbar sein.

Erfolgen muss er

1. rechtzeitig vor Eintritt des Verzugs oder
2. unter Setzung einer angemessenen Frist zur Leistung.

In den Fällen des Satzes 3 Nummer 2 kann der Gläubiger nur die Kosten ersetzt verlangen, die nach Ablauf der Frist entstanden sind.

Will der Online-Händler Rechtsdurchsetzungskosten auf den säumigen Kunden abwälzen, muss er über deren Entstehung ab dem 01.10.2021 spätestens in der ersten Mahnung informieren.

2.) Form

Grundsätzlich ist die Mahnung an keine gesetzlich vorgegebene Form gebunden, sodass sie sowohl schriftlich als auch mündlich oder gar durch konkludentes Verhalten erfolgen kann.

Damit die Mahnung wirksam werden kann, muss sie dem Schuldner allerdings zugehen.

Da dieser Zugang im Streitfall vom Mahnenden zu beweisen ist, empfiehlt sich für die Praxis die Schriftform in Verbindung mit einer Versandoption, die nicht nur den Zugang sicherstellt, sondern dem Gläubiger gleichzeitig Mittel für die Beweisführung an die Hand gibt. Ratsam ist die Zustellung einer schriftlichen Mahnung per Einschreiben mit Rückschein.

Aufgrund der Formfreiheit könnte auch erwogen werden, von einer Zustellung auf dem Postwege abzusehen und stattdessen auf die eMail als gängiges Mittel der Fernkommunikation zurückzugreifen. Allerdings kann dann der Zugang regelmäßig nicht bewiesen werden. Auch ist denkbar, dass bereits die Zustellung scheitert, etwa wenn das Postfach des Empfängers durch bestimmte Spamfilter so gesichert ist, dass die Mahnung vorher abgefangen wird.

III. Eine, zwei oder drei Mahnung?

Viele Händler unterliegen einer Fehlvorstellung dahingehend, dass die Aussprache einer einzigen Mahnung nicht ausreiche, um die begehrte Rechtsfolge des Schuldnerverzuges herbeizuführen.
Richtigerweise tritt dieser nach eindeutigem Wortlaut des §286 Abs. 1 BGB aber bereits dann ein, wenn der Schuldner auf die erste Mahnung des Gläubigers nicht leistet.

Dennoch hat sich in der kaufmännischen Praxis eine zwei- bis dreimalige Anmahnung etabliert, die vor allem aus betriebsökonomischen Gesichtspunkten heraus sinnvoll sein kann. Zwar ist anzunehmen, dass die Kosten und der Aufwand des Händlers proportional zur Dauer der Schuldnersäumnis steigen. Allerdings besteht bei sofortigem unnachgiebigem Verhalten und einer beschleunigten Einleitung rechtlicher Schritte die Gefahr, dass der betroffene Kunde aufgrund des Eindrucks einer aggressiven Forderungseintreibung von weiteren Geschäften mit dem Mahnenden Abstand nehmen wird. Um den Kundenstamm und die eigene, mittelbar den Absatz beeinflussende Reputation des Händlers nicht zu gefährden, wird der ersten Mahnung insofern regelmäßig keine endgültige Wirkung zugesprochen.

Wählt der Händler die Option, vor einer gerichtlichen Durchsetzung der Forderung auf die erste Mahnung eine oder gar zwei weitere folgen zu lassen, so sollten die Ernsthaftigkeit des Anliegens und das Beharren auf die Erfüllung mit zunehmend aufforderndem und prägnantem Tonfall zum Ausdruck gebracht werden.

1.) Erste Mahnung/Zahlungserinnerung

Im Regelfall erfolgt die erste Mahnung zwar unmittelbar nach Fälligkeit der Leistung, ergeht gleichwohl aber in einem höflichen Tonfall, in dem die eindeutige (s.o.) Bitte zum Ausdruck kommt, die ausstehende Forderung zu begleichen. Oftmals hat das erste Mahnschreiben die Form einer Zahlungserinnerung, bei welcher auf die Herbeiführung der gesetzlichen Konsequenzen noch verzichtet wird. Insofern wird nämlich zunächst davon ausgegangen, dass der Schuldner die Begleichung der offenen Forderung nicht absichtlich unterlassen hat. Eine Fristsetzung oder die Androhung von Rechtsfolgen ist nicht erforderlich.

Allerdings kann auch der Zahlungserinnerung bereits der Charakter einer rechtsfolgenträchtigen Mahnung zugewiesen werden, wenn der Händler das außergerichtliche Mahnverfahren in zwei Stufen durchführen will. In diesem Fall sollte auf die Rechtsfolgen des Verzuges bereits in der Zahlungserinnerung eingegangen werden.

2.) Zweite Mahnung

Grundsätzlich ergeht das erste Mahnschreiben als Zahlungserinnerung, durch welche der Schuldner noch nicht in Verzug gesetzt wird. Spätestens 14 Tage nach deren Zugang und bei weiterer Untätigkeit des Schuldners sollte aber ein eindeutiges Mahnschreiben formuliert werden, das den Schuldner nicht nur ausdrücklich zur Leistung auffordert, sondern gleichzeitig eine bestimmte Zahlungsfrist setzt.

Will der Händler, der von einer Leistung des Schuldners auf eine bloße außergerichtliche Zahlungsaufforderung hin nicht mehr ausgeht, administrativen Aufwand und Kosten der privaten Rechtsverfolgung einsparen, so kann er den Verzug alternativ auch bereits durch die Zahlungserinnerung herbeiführen, auf eine dritte Mahnung verzichten und so bereits in der zweiten (und damit letzten) Mahnung unmissverständlich zur sofortigen Leistung auffordern und die Rechtsdurchsetzung vor Gericht in Aussicht stellen. Wählt der Händler dieses Verfahren, können bereits in der zweiten Mahnung Mahnkosten und Verzugszinsen berechnet werden (s. dazu Punkt C.)

3.) Gegebenenfalls dritte Mahnung

Entscheidet sich der Händler für drei Mahnungen, ist der Schuldner jetzt unmissverständlich aufzufordern, die ausbleibende Leistung unverzüglich zu erbringen. Gleichzeitig sollte auf die drohende Einleitung gerichtlicher Schritte hingewiesen werden.

Spätestens nach Ausspruch der zweiten Mahnung gerät der Schuldner bei weiterer Untätigkeit in Verzug, sodass die dritte Mahnung bereits in der Phase erfolgt, in der das Gesetz dem Gläubiger weitergehende Ansprüche und Gestaltungsrechte zugesteht.

Regelmäßig liegt zwischen Zugang der zweiten und Ausspruch der dritten Mahnung ein Zeitraum von zwei Wochen.

Für die dritte Mahnung können aufgrund des Schuldnerverzuges Mahngebühren und Verzugszinsen in Rechnung gestellt werden (s. dazu Punkt C.)

C. Rechtsfolge: Schuldnerverzug

Bleibt die Leistung auch nach wirksamer Mahnung des Gläubigers weiterhin aus, so gerät der säumige Schuldner nach §286 BGB regelmäßig in Verzug mit der Folge, dass dem Gläubiger sowohl Ansprüche auf Ersatz von Verzögerungsschäden als auch das Gestaltungsrecht des Rücktritts zugestanden werden.

I. Voraussetzungen des Schuldnerverzugs

1.) Mahnung und Verschulden der Nichtleistung

Erforderlich für den Eintritt des Schuldnerverzugs ist nicht nur, dass der Schuldner im Angesicht eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs auf die Mahnung des Gläubigers hin nicht leistet.

Er muss vielmehr zudem das Ausbleiben der Leistung gem. §286 Abs. 4 BGB zu vertreten haben.

Allerdings greift für dieses Vertretenmüssen die Beweislastumkehr des §280 Abs. 1 Satz 2 BGB so ein, dass ein Verschulden der Leistungsverzögerung vermutet wird und sich der säumige Schuldner nur durch eine entsprechende Exkulpation entlasten kann.

Ist eine Geldleistung geschuldet, ist eine diesbezügliche Exkulpationsmöglichkeit prinzipiell ausgeschlossen. Hier gilt zu seinen Lasten der Grundsatz „Geld hat man zu haben“.

2.) Entbehrlichkeit der Mahnung

Einer den Verzug bedingenden Mahnung bedarf es allerdings nicht immer. Insofern nennt das Gesetz in §286 Abs. 2 BGB Konstellationen, in denen eine Mahnung entbehrlich ist und der Verzug – ein entsprechendes Verschulden, §286 Abs. 4 BGB unterstellt – unmittelbar eintritt.

In den umschriebenen Fällen kann auf eine Mahnung verzichtet werden, weil ihre Aufforderungsfunktion aufgrund vorangegangener Umstände leerläuft und ein zusätzlicher Apell an den Schuldner obsolet wird.

Eine Mahnung ist für den Verzugseintritt entbehrlich, wenn

  • für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (etwa ein konkretes Datum oder eine berechenbare Leistungsfrist)
  • der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (beispielsweise: Zahlung innerhalb einer benannten Frist nach Lieferung des Kaufgegenstandes)
  • der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert
  • aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist (etwa im Falle einer eigenständigen Ankündigung eines bestimmten Leistungstermins durch den Schuldner, mit der er einer Mahnung zuvorkommt)

Achtung: die Verwendung einer Klausel in den AGB, nach der für die Rechtsfolge des Verzugs –außerhalb der Freistellungstatbestände des §286 Abs. 2 BGB – auf eine vorangehende Mahnung verzichtet wird, ist gegenüber Verbrauchern unwirksam, vgl. §309 Nr. 4 BGB)

3.) Gesetzlich angeordneter Verzug bei Geldforderungen

Unabhängig von einer etwaigen Anmahnung durch den Gläubiger oder deren Entbehrlichkeit gerät der Schuldner einer Geldforderung nach §286 Abs. 3 BGB spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung in Verzug, ohne dass zusätzlich eine Mahnung erforderlich wäre.

Achtung: gegenüber Verbrauchern, die im Online-Handel üblicherweise als andere Vertragspartei auftreten, gilt diese Rechtsfolge nur, wenn auf die Folgen des Verzugs in der entsprechenden Zahlungsaufstellung oder Rechnung gesondert hingewiesen wurde. Während bei einer Mahnung auf die Konsequenzen des Schuldnerverzugs nicht hingewiesen werden muss, ist für den Eintritt des Verzugs beim Verbraucher 30 Tage nach Rechnungszustellung eben dieser Hinweis in der Rechnung erforderlich.

II. Rechte des Gläubigers bei Schuldnerverzug

Ist der Schuldnerverzug unter den Voraussetzungen des §286 BGB eingetreten, so kann der Gläubiger neben seinem Anspruch auf die Primärleistung den Ersatz von Verzögerungsschäden verlangen und gegebenenfalls vom Vertrag zurücktreten. Im Folgenden werden die einzelnen Ansprüche dargestellt.

1.) Bei Geldforderungen: Anspruch auf Verzugszinsen aus §288 Abs. 1 BGB

§288 Abs. 1 BGB, der als eigene Anspruchsgrundlage gilt, gewährt dem Gläubiger gegenüber dem Geldschuldner im Falle des Verzugs ein Anrecht auf Erstattung der Verzugszinsen neben der Begleichung der Forderung.

Diese liegen bei Verbrauchern für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Der Basiszinssatz wird gem. §247 Abs. 1 BGB jährlich jeweils zum 01. Januar und zum 01. Juli angepasst und liegt momentan bei -0,83% (Stand: August 2015). Der aktuelle Zinssatz kann stets unter http://basiszinssatz.info/ abgerufen werden.

Mit den Verzugszinsen geht der Gesetzgeber von einem stets zu ersetzenden Mindestverzögerungsschaden aus.

Nach derzeitigem Stand ergibt sich gegenüber geldleistungssäumigen Verbrauchern mithin ein jährlicher Verzugszinssatz in Höhe von -0,83%+5,00% = 4,17%.

Die Höhe des nach §288 Abs. 1 BGB zu fordernden Betrags pro Säumnistag ab Tag des Verzugseintritts berechnet sich mithin wie folgt:

(Rechnungsbetrag mal (aktuell) 0,0417) geteilt durch 365

2.) Weitere Verzögerungsschäden nach §§280 I, II, 286 BGB

Ab Eintritt des Verzuges, also ab Ausbleiben der Leistung auf die erste wirksame Mahnung hin, kann der Online-Händler als Gläubiger weitere Verzögerungsschäden ersetzt verlangen, die in dem Umstand der nicht rechtzeitigen Rechnungsbegleichung durch den Käufer begründet liegen.

Die Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Schäden neben den Verzugszinsen ordnet §288 Abs. 4 ausdrücklich an. Voraussetzung ist hier ebenfalls das Verschulden des Verzugs.

a) Typische Schadensposten

Verschiedene Minuspositionen, die dem Händler im Zusammenhang mit der Eintreibung seiner Forderung und dem Verfolgen seines Anspruchs entstehen, können nach §§280 I, II, 286 BGB geltend gemacht werden:

  • Kosten für Auskünfte (z.B. zur Ermittlung des Wohnortes des Schuldners)
  • Kosten für Bankrücklasten
  • Kosten für einen beauftragten Rechtsanwalt
  • Gerichtskosten für Mahnbescheid
b) Mahngebühren

Auch die Kosten für Mahnschreiben nach Eintritt des Verzuges können als Verzögerungsschaden geltend gemacht werden. Hier ist allerdings zu beachten, dass nur solche Gebühren in Rechnung gestellt werden, die tatsächlich durch die erforderliche Mahnung anfallen. Grundsätzlich beschränken sich diese auf Material- und Portokosten, sodass eine Mahngebührenpauschale von etwa 2,50€ pro Mahnung angemessen und gerichtlich anerkannt ist.

Zu hohe Mahngebühren sind unzulässig, da der Gläubiger nach §309 Nr. 5a BGB keine Kosten geltend machen darf, die höher sind als der zu erwartende Schaden.

Achtung: In keinem Fall dürfen Verwaltungs- und Personalkosten bei der Berechnung der Mahngebühren mitberücksichtigt werden. Ersatzfähig sind nämlich nur solche Schäden, die dem Verzug des Schuldners unmittelbar zugerechnet werden können, also adäquat kausal auf diesen zurückzuführen sind. Administrations-, IT- und Personalkosten entstehen aber nicht verzugsbedingt, sondern liegen in der Sphäre des Gläubigers begründet und sind dem allgemeinen Geschäftsbetrieb zuzuordnen (BGH, Urteil v. 17. September 2009 – Az.: Xa ZR 40/08 )

Der Ersatz von Mahngebühren kann erst nach Verzugseintritt gefordert werden, der wiederum im Regelfall durch die erste Mahnung herbeigeführt wird. Kosten für diese erste Mahnung sind daher grundsätzlich nicht erstattungsfähig.

c) Entgangener Gewinn

Im Einzelfall kann beim Gläubiger ein weiterer Schaden in Form eines entgangenen Gewinns eintreten, den er infolge eines beabsichtigten, verzugsbedingt aber nicht realisierbaren Geschäfts gezogen hätte. Ein derartiger weitergehender Verzugsschaden wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Gläubiger auf die baldige Erbringung der Gegenleistung vertraut, kann aber auch hypothetische Einnahmen aus risikobehafteten Geschäften (z.B. aus Spekulationsgeschäften) erfassen, zu denen sich der Gläubiger während des Verzugs entschlossen hat und die durch das Ausbleiben der geschuldeten Leistung verhindert wurden (BGH, Urteil v. 29.11.1982 – Az. II ZR 80/82). Ein entgangener Gewinn kann der Gläubiger vom säumigen Schuldner nach §§280 I, II, 286, 252 BGB ersetzt verlangen.

3.) Rücktritt, §323ff.

Anstatt auf sein Erfüllungsinteresse zu beharren und so weiterhin die bisher ausgebliebene Leistung zu fordern, steht dem Gläubiger im Falle des Schuldnerverzugs das gesetzliche Rücktrittsrecht aus §323 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu.

Macht er von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch, so wird der Vertrag mit dem Schuldner in ein Rückabwicklungsverhältnis nach §346 BGB umgewandelt, das den Schuldner zur Rückgewähr des vom Gläubiger Erlangten und gegebenenfalls zum Nutzungsersatz verpflichtet.

Ein Rücktritt kann für Online-Händler sowohl dann sinnvoll sein, wenn eine Vorleistung des Käufers vereinbart wurde, als auch in den Fällen, in denen der Kauf auf Rechnung erfolgte und mithin die Leistung des Kaufgegenstandes vorausging. Im ersteren Falle kann der Händler die dem Verzugsschuldner vorbehaltene Ware wieder zum Kauf anbieten, im zweiten Falle kann er sie zuzüglich Nutzungsersatz von diesem zurückfordern, anstatt weiterhin auf eine Zahlung des Kaufpreises zu warten.

Erforderlich ist nach §323 Abs. 1 BGB jedoch der erfolglose Ablauf einer gegenüber dem säumigen Schuldner gesetzten angemessenen Frist zur Leistung. Diese Fristsetzung erfolgt grundsätzlich durch die den Verzug bedingende(n) Mahnung(en). Zu beachten ist aber, dass die Mahnung insofern mit einer Frist einhergehen muss, die entweder ausdrücklich bestimmt oder mit Formulierungen wie „unverzüglich“, „umgehend“ oder „sofort“ indiziert wird.

Eine Mahnung ohne Fristsetzung berechtigt nicht zum Rücktritt, sofern die Fristsetzung nicht nach §323 Abs. 2 entbehrlich ist.

Der verzugsbedingte Rücktritt kann gem. §349 BGB nur durch eine Erklärung gegenüber dem Schuldner erfolgen. Diese Erklärung wird nicht etwa durch vorher ausgesprochene Mahnungen ersetzt, sondern muss eigenständig formuliert werden (vgl. hierfür das entsprechende Muster im Anhang).

Achtung: Mit Zugang der Rücktrittserklärung endet der Schuldnerverzug, da dann der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Gläubigers untergeht.

4.) Rücktritt und Ersatz des Verzögerungsschadens

Vor der Schuldrechtsreform war lange Zeit umstritten , ob nach dem Rücktritt, der den Anspruch des Gläubigers auf die Leistung des säumigen Schuldners untergehen lässt, Verzögerungsschäden aus der Zeit vor dem Rücktritt geltend gemacht werden können. Dies wurde vielfach mit der Argumentation abgelehnt, dass sich solche Schäden ausschließlich auf das Erfüllungsinteresse bezögen, das aber mit dem Rücktritt untergehe.

Richtigerweise muss bei einem verzugsbedingten Rücktritt, der auf dem gesetzlichen Rücktrittsrecht des §323 fußt, eine Geltendmachung von Verzögerungsschäden möglich sein, da anderenfalls der pflichtvergessene Schuldner unbillig entlastet würde.

Gleiches geht nunmehr aus dem §325 BGB hervor, der die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen neben dem Rücktritt ausdrücklich vorsieht.

D. Kurzüberblick: Das gerichtliche Mahnverfahren

Bleiben die Mahnungen des Online-Händlers erfolglos, so kann er gerichtliche Schritte einleiten. Die schnellste und kostengünstigste Methode ist das gerichtliche Mahnverfahren, durch das der Händler bei Stattgabe des Mahngerichts einen vollstreckbaren Titel erlangt, mittels dessen die ausstehende Summe eingetrieben werden kann.

Ein gerichtliches Mahnverfahren sollte immer dann angestrebt werden, wenn

  • der Bestand der Forderung beweisbar ist,
  • mit Einreden des Schuldners nicht zu rechnen ist und
  • die Höhe der Forderung unstreitig ist

Liegen die Voraussetzungen kumulativ nicht vor, so sollte, um Zeit zu sparen, Klage auf die Leistung erhoben werden.

Um das gerichtliche Mahnverfahren zu bestreiten, muss zunächst ein Antrag auf Erlass des Mahnbescheides beim zuständigen Amtsgericht (das Mahngericht nach §688 ZPO) gestellt werden. Ein derartiger Antrag kann online unter https://www.online-mahnantrag.de gestellt werden.

Ergibt die gerichtliche Prüfung der formellen Antragsvoraussetzung dessen Zulässigkeit, so wird der Mahnbescheid erlassen und dem Schuldner zugestellt. Begleicht der Schuldner nach Zustellung innerhalb einer zweiwöchigen Frist die ausstehende Forderung und kommt für alle im Zusammenhang mit seinem Verzug geltend gemachten Schadensposten (inklusive der Gerichtskosten) auf, so wird das Mahnverfahren beendet.

Erfolgt dahingegen weiterhin keine Reaktion, so kann der Online-Händler als Gläubiger frühestens 2 Wochen und spätestens 6 Monate nach Zustellung des Mahnungsbescheides einen Vollstreckungsbescheid beantragen, der nach Eintritt der Rechtskraft nach einer zweiwöchigen Einspruchsfrist die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des säumigen Schuldners ermöglicht. Das Verfahren wird vorläufig beendet, wenn der Schuldner innerhalb der Einspruchsfrist zahlt.

E. Musterformulare

Um die teilweise komplexen inhaltlichen Vorgaben, die für ordnungsgemäße Mahnschreiben bzw. Zahlungserinnerungen zu beachten sind, plastisch zu machen, stellt die IT-Recht Kanzlei ihren Mandanten folgende Musterdokumente bereit, welche jeweils als Vorlagen übernommen werden können:

  • Erstes Mahnschreiben/Zahlungserinnerung
  • Zweites Mahnschreiben
  • Drittes/Letztes Mahnschreiben
  • Rücktrittserklärung

Die genannten Muster sind für Mandanten der IT-Recht Kanzlei hier abrufbar.

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1 Kommentar

H
HASLAUER OTHMAR 08.03.2018, 10:02 Uhr
HERR
HABE 1. MAHNUNG IN ÖSTERREICH BEZAHLT ES FOLGTEN ÜBER ANDERE KANZLEIN WEITERE FORDERUNGEN(2.VON DER SCHWEIZ UND 3. AUS DEUTSCHLAND-HABE ZAHLUNGSBELG BEIGEFÜGT)

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