Mobile Shopping – M-Commerce mit Recht? – Teil 4 – Eine kleine Rechtsprechungsübersicht

Mobile Shopping – M-Commerce mit Recht? – Teil 4 – Eine kleine Rechtsprechungsübersicht
01.10.2010 | Lesezeit: 8 min

Die Gesetze sind das eine, die Gerichte das andere. Was die Rechtsprechung zu den aktuellen Rechtsfragen im Bereich des M-Commerce sagt, dürfte den Online-Händlern überhaupt nicht schmecken. Lesen Sie dazu jetzt mehr im 26. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei über die rechtlichen Aspekte der Werbung im Internet.

Was die Gerichte sagen

Die Gesetze bestimmen die Regelen, die Gerichte sprechen Recht. Zum Abschluss der kleinen Serie zum Thema Mobile Shopping/M-Commerce gibt die IT-Recht Kanzlei einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zu dem Thema. Wie sehen die Gerichte die mit dem M-Commerce verbundenen rechtlichen Probleme? Wofür müssen Online-Händler tatsächlich rechtlich einstehen? Unter anderem diese Fragen waren bereits Inhalt gerichtlicher Entscheidungen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Das LG Köln vom 06.08.2009 (Az.:31 O 33/09)

Bereits Mitte 2009 hatte sich das LG Köln mit den „Kinderkrankheiten“ des M-Commerce / Mobile Shopping zu beschäftigen. Das Urteil zeigt exemplarisch, worin die rechtlichen Risiken für Händler tatsächlich zu sehen sind.

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Worum ging es genau?

Zwei konkurrierende Online-Händler boten bei Ebay ähnliche Produkte an. Eine Abmahnung des einen gegen den anderen wegen Verstößen gegen Verbraucherschutzvorschriften beim Verkauf von Produkten über das WAP-Portal von Ebay führte letztlich zum Streit vor Gericht. Das Grundproblem war, dass Ebay – wohl ohne Wissen der Online-Händler – die allgemein ins Ebay-Verkaufssystem eingestellten Artikel automatisch über das Ebay-WAP-Portal angeboten hatte. Bei einer technischen Umstellung des Ebay- WAP-Portals geriet einiges durcheinander, so dass die – in der Internet-Version von Ebay rechtlich einwandfrei dargestellten – Pflichtangaben im Sinne des im neuen WAP-Portal überhaupt nicht mehr oder zumindest nicht umfassend genug dargestellt wurden. Dies betraf u.a. die Belehrung über das Widerrufsrecht sowie die Impressumsangaben. Der letztlich klagende Händler nahm daraufhin seine Produkte aus dem entsprechenden Angebot bei Ebay (und somit auch aus dem Ebay-WAP-Portal)  raus und mahnte den anderen Händler, der dies nicht tat, ab. Daraufhin kam es zu dem Gerichtsstreit.

Was sagt das Gericht dazu?

Das Urteil ist in dreierlei Hinsicht interessant.

Die Verantwortlichkeit des Händlers

Zum einen betont das Gericht, dass jeder Händler selbst für das eigene Handeln und somit auch für den Verkauf seiner Produkte im Internet verantwortlich ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Händler einen eigenen Online-Shop (in Form einer eigenen Homepage) betreibt oder seine Produkte über eine fremde Plattform wie Ebay anbietet. In beiden Fällen haftet der Händler uneingeschränkt für die Einhaltung der rechtlich relevanten Vorschriften, insbesondere dem Verbraucherschutzrecht. Ein Verschulden des Händlers ist dabei irrelevant. Dies bedeutet, dass ein Händler auch dann wirksam abgemahnt werden kann, wenn er von den Rechtsverstößen gar nichts weiß oder wissen kann, weil er keine Kenntnis darüber hat, dass seine Produkte, die er an für sich nur bei der Internet-Version von Ebay zum Verkauf angeboten hat, automatisch von Ebay zusätzlich über das WAP-Portal angeboten werden. Insoweit gilt ein objektiver Maßstab des Wettbewerbsrechts. Somit ist ein Händler wettbewerbsrechtlich angreifbar, wenn er durch sein Handeln objektiv gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.

Auch Unmöglichkeit schützt vor Strafe nicht

Der Beklagte war der Meinung, er müsse auch deshalb nicht für den objektiven Wettbewerbsverstoß haften, weil er zu einer wettbewerbskonformen Präsentation seines ins Internet eingestellten Angebots wegen dessen automatischer Weiterleitung ins WAP-Portal nicht in der Lage gewesen sei. Hier zu intervenieren und einen rechtskonformen Zustand herbeizuführen, sei ihm unmöglich gewesen.
Das Gericht sah dies jedoch anders. Ob der der Unternehmer persönlich in der Lage sei, den an eine geschäftliche Handlung zu stellenden Erfordernissen nachzukommen, sei für die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unerheblich. Der Händler haftet somit allein deshalb, dass er seine Produkte bei Ebay eingestellt hat.

Kein missbräuchliches Verhalten der Konkurrenz

Aus allgemein wettbewerbsrechtlicher Sicht ist interessant, dass das Gericht die Hürde für sog. rechtsmissbräuchliches Verhalten recht hoch ansetzt. Nach § 8 Absatz 4 UWG ist die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände (rechts-)missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Genau dies hatte der beklagte Händler dem Kläger vorgeworfen. Der Beklagte war der Auffassung, der Kläger hätte sich aus dem rechtlich problematischen WAP-Portal zurückgezogen und dann die Chance genutzt, unliebsamen Konkurrenten zu schaden, indem er sie abmahnt. Das Gericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht. Es meinte, es erscheine vielmehr nachvollziehbar, dass der Kläger durch Abmahnungen und/oder gerichtliches Vorgehen gegen Dritte dafür Sorge getragen habe, dass sich auch seine Mitbewerber den gesetzlichen Vorgaben beugen und ebenso wie er verfahren würden.

Das OLG Hamm vom 20.05.2010 (Az.:I-4 U 225/09)

Wie bereits in einem früheren Artikel der Serie der IT-Recht Kanzlei zum Thema M-Commerce hatte sich in diesem Jahr das OLG Hamm mit der Thematik zu beschäftigen.

Worum ging es genau?

Der Fall scheint eine Fortsetzung der gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem LG Köln (siehe oben) – womöglich sogar mit den gleichen Parteien – zu sein. Im Zentrum stehen diesmal allerdings keine rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit dem WAP-Portal von Ebay, sondern der Ebay-App für Endgeräte des Herstellers Apple (etwa „Apple iPhone“). Da es in der Vergangenheit zu zahlreichen, von immer derselben Partei initiierten Rechtsstreitigkeiten (die Rede ist von insgesamt 14 Abmahnungen) gekommen ist, wirft die andere Partei dieser vor, rechtsmissbräuchlich zu handeln und ihr schaden zu wollen.
Daneben geht es inhaltlich (wie schon im Urteil des LG Köln, siehe oben) neben der Verantwortlichkeit von Händlern für ihre Angebote im Internet um die Frage, welche rechtlichen Anforderungen die Verbraucherschutzvorschriften an die Online-Händler stellen, wenn diese ihre Produkte über neue Verkaufsplattformen wie WAP-Portale oder Apps absetzen wollen.

Was sagt das Gericht dazu?

Die Haftung der Händler

Dazu äußerte sich das Gericht wie folgt:

„Die Antragsgegnerin (ein Online-Händler) haftet für das gegenüber den Nutzern der Apple Endgeräte gesetzwidrige Verhalten auch ohne Kenntnis von der Darstellung des Angebots. Wird ein auf einer Handelsplattform eingestelltes Angebot vom Betreiber der Plattform automatisch für den Abruf durch mobile Endgeräte optimiert und kommt es beim mobilen Abruf dazu, dass Pflichtangaben wie das Bestehen des Widerrufsrechts oder die Anbieterkennzeichnung nicht mehr angezeigt werden, so haftet der Anbieter des Angebots wettbewerbsrechtlich, ohne dass es seinerseits auf ein eigenes Verschulden ankäme. Eine unlautere Zuwiderhandlung setzt nämlich allein ein objektiv rechtswidriges Verhalten voraus. Das ist hier das Anbieten von Ware an Endverbraucher ohne Erteilung der erforderlichen Informationen. Auf die Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden Umstände wie die Art der Darstellung kommt es nicht (mehr) an. Die Haftung kann somit schon aus dem eigenen Handeln nämlich der Einstellung der Angebote bei F hergeleitet werden.“ (Tz. 41 des Urteils)

Verstoß gegen die verbrauchschutzrechtlichen Informationsvorschriften

Hierzu meinte das Gericht:

„Es liegt ein objektiv rechtswidriger Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG vor.

-    Endverbrauchern wird auf die beanstandete Weise Ware der Antragsgegnerin angeboten, ohne dass die Verbraucher vor Einleitung des Bestellvorgangs über ihr gesetzlich bestehendes Widerrufsrecht belehrt werden.

-    Außerdem werden sie nicht klar und verständlich über den Anbieter informiert. Der unter einem insoweit nicht aussagekräftigen Zeichen mögliche Link auf das Impressum der Antragsgegnerin genügt nicht, wie das Landgericht schon zutreffend ausgeführt hat.

-    Schließlich ist bei ihrer Preisangabe entgegen § 1 Absatz 2 der Preisangabenverordnung auch nicht zu erkennen, dass in dem Preis die Umsatzsteuer enthalten ist.“ (Tz. 40 des Urteils)

Kein Bagatellverstoß

Das Gericht sah zudem keinen – wettbewerbsrechtlich irrelevanten – Bagatellverstoß darin, dass die Verkaufsangebote auf den Apps nicht rechtlich einwandfrei angezeigt wurden. Hierzu führte das Gericht aus:

„Bei einem solchen Verstoß gegen maßgebende Verbrauchervorschriften steht auch die Spürbarkeit der Beeinträchtigung im Sinne des § 3 Absatz 1 UWG nicht in Frage. Es ist gerade Sinn der Ausweitung der F-Angebote, dass auch die beliebten Apple-Endgeräte von Verbrauchern zum sofortigen Kauf benutzt werden. Diesen werden dann wesentliche Schutzrechte vorenthalten.“ (Tz. 46 des Urteils)

Fazit

Aus den beiden Entscheidungen des LG Köln und des OLG Hamm geht deutlich hervor, dass Online-Händler im Zuge der technischen Weiterentwicklung der Möglichkeiten des Verkaufs von Produkten im Internet einem nicht unerheblichen rechtlichen Risiko ausgesetzt sind. Sie haften alleine deshalb, weil sie Produkte im Internet anbieten, unabhängig davon, ob sie wissen oder es beeinflussen können, dass der Betreiber der Plattform, über den sie ihre Produkte ihren Kunden anbieten (z.B. Ebay) die zwingenden Gesetze einhält oder ein Einhalten dieser Gesetze überhaupt (technisch) möglich ist.

Online-Händler sollten daher dringend beobachten und kontrollieren, in welcher Form und in welchem Rahmen ihre Produkte angeboten werden, wenn sie die Produkte über eine fremde Plattform verkaufen. Sollten Händler dabei Rechtsverstöße feststellen, so müssen sie abwägen: wollen sie jedes rechtliche Risiko vermeiden, müssen sie die Produkte aus dem entsprechenden rechtlich problematischen Shop bzw. der Plattform abziehen, d.h. den Verkauf darüber stoppen; wollen sie zur Avantgarde des technischen Fortschritts gehören und ihre Produkte trotz des rechtlichen (insbesondere Abmahn-)Risikos weiterhin dort anbieten, sollten sie wenigstens bei den entsprechenden Plattformbetreibern (wie z.B. Ebay) darauf hinwirken, dass die Plattform an die Gesetzeslage angepasst werden.

Den 27. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei zu den rechtlichen Aspekten der Werbung im Internet können Sie voraussichtlich am 8.10.2010 an dieser Stelle lesen!

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle:
© isyste - Fotolia.com

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