Lizenzüberprüfung, deren Zweck sowie deren vertragliche und gesetzlichen Grundlagen - (Teil 1 der Serie zum IT-Lizenzmanagement)

Lizenzüberprüfung, deren Zweck sowie deren vertragliche und gesetzlichen Grundlagen - (Teil 1 der Serie zum IT-Lizenzmanagement)
von Matthias Petzold
17.05.2011 | Lesezeit: 6 min

Der 1. Teil der neuen Serie der IT-Recht Kanzlei zum Thema Lizenzüberprüfung beschäftigt sich mit dem Zweck einer Lizenzüberprüfung sowie den vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen des Software-Audits. Darüber hinaus befasst sich dieser Teil mit der rechtlichen Wirksamkeit vertraglicher Standard-Auditklauseln und dem Regelungsinhalt von Klauseln zur Lizenzüberprüfung.

I. Definition und Zweck

Bei einem Software-Audit handelt es sich um eine Lizenzüberprüfung nach Nutzungsumfang und Nutzungsintensität der im Unternehmen genutzten Softwarelizenzen, d.h. einer Überprüfung, ob die tatsächliche Nutzung der Lizenzen auch mit der vertraglich vereinbarten Nutzung übereinstimmt.
Der Grund für die Durchführung einer Lizenzüberprüfung ist in der Regel die Aktualisierung des Lizenzbestandes sowie die Ermittlung der tatsächlichen Nutzung und des Lizenzbedarfs.

Empfehlung für die Praxis:
Um bei einer Lizenzüberprüfung kein rechtliches (Urheberrechtsverletzung gemäß § 69 a UrhG) und wirtschaftliches (Nachbudgetierung und Nachzahlung von Lizenzgebühren wegen Unterlizensierung, Vermeidung unnötiger Kosten bei Überlizensierung) Fiasko erleben zu müssen, ist zwingend Voraussetzung, dass in den Unternehmen ein funktionierendes Lizenzmanagement existiert.

II. Vertragliche und gesetzliche Grundlagen

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt keine allgemeine Auskunftspflicht über die Nutzung der im Unternehmen genutzten Softwarelizenzen.

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1. Vertragliche Grundlagen

Die Softwarehersteller vereinbaren daher in ihren Lizenzverträgen vertragliche Lizenz-Audit-Klauseln, nicht nur um aus Sicht der Softwarehersteller bei konkreten Anlässen, d.h., wenn Anhaltspunkte für einen Lizenzverstoß vorliegen, sondern auch um anlassunabhängig Auskünfte einzuholen und Lizenzüberprüfungen bei Unternehmen vornehmen zu können.

Ein Beispiel einer vertraglichen Standard-Audit-Klausel  in einem Standard-Lizenzvertrag eines größeren Softwareherstellers ist:

„Der Softwarehersteller darf  Ihre Nutzung der Programme prüfen („Audit“), vorausgesetzt, der Softwarehersteller kündigt die Prüfung 45 Tage im Voraus schriftlich an. Sie verpflichten sich, bei dem Audit des Softwareherstellers behilflich zu sein, den Softwarehersteller in angemessenem Rahmen zu unterstützen und dem Softwarehersteller hinreichenden Zugang zu Informationen zu gewähren. Zudem verpflichten Sie sich, gegebenenfalls zu wenig bezahlte Gebühren innerhalb von 30 Tagen nach schriftlicher Aufforderung nachzuentrichten. Wenn die Zahlung nicht erfolgt, ist der Softwarehersteller berechtigt, Ihre Technische Unterstützung, Ihre Lizenzen sowie diesen Vertrag außerordentlich zu kündigen. Sie erklären sich damit einverstanden, dass der Softwarehersteller nicht für Kosten einzustehen hat, die Ihnen durch die Mithilfe bei einem Audit entstehen.“

1.1. Rechtliche Wirksamkeit vertraglicher Standard-Auditklauseln

Eine vertragliche Standard-Auditklausel könnte nach den Regelungen zur Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff  BGB insbesondere dann unwirksam sein, wenn diese nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Vertragspartner des Verwenders, also den Lizenznehmer, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Empfehlung für die Praxis:
Ob eine solche unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt und die Auditklausel damit evtl. unwirksam ist, sollte bei Verwendung eines Standard-Softwarelizenzvertrages des Softwarehersteller geprüft werden:  
Beinhaltet die Auditklausel beispielsweise keine angemessenen Regelungen über angemessene Fristen zur Anmeldung des Audits, zur Durchführung des Audits zu den üblichen Geschäftszeiten des Lizenznehmers, zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Lizenznehmers und zur Wahrung der Vertraulichkeit und zur Beachtung des Datenschutzes.

1.2. Regelungsinhalt von  Auditklauseln

Da grundsätzlich allgemein anerkannt ist, dass die Softwarehersteller ein berechtigtes Interesse daran haben, den Nutzungsumfang und die Nutzungsintensität der in den Unternehmen der Lizenznehmer eingesetzten  Softwarelizenzen zu überprüfen, und auch in der Regel darauf bestehen, dass Regelungen zum Lizenz-Audit Bestandteil eines Softwarelizenzvertrages sind, wird empfohlen, die den Lizenznehmern gegebenen Möglichkeiten zu nutzen und den Regelungsinhalt der Auditklausel so zu verhandeln, dass  die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Lizenznehmer gewahrt werden.

Empfehlung für die Praxis:
Regelungsinhalt von Audit-Klauseln sollte, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, insbesondere sein:

-    eine angemessene Ankündigungsfrist;
-    eine Durchführung zu den üblichen Geschäftszeiten des Lizenznehmers;
-    die Dauer, Umfang und Anzahl (bspw. höchstens einmal pro Jahr) des Lizenz-Audits;
-    die Festlegung der Auditoren, wie Lizenzgeber,  Partner des Lizenzgebers, Wirtschaftsprüfer, Lizenzmanagement-Unternehmen;
-    die Konkretisierung der Prüfungsinhalte;
-    die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Lizenznehmers;
-    die Wahrung der Vertraulichkeit und Datensicherheit des Lizenznehmers;
-    die Geheimhaltung der Audit-Ergebnisse;
-    die Übernahme der Kosten;
-    die Haftung des Auditors für potentielle IT-Performanceprobleme sowie
-    die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Über- und Unterlizensierung.

2. Gesetzliche Grundlagen

2.1. Zivilrechtlicher Anspruch auf  Auskunft und Besichtigung

Nach § 809 BGB kann derjenige, der gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.

Da die Anwendbarkeit des § 809 BGB auf dem Gebiet des geistigen Eigentums grundsätzlich unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (BGH, Urteil vom 02.05.2002, GRUR 2002, 1046 sog. Faxkartenentscheidung) anerkannt ist, könnte dem Softwarehersteller, um eine Verletzungen seines Urheberrechts feststellen zu können, danach ein Besichtigungsanspruch zur Feststellung einer Urheberrechtsverletzung (beispielsweise wegen Unterlizensierung) gegen den Lizenznehmer zustehen.

Da die Tatbestandsvoraussetzungen  gemäß §§ 809, 242 BGB nach der Rechtsprechung gewissen Einschränkungen unterliegen, wie, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit bzw. Anzeichen für eine  Urheberrechtsverletzung vorliegen müssen, das Geheimhaltungsinteresse des Lizenznehmers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, kann ein Anspruch des Softwareherstellers nach §§ 809, 242 BGB auf Besichtigung, etwa von Datenträgern und Hardware, nur in Einzelfällen in Betracht kommen.

Darüber hinaus ist in der Literatur strittig, ob durch die Vorschrift von § 809 BGB auch das Vorlegen von Lizenznachweisen, Lizenzverträgen und Rechnungen abgedeckt ist.

Unstrittig erscheint jedoch, dass dem Softwarehersteller nach diesen gesetzlichen Regelungen kein Ausforschungs- und Durchsuchungsanspruch zusteht.

Selbst, wenn die bisherige „sondergesetzliche“ Normierung des § 809 BGB, die – wie oben ausgeführt -  durch die BGH-Rechtsprechung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gewissen Einschränkungen unterliegt, durch die Neufassung des § 101 a UrhG (Anspruch auf Vorlage und Besichtigung) mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung des  geistigen Eigentum zum 01.09.2008  (sog. Durchsetzungsgesetz) präzisiert wurde, bleibt im Ergebnis festzustellen, dass aus Sicht des Softwareherstellers die Vereinbarung einer vertraglichen Audit-Klausel unverzichtbar ist, wenn er seinen Anspruch auf eine Lizenzüberprüfung wegen einer (potentiellen) Urheberrechtsverletzung durch den Lizenznehmer durchsetzen möchte.

2.2 Selbständiger Drittauskunftsanspruch

Der selbständige Drittauskunftsanspruch nach § 101 UrhG (im Gegensatz zum akzessorischen Auskunftsanspruch zur Bezifferung eines Schadensersatzanspruches nach § 242 BGB) ist auf Grundlage von Art. 8 der Enforcement-Richtlinie (2004/48/EG) vom 29.04.2004 (sog. EU-Durchsetzungs-Richtlinie) in Anlehnung an Art. 47 (Recht auf Auskunft) der Internationalen Vereinbarung über Immaterialgüterrechte (TRIPS) mit der Einführung des Durchsetzungsgesetzes zum 01.09.2008 in Kraft getreten.

Nach § 101 Abs. 1 UrhG kann derjenige, der in gewerblichen Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt (Anmerkung: objektiv rechtswidriges Verhalten reicht aus), von dem Verletzten unverzügliche Auskunft (Anmerkung: siehe § 121 BGB) über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.

Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 101 Abs. 2 UrhG besteht bei offensichtlicher Rechtsverletzung auch ein Anspruch gegen den Nichtverletzer (Anmerkung: insoweit sind grundsätzlich Internetprovider gemeint).

In § 101 Abs. 3 UrhG ist der Umfang der Auskunftspflicht, wie Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke, die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke sowie über die Preise, geregelt.

§ 101 Abs. 4 UrhG enthält einen Hinweis auf den allgemeinenVerhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 101 Abs. 5 UrhG normiert eine Schadensersatzpflicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässig erteilter falscher oder unvollständiger Auskunft. 

Der Ordnung halber wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Ausführungen, die  in erster Linie einen Überblick und Empfehlungen für die Praxis bei Durchführung einer Lizenzüberprüfung geben sollen, auf ein Eingehen der Regelungen von § 101 Abs. 6 bis 10 UrhG  verzichtet wird.

Da auch § 101 UrhG nach seinem Regelungsinhalt nicht vollumfänglich den Interessen der Softwarehersteller gerecht wird, werden die Softwarehersteller auch weiterhin auf die Vereinbarung von vertraglichen Software-Audit-Klauseln drängen.

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