Erleuchtende Werbung? Zur Irreführung bei Lieferfristen
Die Angabe von falschen Lieferfristen ist ein „Klassiker“ unter den Abmahn-Fallen. Das musste dieses Jahr wieder ein Onlinehändler feststellen, der Beamer-Lampen mit einer recht kurzen Lieferfrist bewarb, obwohl die Lampen zu dieser Zeit gar nicht erhältlich waren. Wieso man solche Werbeaktionen besser bleiben lässt und wie man Abmahnungen vermeidet, arbeitete das Landgericht Hamburg in seinem Urteil sehr schön heraus.
Inhaltsverzeichnis
Vorspiel
Die Parteien des Streits sind beide Onlinehändler, die Unterhaltungselektronik und entsprechendes Zubehör vertreiben. Der eine Händler bewarb Ende Dezember 2008 im Internet eine Beamer-Lampe als lieferbar innerhalb von 2-4 bzw. 5-7 Tagen, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt Zugriff auf die entsprechenden Lampen zu haben.
Die selbst gestellte Abmahn-Falle schnappte auch prompt zu: Der Konkurrent orderte zur gleichen Zeit im Rahmen eines Testkaufs eben eine solche Lampe, erhielt jedoch nach der Kaufbestätigung eine E-Mail, die die Lieferung für Ende Februar 2009 in Aussicht stellte – was mithin einer Lieferfrist von gut zwei Monaten (!) entspricht. Der vertröstete Händler mahnte seinen Konkurrenten daraufhin wegen irreführender Werbung ab.
(Juristisches) Nachspiel
Der Fall landete schließlich vor Gericht, wo der abgemahnte Händler erfolglos versuchte, sich auf eine „vorübergehende Lieferschwierigkeit“ herauszureden, blieb in seiner Verteidigung letztlich jedoch erfolglos. Das LG Hamburg stellte in seinem Urteil (12.05.2009, Az. 312 O 74/09) fest:
„Die Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung durch unwahre und irreführende Angaben über die Lieferbarkeit liegen vor. Die Antragsgegner haben u. a. in ihrem Online-Shop eine Beamer-Lampe als lieferbar beworben, obwohl diese Lampe zu diesem Zeitpunkt bei dem Lieferanten nicht vorrätig war und auch nicht innerhalb der ausgelobten Fristen hätte geliefert werden können.“
Das Gericht ging in seinem Urteil auch näher darauf ein, unter welchen Umständen eine Werbung mit Lieferfristen irreführend ist:
„Irreführend i. S. d. 5 Abs. 1 Nr. 1, 5 a Abs. 3 Nr. 4, 3 Abs. 3 i. V. m. Anhang Nr. 5 UWG ist eine Werbung, wenn die Ware nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten wird. Welche Nachfrage zu erwarten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, wie ein verständiger Unternehmer in der konkreten Situation des Werbenden die Nachfrage einschätzen würde. Dem Unternehmer ist insoweit ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen […]. In welchem Umfang bevorratet werden muss, d. h. wie viele Tage der Vorrat normalerweise reichen muss, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab. Reicht der Vorrat noch nicht einmal für zwei Tage, kann der Händler gleichwohl die Angemessenheit seiner Vorratshaltung darlegen. Er muss dazu nachvollziehbare Gründe dartun, die eine geringere Bevorratung rechtfertigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Verbraucher eine gewisse Vorstellung von den Schwierigkeiten der Disposition haben und sich nicht irregeführt fühlen, wenn eine Ware wider Erwarten schneller abverkauft ist […].“
Gleichzeitig zeigt das Gericht jedoch auch auf, wie eine solche Irreführung bezüglich Lieferfristen vermieden werden kann:
„Der Vorwurf der Irreführung kann z. B. dadurch ausgeräumt werden, dass der Händler angemessen disponiert hat, dann aber der Vorrat wegen einer unerwartet hohen Nachfrage doch nicht gereicht hat […], oder dadurch, dass unvorhergesehene, vom Händler nicht zu vertretende Lieferschwierigkeiten eingetreten sind. Solche Umstände muss der Händler allerdings substantiiert darlegen, etwa den genauen zeitlichen Ablauf der maßgeblichen Ereignisse, aus denen sich ergibt, dass die Nichtbelieferung durch den Hersteller für ihn überraschend und unvorhersehbar war und die Werbemaßnahme auch nicht mehr rechtzeitig abgesagt werden konnte […]. Ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann, macht dabei keinen Unterschied. […]
Zwar ist […] anzuerkennen, dass nicht in jeder Fehlleistung des Unternehmers im Hinblick auf die Lieferbarkeit notwendig eine Irreführung des Verkehrs zu sehen ist, selbst wenn dem ein Dispositionsfehler des werbenden Unternehmens zugrunde liegt. Dass es jedenfalls bei dem Angebot einer Vielzahl von Artikeln fast unvermeidlich zu vereinzelten Fehlleistungen kommen kann, ist offensichtlich. Da dies auch den von der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen nicht unbekannt ist, kann diesen nicht schlechthin unterstellt werden, sie entnähmen in derartigen Fällen der Werbung eine generelle Aussage dahin, auch einzelne Fehlleistungen seien ausgeschlossen. Vielmehr müssen auch insoweit die Umstände des jeweiligen Falles in Betracht gezogen werden […].“
Dabei erkannte das Gericht auch an, dass dieses Thema gerade im Onlinehandel mit einigen Schwierigkeiten einhergeht:
„Bei der Werbung für einen Versand im Internet erwartet der Verbraucher in der Regel jedoch, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anders lautender Angaben mithin die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware. Die Rücksichtnahme auf diese Erwartung des Verkehrs belastet den Unternehmer, der einen Versandhandel betreibt und sein Warenangebot im Internet bewirbt, nicht in unzumutbarer Weise. Es bleibt ihm unbenommen, durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen. […]
Der von der Werbung der Antragsgegner angesprochene Durchschnittsverbraucher geht dementsprechend zumindest bei den im eigenen Online-Shop zum Verkauf beworbenen elektrischen Artikeln grundsätzlich von einer tagesaktuellen Lieferbarkeit und tagesaktuellen Lieferfristen der beworbenen Waren aus. Wird eine Lieferfrist angegeben, dann erwartet der Verbraucher mithin, dass die Ware innerhalb der angegeben Frist bei ihm eingeht.“
Fazit
Zwar war dem betroffenen Onlinehändler in diesem Fall nicht mehr zu helfen, zumindest jedoch hat dieses Urteil erneut ein wenig Licht ins Dunkel des Werbe- bzw. Wettbewerbsrechts gebracht. Wie die Vorschläge des Gerichts sinnvoll umzusetzen sind, bleibt natürlich eine Frage des Einzelfalls; allen Onlinehändlern ist jedoch dringend anzuraten, nur mit solchen Lieferfristen an die Öffentlichkeit zu treten, die in der Praxis – von einzelnen, unverschuldeten „Ausreißern“ einmal abgesehen – auch tatsächlich umsetzbar sind.
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