LG München I: "Preis auf Anfrage" wettbewerbswidrig bei detaillierten Produktpräsentationen
Grundregel: Wer Waren im Internet anbietet, hat auch Preise anzugeben (§ 1 Abs. 1 PAngV) . Aber was gilt in folgendem Fall: Eine Internetplattform ermöglicht die Konfiguration von Möbeln - etwa indem mehrere Parameter wie Farbe, Größe, Material ausgewählt werden können. Ist dem potenziellen Käufer nun - abhängig von Art der Konfiguration - der jeweils geltende Preis zwingend unmittelbar anzuzeigen oder reicht die zeitversetzte Mitteilung des Preises für das konfigurierte Möbelstück aus ("Preis auf Anfrage")? Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich erst kürzlich das LG München I (Urteil vom 31. März 2015 – Az. 33 O 15881/14).
I. Um was ging es im konkreten Fall?
Ein Unternehmer betrieb neben einem stationären Möbelgeschäft auch eine Internetseite. Der Besucher konnte dort unter verschiedenen Herstellern bzw. Marken ein Möbelstück auswählen, das sich in mehreren Schritten nach Model, Typ, Material, Farbe, Größe, usw. konfigurieren ließ. Wurden die einzelnen Konfigurationsschritte durchlaufen, musste der Besucher den Button "Artikel zu meiner Auswahl hinzufügen" betätigen und in dem mit "PREISANFRAGE" überschriebenen Feld seinen Namen und seine E-Mail Adresse eintragen sowie den Button "Angebot anfordern" anklicken.
Der Unternehmer erklärte diese Praxis wie folgt:
- Er stelle den am Erwerb von individuell zusammengestellten Möbeln und Einrichtungsgegenständen Interessierten lediglich eine Konfigurationsplattform zur Verfügung. Dem Besucher der Homepage werde eine Detailkonfiguration von Möbeln von einem Bildschirmarbeitsplatz aus ermöglicht, ohne dass er sich in ein Möbelhaus begeben müsse. Der Interessent könne sich dadurch einen detaillierten Überblick über die schier grenzenlosen Konfigurationsmöglichkeiten verschaffen, wobei er, anders als bei einem Besuch im Möbelhaus, anonym bleibe und keinem Einfluss des Verkaufspersonals ausgesetzt sei. Der Besucher der Homepage entscheide am Ende des Konfigurationsvorgangs, ob er diesbezüglich eine Anfrage an die Beklagte richten und diese zur Abgabe eines konkreten Angebots auffordern wolle.
- Habe der potenzielle Kunde die bei der Bestellung individuell zusammengestellten Möbelstücke zwingend notwendige Modell-Konfiguration abgeschlossen, so müsse er seinen potenziellen Verkäufer zur Preisbildung und Preisbenennung auffordern. Dementsprechend fordere die Beklagte den Besucher ihrer Homepage auf, sein Konfigurationsergebnis mitzuteilen, so dass die Beklagte ihm ein konkretes Angebot erstellen könne. Da die Beklagte nun erst ihrerseits die Liefermöglichkeiten der Industrie abklären und ihren eigenen Einkaufspreis ermitteln müsse, verginge eine gewisse Zeit, bis dem Anfragenden ein konkretes Angebot unterbreitet oder eine Absage erteilt werde.
Er argumentierte in rechtlicher Hinsicht, dass die Einräumung einer Konfigurationsmöglichkeit kein "Anbieten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV sei. Es handele sich vielmehr um eine Art "Spielzeug" für die am Erwerb eines individuell zusammengestellten Möbelstücks interessierten Personen, das dazu diene, sich überhaupt erst einen Überblick über das vielfältige Angebot zu verschaffen. Sämtliche in der Klage beschriebenen Konfigurationsmöglichkeiten würden lediglich eine Vorstufe eines "Anbietens" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV darstellen, denen allenfalls die Qualität einer Werbung zukomme.
II. Entscheidung des Gerichts
Nach Auffassung des LG München I stellt die oben beschriebene Geschäftspraxis einen Verstoß gegen § 1 Abs.1 PAngV dar. So gehe es vorliegend nicht nur um bloße Werbung - vielmehr sei von einem Angebot i.S.d. § 1 Abs. 1 PAng V auszugehen. Bei einem Angebot wiederum sei auch zwingend der jeweils geltende Gesamtpreis darzustellen.
Im Einzelnen:
1. Rechtlicher Ausgangspunkt
Der rechtliche Ausgangspunkt ist § 1 Abs. 1 S. 1 der PAngV (Preisangabenverordnung):
"Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise)."
2. Begriffsbestimmung: "Angebot"
Das LG München I ging zunächst genauer auf den Begriff des "Anbietens" ein:
"Der Begriff des "Anbietens" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst nicht nur Vertragsangebote im Sinne von § 145 BGB, sondern darüber hinaus jede Erklärung eines Unternehmers, die vom Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot verstanden wird, soll sie auch noch rechtlich unverbindlich sein. Die Erklärung muss gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtet sein. Maßgeblich ist also, ob die Ankündigung ihrem Inhalt nach so konkret gefasst ist, dass sie nach Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zulässt. Der Begriff des Anbietens von Waren gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst dabei jede gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtete werbliche Ankündigung und entspricht dem Begriff der "Aufforderung zum Kauf" gem. Art. 7 Abs. 4 der UGP-RL bzw. dem Begriff des "Angebots" in § 5 a Abs. 3 UWG. "
3. Argumente des LG München I für das Vorliegen von Angeboten (und nicht bloßer Werbung)
Wie folgt argumentiert das Gericht:
a. Konkrete Preisangaben für Angeboten nicht zwingend
Keineswegs könne nur dann von Angeboten i.S.d. § 1 Abs. 1 PAngV ausgegangen werden, wenn konkrete Preisangaben getätigt werden. Dies ergäbe sich aus dem Wortlaut von Art.1 der PreisangabenRL sowie Ziff. 6 der Erwägungsgründe zur PreisangabenRL.
So heißt es in Ziff. 6 der Erwägungsgründe zur PreisangabenRL: "Die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, trägt merklich zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen." In Ziff. 7 der Erwägungsgründe wird weiter ausgeführt: "Es sollte daher allgemein vorgeschrieben werden, für sämtliche Erzeugnisse sowohl den Verkaufspreis als auch den Preis je Maßeinheit anzugeben; ausgenommen sind Waren, die in losem Zustand zum Verkauf angeboten werden, da hier der Verkaufspreis nicht festgelegt werden kann, bevor der Verbraucher die gewünschte Menge angibt."
b. Detailliert dargestellte Produktpräsentationen in der Regel Angebote
Im vorliegenden Fall führe die von dem Unternehmer auf seiner Internetseite detailliert dargestellten Produktpräsentationen, verbunden mit der Bewerbung, dass diese "zum günstigsten Preis" erhältlich seien, dazu, die angesprochenen Verbraucher zu einer Preisanfrage unter Angabe ihrer Kontaktdaten zu veranlassen.
Dies sei vergleichbar mit dem Fall, dass ein Händler in seinem Schaufenster Waren ohne Preisangabe auslegt und den angesprochenen Verkehr hierdurch zum Betreten seines Geschäfts veranlasst. In beiden Fällen trifft der Verbraucher - so das Gericht - eine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Art. 2 k) der UGP-Richtlinie, wenn er sich dazu entschließt, sich in den Einflussbereich des anbietenden Unternehmers zu begeben, vorliegend indem er unter Angabe von persönlichen Daten, Kontakt mit dem Unternehmer aufnimmt.
Um diese geschäftliche Entscheidung - Kontaktaufnahme mit der Beklagten - zu treffen, sei der angesprochene Verkehr durch die Produktdarstellung hinreichend informiert - weitergehender Informationen über den Preis bedürfe es für eine solche geschäftliche Entscheidung nicht.
Dies trage auch dem Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung Rechnung. Denn diese ziele darauf ab, die Anbahnung des gesamten geschäftlichen Verkehrs mit dem privaten Letztverbraucher zu erfassen (vgl. Harte/Henning, Kommentar zum UWG, 3. Auflage 2013, § 1 PAngV Rdnr. 2). Wer Letztverbrauchern Waren anbiete, könne sich danach zur Angabe des Endpreises auch nicht durch einen Hinweis, wie "Preis auf Anfrage" entziehen. Werde der Kunde - wie hier-, wenn auch rechtlich unverbindlich, tatsächlich aber schon gezielt, auf den Erwerb einer Ware angesprochen, läge ein "Anbieten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV vor. Die Webseite der Beklagten stelle sich aus Sicht des angesprochenen Verkehrs als ein geschäftlicher Auftritt dar, der bereits gezielt auf den Verkauf bestimmter Ware gerichtet sei
III. Fazit
Gesamtpreise sind immer dann unmittelbar anzugeben, wenn „Angebote“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV gemacht werden.
Nach Auffassung des LG München I ist auch von einem Angebot auszugehen, wenn Internetbesuchern auf einer Internetplattform Informationen zu Produkten zur Verfügung gestellt werden, welche sie zu einer geschäftlichen Entscheidung bewegen können, wie z.B. zur Entscheidung
- das Geschäft zu betreten oder
- unter Angabe persönlicher Daten den Kontakt mit dem Händler aufzunehmen.
Wer ein solches Angebot gemacht hat, kann sich danach seiner Pflicht zur Angabe des Endpreises nicht einfach durch einen Hinweis,wie "Preis auf Anfrage" entziehen - so das LG München I.
Vielmehr benötige nach dem Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung der Verbraucher die Preisangabe bereits dann, wenn er sich mit dem Angebot näher befasst, so dass es nicht ausreichend ist, wenn er erst durch Angabe seiner persönlichen Daten eine entsprechende E-Mail der Beklagten anfordern muss, um sich über den Preis zu informieren.
Update: Kommentar der IT-Recht Kanzlei
Die Entscheidung des LG München I schafft ein Dilemma für Händler, die „konfigurationsbedürftige“ Waren in ihrem Sortiment haben und an Letztverbraucher verkaufen.
Ist der Händler dabei vor der Erstellung eines konkreten Angebots auf Input seitens des Lieferanten bzw. des Herstellers angewiesen, etwa hinsichtlich der Verfügbarkeit oder des konkreten Kombinations- bzw. jeweiligen Tagespreises, kann dieser in aller Regel nicht mittels einer Echtzeitkalkulation arbeiten. Dann ist es dem Händler nicht möglich, dem Interessenten bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dessen Konfigurationsvorgang den Gesamtpreis der zusammengestellten Ware zu nennen.
Diese fehlende Preisangabe stellt dann nach der Ansicht des LG München I regelmäßig einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß dar, der auch nicht dadurch „geheilt“ werden kann, dass dem Interessenten diese Preisangabe – zeitlich verzögert – auf Anfrage nachgeliefert wird.
Sofern die Ansicht des LG München I Schule macht, wird es künftig nahezu unmöglich sein, Waren mit komplexen Konfigurationsmöglichkeiten rechtssicher zu präsentieren. Mit der Begründung des LG München I verwischt die Grenze zwischen bloßer Werbung für eine Ware und dem „Anbieten“ einer Ware im Sinne der PAngV.
Die fehlende Nennung des Preises – als wohl wesentlichstem Kriterium für eine informierte Verbraucherentscheidung – ist nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei ein geeignetes Kriterium, bloße Werbung für eine Ware sauber von einem „Anbieten“ einer solchen Ware im Sinne der PAngV abzugrenzen. Wird kein Preis genannt, ist jedermann klar, dass erst noch eine weitere Hürde – nämlich die Bestimmung des Preises – zu nehmen ist, bevor es zu einem Abschluss des Geschäfts kommen kann. Ein Interessent kann also gerade nicht davon ausgehen, dass er nur noch „Ja“ sagen muss, damit das Geschäft zustande kommt.
Das Gericht stellt hier angebliche Verbraucherinteressen über berechtigte Unternehmerinteressen und verkennt, dass dadurch im Ergebnis dem durch die Möglichkeiten des Internets mittlerweile gegebenem hohen Niveau der Preistransparenz sogar geschadet werden wird. Können solch komplexe Warenkonfiguratoren mit dem LG München I nicht mehr rechtssicher betrieben werden, wird die Konfiguration künftig – wie in früheren Zeiten – wieder telefonisch oder per Email erfolgen müssen. Dies verzögert die Preisfindung nur noch weiter nach hinten und schafft zusätzlichen Aufwand und Kosten sowohl für Verbraucher, als auch Unternehmer.
Das Gericht verlangt hier vom Händler etwas, was er in der Regel schlicht nicht leisten kann. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte dargetan, dass es ihr schlicht unmöglich ist, die geforderten Angaben zum geforderten Zeitpunkt zu tätigen.
Der Entscheidung des LG München I kann nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei nur dadurch begegnet werden, indem bereits bis zum Abschluss des Konfigurationsvorgangs der Gesamtpreis der konfigurierten Ware angezeigt wird, oder – sollte dies wie so oft - nicht möglich sein der Konfigurationsvorgang schlicht nicht abgeschlossen werden kann, bis der Händler die entsprechende Bestätigung vom Lieferanten bzw. Hersteller hat.
In letzterem Falle sollte der Händler den Interessenten gut sichtbar bereits vor bzw. spätestens bei Einleitung des Konfigurationsvorgangs darauf hinweisen, dass er in jedem Fall zunächst mit dem Lieferanten bzw. Hersteller Rücksprache halten muss, ob die Ware in der konfigurierten Gestalt überhaupt geliefert werden kann bzw. derzeit verfügbar ist. Vor Beendigung des Konfigurationsvorgangs sollte dem Interessenten dann mittels deutlichem „Warnhinweis“ angezeigt werden, dass der Händler hier erst noch mit dem Lieferanten bzw. Hersteller Rücksprache halten muss, um klären zu können, ob die Ware nach den Wünschen des Verbrauchers konfiguriert werden kann und auch lieferbar ist. Sollte der Verbraucher eine solche Klärung wünschen, müsste im Konfigurator eine entsprechende Funktion vorhanden sein, diese Anfrage zu veranlassen und der Hinweis erscheinen, dass der Verbraucher im Zeitraum X eine Rückmeldung vom Händler erhält, und anhand dieser Rückmeldung der Konfigurationsvorgang abgeschlossen werden kann (z.B. durch Mitteilung eines Konfigurationscodes oder eines Links).
Im Rahmen dieser Mitteilung muss dem Interessenten zugleich der Gesamtpreis der Ware genannt werden und dieser auch in den – erst dann abschließbaren – Konfigurationsvorgang eingespielt werden.
Dies führt einen – meist mittels erheblichen Aufwands programmierten und aktuell gehaltenen Konfigurator – natürlich in gewisser Weise ad absurdum.
Die – zugegebenermaßen praxisfremde – Ansicht des LG München I, dass ein „Anbieten“ im Sinne der PAngV regelmäßig auch dann vorliegt, wenn gar kein Preis als „essentiale negotium“ für die dargestellte Ware genannt wird dürfte dann jedenfalls nicht gegen den Händler verwendbar sein, wenn im Rahmen der „Konfiguration“ noch gar nicht feststeht, ob diese „Konfiguration“ überhaupt möglich ist, also die Ware wie angedacht überhaupt geliefert werden kann.
Steht neben dem Preis auch die Beschaffenheit der Ware nicht fest, dürfte auch das LG München I kaum zu der Ansicht gelangen, dass damit bereits eine Ware im Sinne der PAngV „angeboten“ wird.
Damit dreht sich der Händler gewissermaßen im Kreis, verschafft sich jedoch Luft, die geforderten Angaben liefern zu können.
Hüten sollten sich Händler dann natürlich zudem vor reißerischen Angaben wie „Bestpreis“ oder „günstigster Preis bei uns garantiert“, da dadurch in Bezug auf das Preiskriterium bereits eine Aussage getroffen wird, der Verbraucher zudem in besonderer Weise angelockt und damit ein gesteigertes Interesse an einer (zeitnahen) Vergleichsmöglichkeit in Bezug auf den tatsächlichen Gesamtpreis der so beworbenen Ware hat.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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