LG München I: Kein absolutes Kopplungsverbot bei Shop-Registrierung und Newsletter-Anmeldung

LG München I: Kein absolutes Kopplungsverbot bei Shop-Registrierung und Newsletter-Anmeldung
Stand: 25.04.2024 8 min

Im Online-Handel sorgt die Kopplung von Vertragsschluss und Newsletter-Anmeldung oft für Unsicherheit beim Datenschutz. Laut dem gesetzlichen Kopplungsverbot gilt eine Zustimmung als unfreiwillig, wenn eine Leistung (bzw. Vertragsschluss) an die Erteilung einer Einwilligung gekoppelt wird, welche für den eigentlichen Verarbeitungszweck nicht erforderlich ist. Welche praktische Bedeutung hat das Kopplungsverbot und wie bewerten Gerichte dieses Verbot? Ein neues Urteil des LG München gibt Aufschluss.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde?

Beklagte im Verfahren vor dem LG München I war eine Online-Shop-Betreiberin für preisreduzierte Markenartikel. Kläger war der gemäß § 4 UKlaG qualifizierte Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände („vzbz“).

Die von der Beklagten obligatorisch vorgesehene Registrierung für neue Nutzerinnen und Nutzer ihres Online-Shops war so konzipiert, dass eine erfolgreiche Registrierung für den Online-Shop nur dann möglich war, wenn während der Registrierung gleichzeitig dem Erhalt des Newsletters zugestimmt wurde.

Die auf den Registrierungsvorgang folgende E-Mail hatte wörtlich folgenden Inhalt:

"Wir freuen uns über deine Anmeldung. Ein letzter Schritt fehlt noch. Bitte bestätige Deine Anmeldung und Deine Einwilligung in den Erhalt des Newsletters durch Klick auf: [Button] Bestätigen. Ein Widerruf dieser Einwilligung ist jederzeit […] möglich."

Der vzbv mahnte die Beklagte auf Unterlassung ab. Er beanstandete die mangelnde Freiwilligkeit der erteilten datenschutzrechtlichen Einwilligung, da den Betroffenen keine echte Wahlmöglichkeit gegen den Nicht-Empfang des Newsletters eingeräumt werde und die Erforderlichkeit der Kopplung angesichts des Geschäftsmodells der Beklagten nicht gegeben sei.

Die Beklagte rechtfertigte diese Koppelung damit, dass nach ihrem Geschäftskonzept ein schneller Warenumschlag ohne Lagerkosten erforderlich sei, damit die registrierten Mitglieder von den angebotenen günstigen Preisen profitieren könnten. Dieser schnelle Warenumschlag werde gerade durch die Bindung der Mitglieder an den Newsletter-Versand erreicht.

Wie hat das LG München I entschieden?

Das Landgericht München I wies die Klage mit Urteil vom 19. Januar 2024 (Az.: 37 O 4402/23) ab. In seiner Begründung folgte das Gericht im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten.

Nach Auffassung des Gerichts wurde die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht - wie vom vzbv behauptet - durch die E-Mail nach der Registrierung erteilt, sondern bereits im Rahmen des vorangegangenen Registrierungsvorgangs auf der Internetseite der Beklagten eingeholt.

Die E-Mail diene nicht der Einwilligung, sondern vielmehr der Überprüfung der E-Mail-Adresse im Rahmen des Double-Opt-In-Verfahrens.

Im Übrigen genüge die Einwilligung den Anforderungen des Art. 7 DSGVO. Sie werde freiwillig erteilt und verstoße nicht gegen das Koppelungsverbot des Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass für die Beurteilung der Freiwilligkeit eine Gesamtbetrachtung des Geschäfts- bzw. Vertragsmodells erforderlich sei.

Das Geschäftskonzept der Beklagten sehe vor, dass die erheblichen Preisvorteile nur registrierten Mitgliedern gewährt würden. Um die niedrigen Lagerhaltungskosten bei gleichzeitigem Erreichen eines bestimmten Grundumsatzes zu gewährleisten, sei eine entsprechende Bindung der Mitglieder erforderlich. Dieses Vorgehen sei sowohl sachlich als auch datenschutz- und wettbewerbsrechtlich gerechtfertigt. Das Gericht verglich die vorliegende Situation mit der Praxis, bestimmte Vergünstigungen an den Besitz einer Mitgliedskarte zu knüpfen.

Auch in dem Umstand, dass eine Mitgliedschaft im Online-Shop ohne Einwilligung in den Bezug des Newsletters nicht abgeschlossen werden kann, sei keine datenschutzrechtlich geschützte Benachteiligung zu sehen.

Die Entscheidung, keinen Vertrag über die Mitgliedschaft im Online-Shop abzuschließen und gleichzeitig die Einwilligung in den Bezug des Newsletters zu verweigern, sei von der Privatautonomie der Beklagten gedeckt. Zudem sei die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit der Einwilligung in den Erhalt des Newsletters gewährleistet.

Nach Ansicht des Gerichts liege daher keine unzulässige Kopplung im Sinne des Art. 7 Abs. 4 DSGVO vor.

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Learning: Kopplungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO gilt nicht absolut

Das LG München hat damit entschieden, dass das Kopplungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO nicht absolut gilt. Unternehmen dürfen die Privatautonomie einschränken, solange dies verhältnismäßig und auf den Einzelfall zugeschnitten ist. Ungekoppelte Einwilligungen sind nur dann erforderlich, wenn der Betroffene auf den Vertragsschluss angewiesen ist und nicht nur, um eine Wahlmöglichkeit zu haben.

Die enge Auslegung des Art. 7 Abs. 4 DSGVO wird häufig missverstanden. Es wird angenommen, dass eine Einwilligung nur dann erforderlich ist, wenn die Datenverarbeitung für die Leistungserbringung erforderlich ist. In diesen Fällen ist jedoch gar keine Einwilligung erforderlich, da die Datenverarbeitung bereits durch Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO gerechtfertigt ist.

Liegt kein Fall des Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. b DSGVO vor, so ist wesentliches Kriterium für eine datenschutzrechtlich wirksame Einwilligung die Freiwilligkeit ohne Zwangsmoment. Dies wird in Art. 7 Abs. 4 DSGVO konkretisiert. Der Betroffene muss eine echte Wahlmöglichkeit ohne Nachteile haben und darf nicht unter Druck gesetzt werden.

Wird die Freiwilligkeit nicht ernsthaft in Frage gestellt, führt eine Koppelung unter Beachtung der weiteren Anforderungen nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung.

Das LG München betonte zudem, dass es grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit unterliege, Vergünstigungen oder Vorteile unter bestimmten Bedingungen anzubieten. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls (z.B. Mitgliedschaften in Online-Shops, Gewinnspiele, Bezug von Whitepapers oder Teilnahme an Webinaren) und die konkrete Ausgestaltung der Kopplung. Zusätzliche Anforderungen können sich aus den ab Anfang 2022 geltenden Regelungen zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte (vgl. § 327 Abs. 3 BGB) und § 312 Abs. 1a BGB ergeben.

OLG Frankfurt a.M.: Gekoppelte Werbe-Einwilligung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel ist freiwillig im Sinne der DSGVO

Das OLG Frankfurt a. M. hat in seinem Urteil vom 27.06.2019 (Az.: 6 U 6/19) entschieden, dass eine Kopplung von Werbeeinwilligungen mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel nicht gegen das Kopplungsverbot verstößt.

Das OLG Frankfurt am Main sah keinen Verstoß gegen das Kopplungsverbot, da die zu erteilende Einwilligung freiwillig im Sinne von "ohne Zwang" gemäß Art. 2 lit. h der Datenschutzrichtlinie erteilt worden sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass im Sinne der Datenschutzrichtlinie "ohne Zwang" im Sinne einer freien Wahl zu verstehen ist, die Einwilligung nicht zu erteilen, ohne dass sich hieraus Nachteile ergäben.

Das Gericht argumentierte weiter, dass allein die Gewinnchance in einem Gewinnspiel nicht ausreichend sei, um diese Freiwilligkeit entfallen zu lassen. Vielmehr habe der potentielle Teilnehmer die freie Entscheidung, ob er seine Daten dem Unternehmen zur Verfügung stellen möchte oder nicht.

Wann ist eine Einwilligung freiwillig?

Wie bereits erwähnt, ist die Grundvoraussetzung für eine wirksame Einwilligung die „Freiwilligkeit“ gemäß Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Nun stellt sich aber die Frage, wann eine Einwilligung freiwillig ist.

Grundsätzlich bedeutet Freiwilligkeit in diesem Sinne, dass die Einwilligung ohne Druck oder Zwang abgegeben werden kann. Nach Erwägungsgrund 42 der DSGVO ist damit eine echte Wahlfreiheit der betroffenen Person gemeint. Dies bedeutet, dass auch eine Verweigerung oder ein Widerruf der Einwilligung möglich ist, ohne dass der betroffenen Person dadurch Nachteile entstehen.

Freiwilligkeit ist demnach gegeben, wenn kein klares Missverhältnis besteht und kein Verstoß gegen das bereits erwähnte Koppelungsverbot vorliegt. Ein offensichtliches Missverhältnis ist in der Regel dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Einwilligung ohne Zwang erfolgt ist.

Dies ist beispielsweise häufig der Fall, wenn die für die Verarbeitung Verantwortliche eine Behörde ist. Hier ist von einer Zwangslage auszugehen, die durch ein rechtliches Über- und Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet ist.

Das Koppelungsverbot hingegen wurde mit der DSGVO eingeführt und betrifft die Frage, ob die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten abhängig gemacht wird, die für die Erfüllung des Vertrags nicht unbedingt erforderlich sind.

Relatives vs. Absolutes Kopplungsverbot

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob das Koppelungsverbot absolut oder relativ zu verstehen ist. Ein absolutes Koppelungsverbot läge vor, wenn jede Koppelung der Einholung einer Einwilligung zur Datenverarbeitung mit der Erfüllung eines Vertrages als unzulässig angesehen würde. Ausgehend von Erwägungsgrund 43 der Datenschutz-Grundverordnung vertreten einige Juristen die Auffassung, dass das Koppelungsverbot absolut zu verstehen sei.

Die besseren Gründe sprechen jedoch für ein relatives Koppelungsverbot in Art. 7 Abs. 4 DSGVO, denn: Ein absolutes Koppelungsverbot, das die informationelle Privatautonomie des Einzelnen einschränkt und seine personenbezogenen Daten auch gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen vor Neuerungen schützt, wäre mit Blick auf die Grundrechtecharta und die darin verankerte Datenhoheit des Einzelnen sowie das Recht auf freiwillige Preisgabe der eigenen personenbezogenen Daten kaum vertretbar (Heckmann/Paschke in Ehmann/Selmayr, Kommentar zur DSGVO, Rn. 53 zu Art. 7 DSGVO).

Vielmehr ist bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung eine Abwägung vorzunehmen. Dies zeigt auch das oben besprochene Urteil des LG München I, das nicht von einem absoluten Kopplungsverbot ausgeht, sondern eine Einzelfallbetrachtung vornimmt.

Sie möchten mehr erfahren?

Lesen Sie vertiefend zur Freiwilligkeit und dem absoluten und relativen Kopplungsverbot unseren weiterführenden Beitrag Wann ist eine Einwilligung eigentlich "freiwillig" erteilt im Sinne der DSGVO?

Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO

Ist die Datenverarbeitung für die Leistungserbringung erforderlich, bedarf es keiner Einwilligung. In diesen Fällen ist die Datenverarbeitung bereits durch Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO gerechtfertigt und es kommt nicht auf die Freiwilligkeit an.

So ist beispielsweise die Weitergabe der Adressdaten des Kunden beim Versand von Paketware datenschutzrechtlich zulässig. Denn die Weitergabe der Empfängeranschrift ist für die Lieferung der bestellten Ware nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO gesetzlich legitimiert, da sie für die Vertragserfüllung erforderlich ist. Denn ohne die Anschrift ist eine Lieferung im Rahmen eines Versendungskaufs nicht möglich.

Beim Versendungskauf ist neben den Adressdaten sogar die Übermittlung der Telefonnummer gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO erforderlich, da der Liefertermin telefonisch mit dem Kunden abgestimmt wird.

Online-Händler, die hingegen E-Mail-Adressen von Kunden an Paketdienstleister zur Übermittlung von "Versandstatus"- oder "Paketankündigungs"-E-Mails weitergeben wollen, müssen nach der DSGVO sehr wohl eine Einwilligung des Kunden einholen. Diese Datenverarbeitung ist nicht durch Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO gerechtfertigt, da sie zur Vertragserfüllung nicht zwingend notwendig ist.

Beachten Sie zudem, dass vor Gericht die Beweislast der Einwilligung stets beim Datenverwender liegt: Wer sich auf eine Einwilligung beruft, ist hierfür beweispflichtig.

Fazit

Grundsätzlich besteht kein absolutes Kopplungsverbot zwischen einer Registrierung im Online-Shop und einer entsprechenden Newsletter-Anmeldung nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO.

Wichtig ist nur, dass die Einwilligung freiwillig im Sinne des Art. 7 Abs. 4 DSGVO erfolgt, also ohne Druck oder Zwang. Für die Beurteilung der Freiwilligkeit ist stets eine Gesamtbetrachtung des Geschäfts- bzw. Vertragsmodells erforderlich. Das LG München I hat damit eine Grundsatzentscheidung getroffen, wonach das Kopplungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO nicht absolut gilt.

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Bildquelle: Joel_420

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