LG Mannheim: Auf Amazon ist eine „von (…)"- Angabe mit eigener Marke bei gebrandeten No-Name-Produkten unzulässig!
Es ist an der Tagesordnung, dass Online-Händler auf der Plattform Amazon No-Name-Produkte so kennzeichnen, dass die „von (…)"- Angabe ihre Marke trägt. Ziel dahinter ist oft eine wettbewerbswidrige Monopolisierung. Denn sowohl ein Anhängen an solche Angebote als auch die Erstellung einer „Dublette“ birgt die Gefahr von Rechtsverletzungen. In einem aktuellen Urteil hat nun das LG Mannheim klargestellt, dass sich ein so handelnder Online-Händler unter Umständen nicht auf seine markenrechtlichen Ansprüche berufen kann.
Was ist geschehen?
Zwei Händler auf dem Amazon-Marketplace stritten sich vor dem LG Mannheim. Es ging primär um einen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der Marke der Beklagten. Die Beklagte ist Inhaberin einer Marke, welche unter anderem für „Atemschutzmasken“ eingetragen ist. Die Beklagte vertrieb ein solches Produkt über Amazon. Für jenes Produkt hatte die Beklagte als sog. „Ersteinstellerin“ von Amazon die individuelle Identifikationsnummer (ASIN) erhalten. Es handelte sich hierbei um sog. No-Name-Ware.
Wie sieht dieser "von(...)"-Hinweis aus? Um ein besseres Verständnis für die spezifischen Gegebenheiten auf der Plattform Amazon zu vermitteln, haben wir nachstehend einmal ein Beispiel für die Ansicht eines „von“-Feldes wiedergegeben:
Hinweis: Es handelt sich bei dem vorstehenden Screenshot nicht um das streitgegenständliche Amazon-Angebot aus der OLG Hamm-Entscheidung.
Die Klägerin bot unter der identischen ASIN ebenfalls Atemschutzmasken an. Dazu hatte sich die Klägerin an die Angebote der Beklagten „angehängt“, d.h. unter der Verkaufsdarstellung der Beklagten wurde die Klägerin als „weitere Verkäuferin“ geführt. Nach erfolgloser Abmahnung ging die Sache vor das LG Mannheim.
Die Klägerin erhob Klage und begehrte die Festellung, dass sie es nicht zu unterlassen habe, sich allein wegen der Bezeichnung „von (*MARKE*)“ an Amazon-Angebote der Beklagten anzuhängen. Der Testkauf habe ergeben, dass die von der Beklagten bei Amazon vertriebenen Atemschutzmasken ohne jegliche Markennutzung vertrieben würden.
Durch den von der Klägerin vorgenommenen Vertrieb von Atemschutzmasken könne deshalb keine Markenbeeinträchtigung stattfinden. Das Feststellungsinteresse der Klägerin folge aus dem Umstand, dass ein Verbot des Anhängens an eine bereits bestehende ASIN einem kompletten Vertriebsverbot hinsichtlich eines Produkttyps auf Amazon gleichkomme.
Die Beklagte sei aufgrund der im streitgegenständlichen Angebot angegebenen Herkunftsbezeichnung „von (MARKE)“ als Herkunftsunternehmen der vertriebenen Atemschutzmasken aufgetreten. Dies werde dadurch untermauert, dass die Beklagte die dem vertriebenen Produkt zugeordnete EAN-Nummer auf sich registriert und damit auch die Verantwortung für das insoweit vertriebene Produkt als Hersteller übernommen habe. Die Klägerin, die Atemschutzmasken bei Amazon angeboten habe, täusche mit dem Hinweis „von (MARKE)“ über die Herkunft der Produkte, weshalb auch eine Verwechslungsgefahr mit dem Unternehmenskennzeichen und der Marke der Klägerin hervorgerufen werde.
Für die Klägerin wäre es zur Vermeidung eines unlauteren Verhaltens erforderlich gewesen, für die von ihr vertriebenen Produkte eine eigene ASIN mit einer nicht wettbewerbswidrigen Produktbeschreibung zu beantragen.
Exkurs: Erneute Anlage einer Produktbeschreibung bei Amazon mit neuer ASIN wettbewerbswidrig
Mit Hinweisbeschluss vom 20.10.2016 in der Sache Az.: I-4 O 80/16 teilte das OLG Hamm die Rechtsauffassung mit, dass es die sog. Doppelanlage eines identischen Artikels unter einer neuen ASIN (sog. Dublette) auf der Plattform Amazon als unzulässig ansieht.
Die Begründung des OLG Hamm können Sie hier nachlesen.
Die „Reservierung“ von Artikeln auf Amazon ist äußerst verlockend, genießt so ein Erstersteller eines Amazon-Angebots ein Quasi-Exklusivitätsrecht für den Vertrieb der Massenware, sofern man annimmt, dass ein Anhängen an einen solchen Artikel aufgrund einer irreführenden „von“-Angabe unzulässig ist und ferner die Anlage eines weiteren (identischen) Amazon-Artikels ebenfalls unzulässig ist.
LG Mannheim unterbindet Monopolisierungsversuch
Das LG Mannheim (Urteil vom 27.08.2020, Az.: 22 O 11/20) stellte fest, dass es die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht zu unterlassen hat, sich allein wegen der Bezeichnung „von (MARKE)“ an Amazon-Angebote (ASIN) der Beklagten anzuhängen, denn der Beklagten stehe gegenüber der Klägerin kein aus § 14 MarkenG folgender Unterlassungsanspruch zu.
Grundsätzlich ist es Dritten nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, das mit demjenigen identisch ist, für die sie Schutz genießt. Zwar habe die Klägerin mit dem Hinweis in dem streitgegenständigen Angebot „von (MARKE)“ ohne Zustimmung der Beklagten im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen genutzt, für das die Beklagte Schutz genießt.
Allerdings sei es der Beklagten gem. § 242 BGB verwehrt, den Unterlassungsanspruch auf ein solchermaßen kennzeichenverletzendes Handeln der Klägerin zu stützen. Denn die Rechtsposition der Beklagten beruhe auf ihrem eigenen unlauteren, irreführenden Handeln (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG) . Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns der Klägerin werde nämlich einzig und allein durch das irreführende eigene Angebot der Beklagten provoziert, die die Atemschutzmasken als Ersteinstellerin bei Amazon mit dem Hinweis „von (MARKE)“ bewerbe.
Der angesprochene Verkehr fasse eine solche Angabe regelmäßig als ein auf den Hersteller des Produktes hinweisendes Kennzeichen, also eine Marke oder ein sonstiges unternehmensbezogenes Zeichen, auf.
Dies ergebe sich aus der Verbindung mit der vorangestellten und auf einen Ursprung hinweisenden Präposition „von“. Die Beklagte sei aber nicht Herstellerin der bei Amazon angebotenen Atemschutzmasken. Wer sich als „Hersteller“ bezeichne, werde vom Verkehr als ein Unternehmen angesehen, das die von ihm angebotenen Waren im Wesentlichen selbst herstellt.
Er brauche zwar nicht sämtliche Fertigungsschritte vollzogen zu haben. Bei den aus verschiedenen Teilen und aus unterschiedlichem Material bestehenden Waren gehe der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht davon aus, dass alle Teile und alle Substanzen von demjenigen stammen, der sich als Hersteller präsentiert.
Kein schutzwürdiges Eigeninteresse bei falscher „von (MARKE)“-Angabe
Das Gericht machte deutlich, dass ein Online-Händler unzulässig handle, wenn dieser eine von einem Dritten vollständig hergestellt No-Name-Ware mit seiner eigenen Marke brandet, um damit den Eindruck zu vermitteln, das Produkt stamme aus seiner eigenen Produktion (und der Online-Händler wäre damit der Hersteller). So verhalte es sich aber im vorliegenden Fall. Die Beklage habe nicht einmal behauptet, einen Teil der angebotenen Atemschutzmasken selbst gefertigt zu haben, sie geriere sich als Herstellerin, ohne es zu sein.
Der Beklagten fehle, zumal sie die Irreführung durch eine entsprechende Korrektur der eigenen Produktdetailseite umgehend effizient hätte unterbinden können, ein schutzwürdiges Eigeninteresse am Vorgehen gegen die Klägerin. Dem Verhalten der Beklagten schob das Gericht einen Riegel vor: Das Ziel der Beklagten, durch diese Vorgehensweise von vorneherein das auf der Internetplattform Amazon systemimmanente Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, sei wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. Denn hiermit würde ein Wettbewerb hinsichtlich des jeweiligen Produktes auf der Internetplattform Amazon tatsächlich behindert, wenn nicht gar vereitelt.
Wenn das Verhalten der Beklagten Schule machen würde, würde Wettbewerbern das Angebot gleicher Artikel letztlich unmöglich gemacht werden. Denn sie könnten diese nicht unter einer anderen ASIN anbieten, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, solchermaßen irreführend eine „Dublette“ anzubieten.
Auch das OLG Hamm nahm eine Irreführung bei der Verwendung der "von(...)- Angabe bei No-Name-Ware an:
Die Angabe „von“ bei Amazon-Artikeln ist nach dem OLG Hamm (Urteil vom 22.11.2018, Az.: I-4 U 73/18) irreführend und unzulässig, wenn sich der Amazon-Händler selbst benannt, eine sog. No-Name-(Massen-)Ware vorliegt und der benannte Amazon-Händler diesbezüglich nicht Hersteller oder zumindest Quasi-Hersteller (= exklusive Herstellung eines Produkts im Auftrag des Händlers) ist.
Keine markenrechtlichen Ansprüche bei zuvor wettbewerbswidrigem Verhalten
Das Gericht klassifizierte die „von (MARKE)“-Angabe aus genannten Gründen als irreführend i.S.d. § 5 I 1 UWG. Nach dem allgemeinen „Treu und Glauben“-Grundsatz des § 242 BGB sei es der Beklagten verwehrt, ihren markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auf ein solchermaßen wettbewerbswidriges Handeln zu stützen. Denn auch insoweit beruhe die Rechtsposition der Beklagten auf ihrem eigenen unlauteren, irreführenden Handeln.
Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns der Klägerin werde nämlich durch das irreführende eigene Angebot der Beklagten provoziert. Der Beklagten fehle es somit, zumal sie die Irreführung durch eine entsprechende Korrektur der eigenen Produktdetailseite umgehend effizient hätte unterbinden könnte, ein schutzwürdiges Eigeninteresse am Vorgehen gegen die Klägerin.
Fazit
Das LG Mannheim stellte fest, dass ein Online-Händler unzulässig handelt, sofern dieser eine von einem Dritten hergestellte No-Name-Ware mit seiner eigenen Marke brandet, um damit den Eindruck zu vermitteln, das Produkt stamme aus seiner eigenen Produktion (und der Online-Händler wäre damit als Hersteller anzusehen).
Zusätzlich führt ein solches, nach i.S.d. § 5 I 1 UWG wettbewerbswidriges Verhalten dazu, dass eine etwaige unerlaubte Markennutzung durch sich anhängende Online-Händler nicht durch Geltendmachung markenrechtlicher Ansprüche unterbunden/sanktioniert werden kann.
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