LG Kleve: Einmaliger Werbeanruf bei Unternehmer dank mutmaßlicher Einwilligung rechtmäßig
Werbeanrufe sind ein einfacher und schneller Weg, potenzielle Kunden direkt zu erreichen. Im Gegensatz zu Werbe-Mails kann der Angerufene dem Anrufenden viel schwieriger ausweichen. Dennoch sind auch bei Telefonanrufen zur Kaltaquise lauterkeitsrechtliche Einwilligungsvoraussetzungen einzuhalten. Ob ein einmaliger Werbeanruf bei einem Unternehmer ohne dessen ausdrückliche Einwilligung rechtswidrig ist, entschied das LG Kleve am 28.09.2022 (Az: 6 S 81/20). Lesen Sie im Folgenden mehr zur Entscheidung.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Die Beklagte beschäftigte sich mit dem Vertrieb kostenpflichtiger Einträge in einem Branchenbuch. Der Kläger, ein Anwalt, erhielt am 11.07.2019 einen Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten, der die Produkte bewarb. Der Beklagten lag keine Einwilligung für den Werbeanruf vor.
Der Anwalt sah deswegen einen Verstoß gegen das Einwilligungserfordernis nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG und mithin einen rechtswidrigen Eingriff in sein Unternehmerpersönlichkeitsrecht als gegeben.
Weil insbesondere auch die Voraussetzungen einer rechtfertigenden mutmaßlichen Einwilligung nicht erfüllt seien, nahm er die Beklagte gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nahm.
II. Die Entscheidung
Das LG Kleve verneinte mit Urteil vom 28.09.2022 (Az: 6 S 81/20) den Unterlassungsanspruch des klägerischen Anwalts und wies die Klage ab.
Es könne dahinstehen, ob eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Klägers vorliege, da jedenfalls eine mutmaßliche Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 UWG zu bejahen sei. Diese schließe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, derer die Kammer folge, die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in das als verletzt gerügte Persönlichkeitsrecht des Klägers aus.
Erfahrungsgemäß stünden Geschäftsleute und Gewerbetreibende den Werbeanrufen unbekannter Dritter aufgeschlossener gegenüber als private Telefonanschlussinhaber. Im Allgemeinen rechneten Gewerbetreibende mit Anrufen potenzieller Geschäftspartner sowie solcher Personen, die im eigenen geschäftlichen Interesse den Kontakt aufnähmen. Dies sei auch dann der Fall, wenn sie den Telefonanschluss in erster Linie im eigenen Interesse unterhielten.
Mithin bedürfe es nicht zwangsläufig einer ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung.
Vielmehr sei es ausreichend, dass der Anrufer aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des Kontaktierten an einem Werbeanruf vermuten durfte. Entscheidend sei, ob der Anrufende nach den Umständen des Einzelfalles annehmen durfte, dass der Anzurufende den Anruf erwarte oder diesem jedenfalls positiv gegenüberstehe (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1991, Az: I ZR 133/89).
Bei dem Anruf vom 11.07.2019 bot der Mitarbeiter der Beklagten dem Anwalt einen kostenpflichtigen Branchenbucheintrag in einem Anwaltsportal an. Dabei sei der Kläger in seiner beruflichen Eigenschaft als Rechtsanwalt und nicht in seiner Eigenschaft als Verbraucher angerufen worden. Mithin sei eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Klägers in den Werbeanruf nicht erforderlich gewesen. Eine mutmaßliche Einwilligung habe ausgereicht.
Auch stünde der Werbeanruf in einem sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Anzurufenden als Anwalt. Eben aufgrund dieser Tätigkeit des Klägers habe die Beklagte annehmen dürfen, dass der Kläger dem Anruf positiv gegenüberstehe. Das Kennenlernen von Werbemöglichkeiten für die eigene berufliche Tätigkeit liege im Interesse eines jeden Gewerbetreibenden. Vor allem Rechtsanwälte nutzten Werbemöglichkeiten wie Zeitungsannoncen, um potenzielle Mandanten anzusprechen. Ebenso stelle der kostenpflichtige Eintrag in ein Anwaltsportal eine weit verbreitete Werbestrategie von Rechtsanwälten dar.
Die Annahme des Einverständnisses des anzurufenden Gewerbetreibenden rechtfertige sich durch das geringe Maß der Belästigung eines solchen Werbeanrufes (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az: I ZR 87/02). Des Weiteren sei zu beachten, dass in der Anwaltschaft eine nicht unerhebliche Konkurrenz vorherrsche und die Werbemöglichkeiten unter Beachtung des § 43b BRAO begrenzt seien, mithin einer branchenspezifischen Platzierung eine besondere Bedeutung zukomme.
III. Fazit
Nach Ansicht des LG Kleve ist ein einmaliger Anruf bei einem Unternehmer zur Werbung für eine Dienstleistung dann durch eine mutmaßliche Einwilligung gerechtfertigt, wenn die Leistung für den Anrufempfänger objektiv „nützlich“ ist und in sachlichem Zusammenhang zu dessen Tätigkeit stehe.
Entgegen der Behauptung des LG Kleve, es folge der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ist dies allerdings nicht der Fall. Vielmehr vertritt es eine absolute Mindermeinung.
Nach überwiegender Ansicht der Rechtsprechung sind die Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung für Werbeanrufe besonders restriktiv auszulegen und nicht bereits bei objektiver Eignung der beworbenen Leistungen anzunehmen.
Die Entscheidung des LG Kleve sollte insofern keinesfalls als „Freifahrtschein“ für einwilligungsfreie Kaltaquiseanrufe gewertet werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte auch vor einem Werbeanruf bei Unternehmern und Unternehmen stets eine ausdrückliche Einwilligung eingeholt werden.
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