LG Gießen: Netto-Preis für umsatzsteuerbefreite Photovoltaik-Produkte bei Google Shopping rechtmäßig
Seit dem 01.01.2023 kann für Solarmodule und essentielles Zubehör eine reduzierte Mehrwertsteuer von 0% gelten. Ob dies der Fall ist, hängt von der konkreten Verwendung ab. Online-Händler haben dadurch große Schwierigkeiten bei korrekten Preisangaben, weil sich dabei meist entweder nur der ermäßigungsberechtigte oder der -unberechtigte Erwerberkreis berücksichtigen lässt. Als erstes Gericht hat nun das LG Gießen über die Rechtmäßigkeit von bloßen Nettopreisangaben für Photovoltaik in Google-Shopping-Anzeigen entschieden und bei Online-Händlern für Erleichterung gesorgt.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Bei Google Shopping bewarb der Beklagte Batteriespeicher für Photovoltaikanlagen, für deren Verkauf nach § 12 Abs. 3 UStG eine Umsatzsteuerermäßigung auf 0% in Betracht kommt. Dabei gab er den Netto-Preis und nicht den Brutto-Preis inklusive Mehrwertsteuer an und ging mithin pauschal davon aus, dass Erwerber zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung berechtigt seien und mithin der Netto- dem Bruttopreis entspreche.
Auf der mit der Shopping-Anzeige verlinkten Angebotsseite des Beklagten erläuterte dieser sodann die steuerrechtlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung im Detail.
Die Klägerin war der Auffassung, dies sei eine Verletzung der Preisangabenverordnung (PAngV), die grundsätzlich die Angabe des Brutto-Preises vorschreibe.
Der Beklagte hielt dem entgegen, dass im vorliegenden Fall die Umsatzsteuerbefreiung des § 12 Abs. 3 UStG einschlägig sei, wonach Waren für Photovoltaikanlagen von der Umsatzsteuer befreit seien.
II. Die Entscheidung
Das LG Gießen stellte mit Beschluss vom 24.03.2023 (Az: 8 O 3/23) fest, dass das Verhalten des Beklagten keine Verletzung der PAngV darstelle.
1.) Das Dilemma der Online-Händler
Seit dem 01.01.2023 gilt der neue § 12 Abs. 3 UStG, der Online-Händler vor ein Dilemma bei der Preisangabe stellt. Die neue Regelung sieht für Photovoltaikmodule und wesentliches Zubehör eine Senkung der Umsatzsteuer auf 0% vor.
Allerdings gilt dies nicht pauschal für jeden Erwerb, vielmehr wird an die konkrete Verwendung der jeweiligen Solarmodule angeknüpft. Maßgebliches Kriterium ist die Verwendung im privaten bzw. privatähnlichen Bereich. Gewerbliche Erwerber müssen nach wie vor 19% MwSt zahlen.
Diese Differenzierung zwischen verschiedenen Steuersätzen, abhängig davon ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen oder nicht, steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Preiswahrheit und -klarheit im Internet.
Gem. § 3 Abs. 1 PAngV ist der Händler verpflichtet, gegenüber Verbrauchern den Gesamtpreis, d.h. Preise inklusive der Mehrwertsteuer anzugeben. Setzt er den Preis mit 0% USt an, so liegt eine Täuschung derjenigen vor, die nicht nach § 12 Abs. 3 UStG zur Steuerermäßigung berechtigt sind, da sie tatsächlich einen höheren Gesamtpreis (inklusive 19% USt) zahlen müssen.
Setzt der Händler bei der Preisangabe hingegen bei 19% USt an, ist der Preis höher, als er es für eine Vielzahl der Interessenten tatsächlich wäre, und somit möglicherweise nicht mehr konkurrenzfähig. Des Weiteren werden die nach § 12 Abs. 3 UstG Berechtigten über einen für sie tatsächlich günstigeren Preis getäuscht.
Wird ein Preis beworben, der nicht dem tatsächlichen entspricht, handelt es sich um eine eindeutige wettbewerbsrechtliche Irreführung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Eine solche kann Abmahnungen von Mitbewerbern und legitimierten Wettbewerbsverbänden zur Folge haben.
Tipp:
Wie sich die Steuerermäßigung für Photovolatikprodukte im Online-Handel auswirkt, welche Probleme sie für rechtskonforme Preisangaben mit sich bringt und wie diese Probleme bestmöglich gelöst werden können, thematisieren wir in diesem Beitrag.
2.) Entscheidungsfindung im konkreten Fall
Im konkret vorliegenden Fall urteile das LG Gießen, dass die Angabe des Netto-Preises auf der „Google Shopping“ – Plattform durch den Beklagten nicht rechtswidrig sei.
Insbesondere sei darin weder ein Verstoß gegen die PAngV zu sehen, noch sei die Angabe irreführend oder unlauter. Eine Umsatzsteuerbefreiung komme für eine Großzahl der Interessenten in Betracht. Somit sei für diese auch nur der umsatzsteuerbefreite Preis relevant, da sie nur diesen bezahlen müssten. Die Angabe des Bruttopreises könne einen höheren Preis suggerieren als den, der tatsächlich von dem Großteil der Interessenten zu entrichten sei.
Damit wäre eine Bruttopreisangabe ebenso irreführend, sodass sie vorliegend gemäß der PAngV nicht erforderlich sei, da die Verordnung primär dem Schutz des Verbrauchers diene.
Des Weiteren liege der Zweck der Umsatzsteuerbefreiung darin, den Kauf und die Nutzung von Photovoltaikanlagen zu fördern, um so durch eine erhöhte Quote einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Je mehr also die umsatzsteuerbefreiten Interessenten auf die Steuerermäßigung hingewiesen würden, desto besser könne dieser Förderungszweck verfolgt werden. Mithin sei es förderlich, wenn in solchen wie dem vorliegenden Fall der Nettopreis angegeben werde.
Unerheblich sei, dass in Einzelfällen die Möglichkeit eines irreführenden Eindrucks entstehe. Der in Einzelfällen nicht auszuschließende Anlockeffekt sei ebenso wie nicht auszuschließende Fehlvorstellungen Einzelner über die Zusammensetzung des auf Google Shopping angegebenen Preises aufgrund der übergeordneten Erwägungen hinzunehmen.
Insbesondere sei bei der Interessenabwägung zu beachten, dass auf der Angebotsseite im Online-Shop des Beklagten die Details zur Umsatzsteuerbefreiung in hinreichender Verständlichkeit aufgeführt seien.
Der potentielle Käufer könne mithin vor der endgültigen Kaufentscheidung Gewissheit über den tatsächlich von ihm zu zahlenden Kaufpreis erlangen.
III. Fazit
Die vom Gesetzgeber als Anreiz gedachte Steuerermäßigung des § 12 Abs. 3 UStG mutiert im Online-Handel schnell zur rechtlichen Falle. Es herrscht große Rechtsunsicherheit bezüglich der Preisangabe. Bei der Werbung mit steuerermäßigungsfähigen Photovoltaik-Produkten auf „Google Shopping“- Anzeigen hat das LG Gießen nun die ausschließliche Angabe des Preises mit 0% Umsatzsteuer für rechtmäßig erklärt.
Wesentlich in die Entscheidung floss aber die Tatsache ein, dass der Beklagte Händler auf der mit der Shopping-Anzeige verlinkten Angebotsseite ausführliche Erläuterungen über die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Steuerermäßigung bereitstellte und mithin Interessenten noch vor Abschluss eines Kaufs eine fundierte Beurteilung des für Sie geltenden Steuersatzes ermöglichte.
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