LG Gießen: Kein Auskunftsanspruch bei zweckwidrigem Anlass
Immer häufiger müssen sich Gerichte aber mit Fällen befassen, in denen der Anspruch für sachfremde Ziele jenseits des Datenschutzes instrumentalisiert wird. Jüngst beschäftigte auch das LG Gießen eine solche Konstellation, in welcher ein Betroffener die Datenschutzauskunft verlangte, um Leistungsansprüche gegen eine Versicherung zu fundieren.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Der Kläger verfolgte die Rückzahlung zu Unrecht vermeintlich zu Unrecht erhobener Krankenkassenbeiträge von seinem Versicherer.
Um an eine Aufstellung aller Tarifanpassungen seit dem Jahr 2012 zu gelangen und so eine scheinbar rechtswidrige Tariferhöhungspolitik fundieren zu können, verlangte er diese Informationen im Rahmen einer DSGVO-Auskunft vom Versicherer, dem Beklagten im Prozess, heraus.
Die Beklagte verweigerte die Erteilung der Auskunft unter Verweis darauf, dass der Kläger diesen zu instrumentalisieren versuchte, um eine Auflistung der Prämienerhöhungen zu erhalten und eine Leistungsklage zu substantiieren.
Dies sei rechtsmissbräuchlich und vom DSGVO-Auskunftsanspruch, der allein datenschutzrechtliche Ziele anerkenne, nicht umfasst.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung erhob der Kläger Klage auf Auskunftserteilung zum LG Gießen.
II. Die Entscheidung
Das LG Gießen wies die Klage mit Urteil vom 08.09.2022 (AZ: 5 O 1954/21) ab, da es das Vorgehen des Klägers als rechtsmissbräuchlich einstufte.
Der Auskunftsanspruch der Klagepartei lasse sich bei der geschilderten Sachlage nicht auf Art. 15 DSGVO stützen. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB stehe dem entgegen.
Dem Kläger gehe es ausschließlich um die Verfolgung der Leistungsansprüche. Dies sei aber ein völlig verordnungsfremder Zweck. Das Auskunftsrecht des Art 15 DSGVO diene allein dem Zweck, dass der Betroffene sich der Verarbeitung seiner Daten bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen könne.
Dies ergebe sich auch schon aus dem Erwägungsgrund des 63 DSGVO. Ziel des Art. 15 DSGVO sei die Ermöglichung einer Rechtmäßigkeitskontrolle, in deren Rahmen der Betroffene den Inhalt und Umfang der gespeicherten Daten einsehen und beurteilen könne. Auch solle ihm eine Berichtigung gem. Art. 16 DSGVO, eine Löschung gem. Art. 17 DSGVO sowie eine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO ermöglicht werden.
Dem Kläger gehe es im Fall um keines der genannten Ziele. Er mache den Auskunftsanspruch ausdrücklich geltend, um mögliche geldwerte Ansprüche gegen den Versicherer zu prüfen.
Damit sei mit dem Klagebegehren nicht einmal der Titel der Verordnung berührt, der auf den Datenschutz abziele. Für ein derartig fernab liegendes Klagebegehren fehle es somit schon an der Schutzwürdigkeit.
Der Verordnungsgeber habe die Auskunftsrechte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden. Ihm sei es gerade nicht um die Schaffung eines situationsunabhängigen Auskunftsrechts der Verbraucher gegenüber den Unternehmen gegangen. Ein solches existiere im Rechtsverkehr grundsätzlich nicht.
III. Fazit
Die Auskunftsansprüche der DSGVO sollen dem Verbraucher die Möglichkeit geben, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten zu überprüfen und gegebenenfalls einzuschreiten, etwa durch die Berichtigung, Löschung oder die Einschränkung der Verarbeitung.
Werden andere als die eben dargestellten Ziele verfolgt, so gilt dieses Vorgehen nach Ansicht diverser erstinstanzlicher Gerichte als rechtsmissbräuchlich. Insbesondere das Ausnutzen der DSGVO-Auskunftsansprüche für verfolgte Leistungsansprüche soll so einen Fall des Rechtsmissbrauchs darstellen.
Ähnlich urteilte auch bereits das LG Würzburg am 20.7.2022 (Az.: 91 O 537/22).
Dahingegen ließ das Landgericht Erfurt mit Beschluss vom 07.07.2022 (Az.: 8 O 1280/21) erkennen, dass es über die Frage der Verweigerung des Auskunftsrechts beim Verfolgen sachfremder Ziele ein Vorlageverfahren beim EuGH anstrebt. Über Entwicklungen in dieser Sache wird die IT-Recht Kanzlei weiterhin berichten.
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