LG Frankfurt: Mouseover-Effekt reicht für die Information zur Lieferzeit nicht aus!
Nicht selten ist die Lieferzeit für den Kunden ein wichtiges Kaufkriterium. Je kürzer diese ist, desto höher sind die Verkaufschancen für das Unternehmen. Zudem sind Online-Shops gesetzlich verpflichtet, eine Lieferzeit anzugeben. Die Information zur Lieferzeit stellt eine Pflichtinformation im Fernabsatz dar - reicht hierfür eine Belehrung mittels sog. "Mouseover-Effekt"? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Frankfurt in seinem Urteil zu befassen. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des Gerichts in diesem Beitrag.
Was war passiert?
Der Kläger war ein in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen (§ 4 UKlaG) eingetragener Dachverband aller Verbraucherzentralen und anderer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte war eine Online-Händlerin, die über ihre Internetseite Mobiltelefone verkaufte. Dabei hatten Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen eines „Tarif-Bundle“ die Möglichkeit, gleichzeitig mit dem Kaufangebot an die Beklagte auch ein Angebot für einen Mobilfunkvertrag bei einem Mobilfunkanbieter abzugeben.
Hierzu gelangte der Verbraucher durch Anklicken des Buttons „Zum Angebot“ in der Übersicht der angebotenen „Tarif Bundle“ auf eine Internetseite, auf der er einen Tarif verschiedener Mobilfunkanbieter auswählen konnte. Klickte der Kunde innerhalb der Tarifauswahl auf „Jetzt kaufen“, wurde ihm auf einer weiteren Webseite eine „Bestellübersicht“ angezeigt.
Am unteren Ende der Webseite befand sich direkt unter dem Button „IN DEN WARENKORB“ ein Informationstext mit der Überschrift „Servicebedingungen“:
"Deine Vertragslaufzeit beginnt nach erfolgreicher Annahme deiner Bestellung durch den Netzbetreiber. Die Grundgebühr für deinen Vertrag wird ab diesem Zeitpunkt vom Netzbetreiber berechnet. Dies gilt auch, wenn wir das Gerät noch nicht geliefert haben. Die bei deiner Bestellung angegebene Lieferzeit kann sich aufgrund des derzeitigen hohen (Tarif-)Bestellaufkommens, um bis zu 10 Werktage verzögern. Den aktuellen Status deines Tarifs erhältst du per E-Mail. Der Versand der SIM Karte erfolgt mit dem Endgerät. Ein vorheriger Einzelversand der SIM Karte ist aus logistischen Gründen nicht möglich."
Der Button „IN DEN WARENKORB“ wurde erst aktiviert und anklickbar, wenn der Kunde einen neben den „Servicebedingungen“ platziertes Opt-In-Kästchen anhakte. Klickte der Verbraucher sodann den aktivierten „IN DEN WARENKORB“-Button und dann den „Zur Kasse“-Button, erschien nach Eingabe der Lieferadresse unter der Überschrift „Zustellungsmethode“ der bereits angehakte und nicht abwählbare Button „Online IDENT-Check mit PurpleView (2-3 Werktage)“. Rechts neben diesem Button befand sich ein eingekreistes „?“, welches mit einer Hover-Funktion unterlegt war.
Verharrte der Kunde mit dem Mauszeiger auf dem eingekreisten Fragezeichen (= sog. Mouseover-Effekt) wurde folgender Text angezeigt:
"Bei Eingang deiner Bestellung bis 17:00 Uhr erfolgt die Lieferung innerhalb von 2-3 Arbeitstagen. Bitte beachte, dass DHL ihre internen Prozesse entsprechend der jeweiligen spezifischen Covid-19-Risikosituation anpasst. Dies ist insbesondere bei der Annahme und der Übergabe von Postsendungen der Fall. DHL verzichtet darauf, dass der Empfänger bei der Annahme von Paketen und Einschreiben mit persönlicher Übergabe unterschreiben muss. Statt dass der Empfänger bei der Entgegennahme unterschreibt, dokumentieren die Zusteller die erfolgreiche Zustellung mit ihrer eigenen Unterschrift. In Fällen, in denen der Empfänger nicht einverstanden ist, werden die Postsendungen an die nächstgelegene Postfiliale weitergeleitet oder an den Absender zurückgeschickt. Dadurch reduziert auch DHL persönlichen Kontakt zwischen den Empfängern und ihren Zustellern und vermeiden die mögliche Übertragung von Viren über Handscanner oder Stifte. Darüber hinaus empfiehlt die DHL, wenn möglich, einen bevorzugten Ort für den Empfang deiner Pakete anzugeben oder sie direkt an eine Packstation adressieren zu lassen."
Nach Ansicht des Klägers handelt die Beklagte mit diesem Vorgehen unlauter, da sie während des gesamten Bestellvorgangs keine Angaben zur Lieferzeit macht. Zudem handele es sich bei dem Text zu den „Servicebedingungen“ um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die den Verbraucher unangemessen benachteilige bzw. ein wesentliches Recht im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB einschränke und daher unwirksam sei. Der Dachverband klagte daher auf Unterlassung. Hinsichtlich des Bestellvorgangs entgegnete die Beklagte, dass sie zumindest in den FAQ ausreichend über die Lieferzeit informiere.
Wie hat das LG Frankfurt am Main in der Sache entschieden?
Das LG Frankfurt gab dem Kläger mit Urteil vom 17.04.2024 (Az.: 2-06 O 361/22) teilweise Recht.
Hinsichtlich der Rüge, die Beklagte habe nicht hinreichend über den Lieferzeitpunkt informiert, entschied das Gericht zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite für den Erwerb von Mobilfunkgeräten zu werben, ohne hinreichend über die Lieferfrist zu informieren.
Nach Auffassung des Landgerichts erfolgte eine Information über die Lieferzeit im Rahmen des Bestellvorgangs insbesondere nicht durch das eingekreiste "?" neben dem Button "Online IDENT-Check mit PurpleView (2-3 Werktage)“. Ein Verbraucher könne nicht vermuten, dass an dieser Stelle Informationen zur Lieferzeit hinterlegt seien. Zumal sich auch die Klammer neben „Online IDENT-Check mit PurpleView“ erkennbar auf PurpleView beziehe, so dass der Verbraucher gerade nicht von einer Angabe zur Lieferzeit ausgehen könne und werde.
Das Gericht stellte damit fest, dass die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtinformation zur Lieferzeit nicht durch einen Mouseover-Effekt bereitgestellt werden kann. Nach Ansicht des LG Frankfurt muss diese Information vielmehr klar und deutlich sichtbar sein, ohne dass der Verbraucher zusätzliche Aktionen, wie das Bewegen der Maus über bestimmte Bereiche, durchführen muss.
Daran ändert auch das Vorbringen der Beklagten nichts, die Lieferzeit sei zumindest in den FAQ ausreichend mitgeteilt worden. Selbst wenn sich zum Zeitpunkt der gerügten Verletzungshandlungen Angaben zur Lieferzeit in den FAQ befunden haben sollten, wäre dies schon deshalb nicht ausreichend, weil ein Verbraucher, der ein konkretes Produkt kaufen will, nicht davon ausgehen muss, dass die Lieferzeit für das von ihm ausgewählte Produkt in einer „Zusammenstellung besonders häufig gestellter Fragen“ zu finden ist.
Hinsichtlich des Vorwurfs, es handele sich bei den „Servicebedingungen“ um unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen, wies das Gericht die Klage ab. Bei den Angaben zum Vertragsbeginn und zur Zahlungspflicht handele es sich um Bestimmungen und Klarstellungen der vertraglichen Hauptleistungspflichten.
Von der Inhaltskontrolle ausdrücklich ausgenommen sind jedoch Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und die dafür zu zahlende Vergütung unmittelbar festlegen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen). Nach dem zivilrechtlichen Grundsatz der Privatautonomie der Vertragsparteien sind diese in der Bestimmung von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei.
Weitere Gerichtsentscheidungen zum Thema "Mouseover-Effekt":
- Das LG Hamburg urteilte, dass bei einer Preisvergleichsliste innerhalb der Suchmaschine „Google“ bei einer Anzeige zwingend die Versandkosten mit anzugeben sind und dass deren Einblendung lediglich durch einen „Mouseover-Effekt“ nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6 PAngV genügt.
- Das LG Bochum entschied, dass es für eine Grundpreisangabe auf der Verkaufsplattform eBay nicht ausreiche, wenn diese lediglich durch einen Mouseover-Effekt erscheint.
Allgemeines zur fernabsatzrechtlichen Informationspflicht bezüglich des Liefertermins
Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind Online-Händler verpflichtet, eine Lieferzeit anzugeben. Hintergrund ist, dass der (potenzielle) Kunde bei Vertragsschluss darüber informiert werden soll, wie lange er auf die bestellte Ware warten muss. Ein genauer Liefertermin muss laut Gesetz nicht angegeben werden. Dies wäre in der Praxis oft auch gar nicht möglich. Grundsätzlich reicht daher die Angabe einer Zeitspanne aus, um den Anforderungen der Preisangabenverordnung zu genügen.
Aber Achtung: Gerade bei der Angabe von Lieferfristen ist Vorsicht geboten! Als Online- Händler sollten Sie nicht nur darauf achten, wo Sie diese Angabe platzieren, sondern auch, wie Sie sie kommunizieren. Denn die angegebene Lieferzeit ist rechtlich bindend.
Lieferzeitangaben: Auf welche Formulierungen sollte man besser verzichten?
Angesichts der Tatsache, dass unzulässige Lieferzeitangaben zu den „Klassikern“ der Abmahngründe zählen, hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren einige Urteile in Bezug auf zu ungenaue bzw. unzulässige Lieferzeitangaben zu Tage gefördert. Auch in Bezug auf Lieferzeitangaben gilt somit der Grundsatz, dass entsprechend kommunizierte Angaben auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen müssen. In diesem Beitrag klären wir darüber auf, welche Formulierungen im Zusammenhang mit Lieferzeitangaben besser nicht verwendet werden sollten.
Unseren Mandanten stellen wir gerne eine Handlungsanleitung zur Verfügung, wie die Lieferzeiten im Online-Shop richtig mitgeteilt werden sollten.
Fazit
Online-Anbieter sind nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet, ihre potenziellen Käufer über die Lieferzeit zu informieren. Das LG Frankfurt am Main stellte fest, dass diese gesetzlich vorgeschriebene Pflichtinformation zur Lieferzeit nicht durch einen Mouseover-Effekt bereitgestellt werden kann. Nach Ansicht des LG Frankfurt muss diese Information vielmehr klar und deutlich sichtbar sein, ohne dass der Verbraucher zusätzliche Aktionen, wie das Bewegen der Maus über bestimmte Bereiche, durchführen muss.
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