LG Dortmund: Fehlende deutsche Gebrauchsanweisung ist Wettbewerbsverstoß

LG Dortmund: Fehlende deutsche Gebrauchsanweisung ist Wettbewerbsverstoß
Stand: 11.05.2021 5 min

Händler sind nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) bei der Bereitstellung von Produkten dazu verpflichtet, eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung mitzuliefern. Das LG Dortmund hat sich in seinem Urteil vom 26.01.2021 (Az.: 25 O 192/20) damit befasst, ob es wettbewerbswidrig ist, wenn ein Online-Händler lediglich eine Gebrauchsanleitung in englischer Sprache mitliefert.

I.Der Sachverhalt

Der Beklagte betreibt eine Vertriebsplattform, auf der er Gegenstände einkauft und verkauft. In diesem Rahmen bewarb der Beklagte ein Produkt in deutscher Sprache, mit dem Hinweis, die Beschreibung sei nur in englischer Sprache verfügbar.

Der Beklagte war der Ansicht, mit Beifügung der englischsprachigen Anleitung, seinen Verpflichtungen nach §3 Abs. 4 ProdSG ausreichend nachzukommen.


Der Kläger mahnte den Beklagten in Bezug auf den vorstehenden Sachverhalt außergerichtlich ab und forderte diesen erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Kläger führte an, dass der Beklagte das Produkt bewerbe ohne eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beizufügen.

Der Beklagte sei daher zur Unterlassung des Produktvertriebs ohne deutsche Bedienungsanleitung zu verurteilen. Nach Ansicht des Klägers ergebe sich die Notwendigkeit einer deutschen Gebrauchsanweisung aus den entsprechenden Darstellungen im englischsprachigen Nutzungshinweis des Beklagten. Dort seien Warnhinweise zum Produkt in Form von Symbolen enthalten.


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II. Woraus ergibt sich die Pflicht zur Bereitstellung einer Gebrauchsanweisung?

In § 3 Abs. 4 ProdSG heißt es:

"(4) Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern, sofern in den Rechtsverordnungen nach § 8 keine anderen Regelungen vorgesehen sind."

Bei § 3 Abs. 4 ProdSG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung, sodass auch die Möglichkeit besteht, Verstöße wettbewerbsrechtlich zu verfolgen. Konkret drohen Händlern, wenn sie keine geeignete Gebrauchsanweisung zur Verfügung stellen, Abmahnverfahren.

Sobald bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten sind, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern, s.o. Durch spezifischere Bestimmungen aus dem besonderen Produktsicherheitsrecht (zB dem Spielzeug-, Maschinen- oder Aufzugsrecht) kann die Pflicht aus § 3 Abs. 4 ProdSG jedoch verdrängt werden.

Problematisch kann in der Praxis die Frage sein, für welches Produkt nun eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache bereitgestellt werden muss und für welches nicht. Denn die Pflicht nach § 3 Abs. 4 ProdSG besteht nur, wenn „bestimmte Regeln zu beachten (sind), um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten“. Bei der Beurteilung, ob ein Produkt keine Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von Personen in sich birgt, können nach § 3 Abs. S. 2 Nr. 3 ProdSG unter anderem die Warnhinweise, die Gebrauchs- und Bedienungsanleitung sowie alle sonstigen produktbezogenen Angaben oder Informationen zu berücksichtigen sein.

Die Abgrenzung, ob ein Produkt nun eine Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit darstellen kann, muss somit anhand des Einzelfalles beurteilt werden. Zumindest im Hinblick auf Verbraucherprodukte kann in nahezu jedem Fall bei Gebrauch des Produkts eine mögliche Gefährdung für die Sicherheit und/oder Gesundheit – wenn auch nur gedanklich – möglich erscheinen. Somit ist die Sicherheits- bzw. Gesundheitsrelevanz eher weit auszulegen, sodass nahezu jedes Produkt unter die Pflicht des § 3 Abs. 4 ProdSG fallen dürfte.

III. Die Entscheidung


Das LG Dortmund entschied mit Urteil vom 26.01.2021 (Az.: 25 O 192/20), dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §2 Abs. 1 S. 1 UKlaG gegenüber dem Beklagten bestehe. Der Beklagte vertreibe das betreffende Produkt ohne Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache, obwohl dieser gemäß §3 Abs. 4 ProdSG hierzu verpflichtet sei.


§3 Abs. 4 ProdSG bestimme, dass eine deutschsprachige Anleitung mitzuliefern sei, sobald bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten wären, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten.

Beim streitgegenständlichen Produkt des Beklagten seien entsprechende Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten. Dies folge schon daraus, dass in der vom Beklagten beigefügten englischen Gebrauchsanweisung zahlreiche Warn- und Sicherheitshinweise zu erkennen seien.

In der englischsprachigen Anleitung gehe aus den abgedruckten Symbolen hervor, dass es bestimmte Gefahren gebe, die bei der Verwendung zu beachten seien. Der Beklagte habe nicht ausreichend vorgetragen, dass es sich bei diesen, unabhängig von der Sprache verständlichen, Symbolen nicht um Hinweise zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz handele.

Hinweis: Zu beachten ist außerdem, dass die mitgelieferte Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache die Verwendung des konkreten Produkts beschreibt. Nach dem Urteil des LG Essen vom 11.03.2020 (Az.: 44 O 40/19) wird der Verpflichtung des §3 Abs. 4 ProdSG nicht ausreichend nachgekommen, wenn die Bedienungsanleitung zu einem ähnlichen Produkt zur Verfügung gestellt wird, auch wenn kaum Abweichungen vorliegen.

IV. Fazit


Das Urteil des LG Dortmund vom 26.01.2021 (Az.: 25 O 192/20) bestätigt erneut, dass für die meisten Produkte die Verpflichtung nach §3 Abs. 4 ProdSG besteht, eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern.

Beschränkt wird diese Verpflichtung zwar auf die Fälle, in denen bei der Produktverwendung besondere Regelungen für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten sind. Wohl dürfte aber bei nahezu jedem Verbraucherprodukt eine Möglichkeit denkbar sein, bei der die unkorrekte Verwendung zu einer Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit des Benutzers führen könnte.

Zwar ist nicht geregelt, in welcher Form eine Bedienungsanleitung mitzuliefern ist. Eine Verpflichtung, die Bedienungsanleitung in auf Papier gedruckter Form beizufügen, lässt sich aus dem ProdSG nicht ableiten. Nach einem Urteil des OLG Frankfurt (Urt. v. 28.2.2019, 6 U 181/17) genügt es jedoch, wenn dem Käufer vor der Lieferung eine deutschsprachige Bedienungsanleitung per E-Mail als PDF-Datei zur Verfügung gestellt wird.

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