LG Bonn zur irreführenden Bewerbung von Schutzmasken
Schutzmasken sind seit dem Frühjahr 2020 pandemiebedingt aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Doch deren rechtssicherer Verkauf ist an hohe rechtliche Hürden geknüpft. Viele Maskenverkäufer wurden bereits mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen konfrontiert. Das LG Bonn hat zu einer irreführenden Bewerbung von Schutzmasken entschieden.
Worum geht es?
Jeder braucht Sie, entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Schutzmasken. Beim Einkaufen, in Fußgängerzonen, in Verkehrsmitteln oder am Arbeitsplatz: Das Tragen von FFP2-Masken ist seit Anfang des Jahres in vielen Bereichen verpflichtend.
Während bis dahin sog. „Community-Masken“ (einfache, oft selbstgenähte Stoffmasken) oder einfache OP-Schutzmasken weit verbreitet waren, brach der Anwendungsbereich für solche einfacheren Maskenformen durch die gesetzlichen Änderungen quasi weg.
Von nun an sollten Masken mit höherer und standardisierte Schutzklasse (eben mindestens FFP2) die weitere Verbreitung des Coronavirus eindämmen.
Zu diesem Zeitpunkt waren – anders als zu Beginn der Pandemie – entsprechende FFP2-Masken auch ausreichend am Markt verfügbar. Der weit überwiegende Teil von Schutzmasken wird in China gefertigt.
Sogenannte „partikelfiltrierende Halbmasken“ (englisch: „Filtering Face Piece“) werden in Europa in drei Schutzklassen eingeteilt und schützen vor partikelförmigen Schadstoffen wie Staub, Rauch und Aerosolen.
Die drei Schutzklassen werden unterteilt in die Kategorien FFP1, FFP2 und FFP3. Diese Schutzklassen sind nach der technischen Norm EN 149:2001+A1:2009 europaweit normiert. Je höher die Schutzklasse, desto effektiver filtert Maske und darf gegen gesundheitsschädlichere Schadstoffe und höhere Schadstoffkonzentrationen eingesetzt werden als eine Maske mit geringerer Schutzklasse.
In China dagegen finden andere gesetzliche Vorgaben an die Schutzklasse von Atemschutzmasken als in Europa Anwendung. Der typische Standard für Atemschutzmasken in China ist der sogenannte KN95-Standard.
Gerade im Zeitpunkt der enormen Maskenknappheit zu Beginn der Pandemie kamen viele Verbraucher mit solchen KN95-Masken in Kontakt und nicht selten wurde in der Werbung suggeriert, diese seien von der Schutzwirkung her vergleichbar mit dem europäischen Standard FFP2.
Zu Unrecht, wie kürzlich das LG Bonn entschied.
Irreführende Werbung für KN95-Maske
Das LG Bonn musste sich im Jahr 2020 mit dem Wettbewerbsstreit zweier Plattformbetreiber auseinandersetzen, die über das Internet jeweils persönliche Schutzausrüstungen vermitteln.
Der eine Anbieter hatte den anderen Maskenvermittler u.a. wegen der Bewerbung einer KN95-Maske mit der Aussage „ähnlich einer FFP2-Maske“ wettbewerbsrechtlich abmahnen lassen.
Nachdem daraufhin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde, zog der Abmahner vor Gericht und erwirkte beim LG Bonn im August 2020 eine einstweilige Verfügung gegen den Abgemahnten.
Der Abgemahnte ging gegen die im Beschlussweg ergangene einstweilige Verfügung mit Widerspruch vor. So musste das LG Bonn im Rahmen einer mündlichen Verhandlung durch Urteil über die Rechtmäßigkeit des im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen gerichtlichen Titels entscheiden.
Mit Urteil vom 09.12.2020 (Az.: 1 O 275/20) bestätigte das LG Bonn die zuvor ergangene einstweilige Verfügung als rechtmäßig.
Es handele sich bei der streitgegenständlichen KN95-Maske gerade nicht um eine solche Maske, welche die Vorgaben der FFP2-Schutzklasse erfüllt bzw. welche zumindest ähnlich zu einer FFP2-Maske ist:
"Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass die KN95-Atemschutzmasken auch nicht den Anforderungen der DIN EN 149:2009-08 entsprechen (...), da sie entgegen der dortigen Vorgaben nicht in der Lage seien, ölhaltige Aerosole (Paraffinnebel) zu filtern und es ihnen an der erforderlichen Dichtsitze fehle. Dies ergibt sich auch eindeutig aus den vorgelegten Warnhinweisen der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (…). Daher ist nach Auffassung der Kammer auch nicht davon auszugehen, dass die Masken „ähnlich FFP2“ sind. Gegenteiliges hat die Verfügungsbeklagte zudem nicht vorgetragen."
Damit ist nach Ansicht der Richter die Bewerbung der KN95-Maske mit der Aussage „ähnlich einer FFP2-Maske“ irreführend und wettbewerbswidrig.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn für diese ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß PSA-Verordnung (EU) 2016/425 unter Einschaltung einer benannten Stelle und Vornahme einer Baumusterprüfung nicht durchgeführt wurde und die Anforderungen der Norm DIN EN 149:2009-08 nicht erfüllt sind.
Weitere „Probleme“ bei der KN95-Maske
Des Weiteren stritten die Parteien auch darum, ob eine solche KN95-Maske überhaupt mit dem CE-Zeichen versehen werden darf bzw. dass ein CE-Zeichen wenn nur dann angebracht werden darf, sofern dahinter die vierstellige Nummer einer benannten Stelle dargestellt wird.
Auch die Verwendung der Bezeichnung „Atemschutzmaske“ wurde angegriffen, sofern das zu erwerbende Produkt nicht eine europäische Schutzklasse (FFP 1 bis 3) einhält.
Schließlich wurde auch die Abgabe solcher KN95-Masken mangels Verkehrsfähigkeit an Dritte, die nicht eine Gesundheitseinrichtung oder „systemrelevante“ Einrichtung (wie Polizei, Feuerwehr etc.) sind sowie die Nichtbeifügung einer Marktverkehrsfähigkeitsbescheinigung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde (mit der Auskunft, dass es sich um persönliche Schutzausrüstung handelt, die nach der Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie (Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV) und nicht nach der PSA-Verordnung (EU) 2016/425 bereitgestellt werden), beanstandet.
Kurzum: In allen diesen Punkten sah das LG Bonn den Abmahner im Recht.
Der Abgemahnte hat damit gleich in mehreren Punkten gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Dieses Verhalten wurde ihm von den Richtern im Wege der einstweiligen Verfügung bei Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel für den Wiederholungsfall verboten.
Diese einstweilige Verfügung hielt auch dem Widerspruch des Abgemahnten stand und wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Gericht als rechtmäßig bestätigt.
Fazit:
KN95 ist nicht gleich und auch nicht ähnlich FFP2. Und Maskenverkauf ist kein Ponyhof.
Es herrscht – in Zeiten des Überangebots an Masken mehr denn je – ein sehr raues Klima unter den Maskenverkäufern.
Die rechtlichen Voraussetzungen sind hochkomplex, insbesondere was die korrekte Einstufung und Kennzeichnung der Masken anbetrifft. Kleine Fehler werden hier unerbittlich durch Abmahnungen verfolgt.
Verkäufer sollten dabei unbedingt auch darauf achten, was aus anderen Branchen lange bekannt ist:
Chinesische Hersteller bzw. Verkäufer „drucken“ auf die Ware das, was ihnen gefällt. Nur weil sich auf der Maske ein CE-Zeichen befindet, bedeutet dies nicht, dass die Ware auch in der EU verkehrsfähig ist bzw. eine europäische Schutzklasse erfüllt.
Selbst wenn die Maske korrekt gekennzeichnet sein sollte, finden sich in unterschiedlichen Chargen nicht selten massive Abweichungen bei der Fertigungsqualität und Filterleistung.
Diese Defizite können den deutschen Maskenverkäufer nicht nur wettbewerbsrechtliche Probleme - wie im geschilderten Fall - bereiten. Unter Umständen drohen auch weitere, erhebliche finanzielle Risiken. Zu denken ist dabei an Haftungsszenarien wegen Körper- und Gesundheitsschäden der Nutzer aufgrund von Qualitätsmängeln, Kosten für Rückrufe der Ware oder schlicht das Abschreiben nicht (mehr) verkäuflicher, weil nicht verkehrsfähiger Ware.
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