LG Berlin: Zu hoch angegebene UVP ist Wettbewerbsverstoß
Die Werbung mit Preisvorteilen ist eine zentrale Marketingstrategie im Online-Handel, um Kunden die besondere Erschwinglichkeit von Angeboten zu suggerieren und sie durch Ansprache des inneren Spartriebs zu Einkäufen zu bewegen. Beliebt ist im Rahmen der Preiswerbung vor allem die Gegenüberstellung eigener Preise mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen (UVPs). Dass Händler bei der Angabe von UVPs allerdings nicht tricksen und diese der tatsächlichen Preisliste zum Trotz höher ansetzen sollten, zeigt ein aktuelles Urteil des LG Berlin vom 01.06.2021 (Az. 103 O 12/20), das auch Interessantes zur Aktivlegitimation von Wettbewerbsverbänden ausführt. Lesen Sie im Folgenden mehr zur Entscheidung.
I. Der Sachverhalt
Auf seinem Internetauftritt bewarb ein Händler, der Beklagte, seine Erotik-Produkte damit, dass er sie günstiger als die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers anbiete.
Dazu stellte er seinen eigenen Preisen die durchgestrichenen UVPs gegenüber.
Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, hielt die angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen für irreführend. Er war der Überzeugung, die in den Preisgegenüberstellungen genannten unverbindlichen Preisempfehlungen stimmten nicht mit den tatsächlichen Preisempfehlungen der Hersteller überein. Der Beklagte würde diese extra höher angeben, um dem Kunden einen höheren Preisvorteil zu suggerieren. Zur Darlegung seiner Aktivlegitimation behauptete der Kläger, ihm gehöre eine erhebliche Anzahl an Gewerbetreibenden an, die Waren gleicher oder verwandter Art vertrieben.
Der Beklagte bestritt schon die Aktivlegitimation des Klägers. Er führte auf, der Verein müsse die Mitgliedschaft seiner Mitglieder mittels Beitritts- und Aufnahmeerklärungen nachweisen. Des Weiteren wies er daraufhin, dass einem Mitglied-Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und hielt dem Kläger vor, seine Mitgliederliste dementsprechend nicht aktualisiert zu haben. Außerdem seien nicht alle Mitglieder des Vereins zu berücksichtigen. Etwa solche nicht, die „Handel mit Waren aller Art“ betreiben, da diese entweder gar nicht oder kaum mit Erotik-Artikeln handelten und ihnen somit kein wirtschaftliches Gewicht zukäme.
Schließlich warf der Beklagte dem Kläger rechtsmissbräuchliches Verhalten vor. Zum einen, da er eigene Mitglieder nicht abmahne, sondern nur Nicht-Mitglieder. Entgegen dessen sehe die Satzung des Vereins in § 2 Abs. 8 gerade vor, dass auch Mitglieder abgemahnt werden könnten. Zum anderen aufgrund von § 8c Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Der Beklagte brachte vor, es sei anzunehmen, dass die Mitglieder des Vereins nicht aktive, sondern passive seien und der Verein selbst nach Verstößen recherchiere. Der Kläger habe nicht angegeben, welche Mitglieder den angeblichen Wettbewerbsverstoß angezeigt hätten. Dies lasse darauf schließen, dass der Kläger nicht den Hinweis eines Mittbewerbers zum Grund seines Tätigwerdens genommen habe, sondern auf eigene Initiative die Recherche gestartet hätte.
Nach erfolgloser Abmahnung des Beklagten erhob der Kläger schließlich Klage auf Unterlassung beim LG Berlin.
II. Die Entscheidung
Am 01.06.2021 gab das LG Berlin (AZ: 103 O 12/20) dem Kläger Recht. In der Sache hat der Kläger gegen den Beklagten den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 5, 8 Abs. 1 UWG.
1.) Kläger ist aktivlegitimiert
Das LG Berlin stellt fest, dass der Kläger – entgegen der Behauptungen des Beklagten – aktivlegitimiert sei. Er sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
Gemäß § 76 ZPO sei die Prozessführungsbefugnis des Klägers als Verband im Wege des Freibeweisverfahrens von Amts wegen festzustellen. Das Gericht sei überzeugt, dass eine erhebliche Anzahl der Mitglieder des Vereins Gewerbetreibende seien, die die gleichen oder ähnlichen Waren wie der Beklagte vertrieben. Hierfür reiche schon aus, dass sich im Rahmen des Freibeweises feststellen ließe, dass es dem Verband nach der Mitglieder-Struktur um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen ginge. In extremen Fällen, etwa bei engen Oligopolen, könne sogar schon nur die Mitgliedschaft eines Unternehmens ausreichen.
Das Gericht zweifele auch nicht an der Mitgliedereigenschaft der aufgeführten Vereinsmitglieder. Dass die Mitgliederliste wegen der Verfahrensdauer nicht mehr aktuell sein könnte, tue nichts zur Sache. Mit der Mitgliederliste habe der Kläger ausreichend überprüfbare Angaben zu den ihn angehörenden Unternehmen geliefert. Der Beklagte hätte diese substantiiert bestreiten müssen.
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen ein Mitglieds-Unternehmen reiche nicht aus, um an der Richtigkeit der Mitgliederliste zu zweifeln. Schließlich könnte der Geschäftsbetrieb des betroffenen Unternehmens immer noch fortgeführt werden, dies könnte sich auch erst zeitlich verzögert nach der Insolvenzeröffnung entscheiden.
2.) Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten
a) Ausreichendes eigenes Interesse
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers gegenüber dem Beklagten verneint das Gericht. Die vom Verein aufgeführten Unternehmen seien als Mitbewerber im Bereich der Erotik-Artikel ausreichend repräsentativ. Wenigstens drei der allgemeinen Online-Händler als Vereinsmitglieder bieten Erotik-Artikel in nicht unerheblichem Maße an und erzielen damit auch nicht geringe Umsätze. Dies genüge.
Hinzu komme, dass dem Verein als Kläger auch noch spezielle Online-Händler für Erotikprodukte angehörten.
In diesem Fall käme es nicht auf den Umsatz an. Es ginge lediglich darum, dass die Unternehmen am Markt tätig seien, womit sie ein eigenes gewerbliches Interesse vertreten.
b) Kein Verschonen eigener Mitglieder
Die Behauptung des Beklagten, der Kläger schone eigene Mitglieder bei Wettbewerbsverstößen vor Abmahnungen, sei nicht substantiiert und somit unerheblich. Der Kläger spreche eine beachtliche Anzahl an Abmahnungen aus, eine Inanspruchnahme oder Nichtinanspruchnahme könne viele verschiedene Gründe haben. Damit man von „Verschonen“ reden könne, müsse ein planvolles, bewusstes Verhalten feststellbar sein. Für ein solches liefere der Beklagte keine ausreichenden Anhaltspunkte.
c) Keine eigeninitiierte Ermittlung
Zudem stelle das LG Berlin fest, dass die Nichtnennung des Beschwerdeführers des streitgegenständlichen Rechtsverstoßes innerhalb des Vereins kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers darstelle. Wegen dieses Umstands allein sei noch nicht davon auszugehen, dass der Kläger die Rechtsverstöße auf rechtsmissbräuchliche Weise selbst ermittle. Die Kammer verneinte eine Verpflichtung oder Obliegenheit des Klägers, dem Beklagten aufzuführen, wie er auf dessen Rechtsverstoß aufmerksam geworden sei. Schon deshalb stelle sich die Frage des Rechtsmissbrauchs nicht.
3.) Unrichtigkeit der angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen
Es handele sich bei zugrundeliegendem Sachverhalt um einen Fall der irreführenden Werbung.
Die als unverbindliche Preisempfehlung angegebenen Preise entsprächen nicht den tatsächlichen unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers. Dadurch werde beim Kunden der Eindruck einer unzutreffenden Preisersparnis geweckt. Der Kläger habe fundiert dargelegt, warum die angegebenen Preise nicht den tatsächlichen Preisempfehlungen der Hersteller entsprächen.
Bei Preisgegenüberstellungen und Werbung mit besonders niedrigen Preisen treffe die Darlegungsverpflichtung der Berechtigung seiner Preiswerbung grundsätzlich immer den Unterlassungsschuldner, also den Beklagten. Dieser habe der Beklagte hier im Fall nicht genüge getan, er bestreite unsubstantiiert.
Um die Behauptungen des Klägers substantiiert zu bestreiten, hätte der Beklagte aufzeigen müssen, woher seine abweichenden Preisangaben kamen und warum diese entgegen der Annahme des Klägers zutreffend sein sollten. Dies sei nicht geschehen.
Der Beklagte ging offenbar selbst nicht mehr davon aus, dass die von ihm angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen stimmten. Unter Berücksichtigung der prozessualen Wahrheitspflicht habe er bewusst nicht mehr konkret vorgetragen, warum seine angegebene Preise richtig sein sollten.
Die Zulässigkeit der Werbung mit durchgestrichenen UVPs hängt von einer Reihe an Anforderungen ab, welche die IT-Recht Kanzlei in diesem Beitrag zusammengetragen hat.
III. Fazit
Es handelt sich um irreführende Werbung, wenn der Händler neben seinem eigenen Preis eine höhere als die tatsächliche unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers angibt. Dem Käufer wird so eine größere Preisersparnis suggeriert.
Ein bloßes Bestreiten der Behauptung der Unrichtigkeit der unverbindlichen Preisempfehlung reicht für die Entkräftung des Vorwurfs nicht aus. Vielmehr müssten Preislisten des betroffenen Herstellers vorgelegt werden, aus denen sich die höheren Preise tatsächlich ergeben.
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