LG Berlin: Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat irreführend

LG Berlin: Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat irreführend
author
von Axel Stoltenhoff
Stand: 21.09.2022 3 min

Die Verwendung von Zertifikaten und Gütesiegeln ist eine verbreitete Methode, um die besondere Produktqualität hervorzuheben und sich dadurch von Mitbewerbern abzuheben. An die rechtskonforme Werbung sind aber hohe Anforderungen zu stellen. Dass die Werbung mit einem abgelaufenen TÜV-Zertifikat auch dann irreführend ist, wenn das Ablaufdatum konkret genannt wird, entschied das LG Berlin.

I. Der Sachverhalt

In einem Rundschreiben an seine Kunden warb ein Energieversorger mit dem Siegel des TÜV Saarland über geprüfte Abrechnungsgenauigkeit.

Dem Siegel war der Zusatz „Gültig bis 25.6.2020“ beigefügt. Das Rundschreiben war nach diesem Datum verschickt worden.

Die Wettbewerbszentrale sah in dem Werbeschreiben eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG sowie eine unerlaubte Verwendung von Gütezeichen gemäß Anhang 3 Nr. 2 des UWG und klagte gegen das Unternehmen nach erfolgloser Abmahnung vor dem LG Berlin auf Unterlassung.

Der beklagte Energieversorger verteidigte sich mit der Rechtsauffassung, auf die zwischenzeitliche Ungültigkeit des Zertifikats durch den Zusatz „Gültig bis 25.6. 2020“ unzweideutig hingewiesen und damit keine falschen Verbrauchererwartungen hervorgerufen zu haben.

1

II. Das Urteil

Das LG Berlin gab mit Urteil vom 7.12.2021 (AZ.: 103 O 110/20) der Klägerin (Wettbewerbszentrale) Recht. Das Gericht stufte die Werbung als irreführend ein, da mit einem TÜV-Zertifikat geworben werde, das zum Zeitpunkt der Verwendung nicht mehr gültig gewesen sei.

Durch die Werbung mit dem TÜV-Siegel bringe das Unternehmen zum Ausdruck, dass die durch das Siegel belegte besondere Qualität zum Zeitpunkt des Schreibens noch bestehe und nicht einen vergangenen Zeitraum betreffe. Die durch das TÜV-Siegel belegte Abrechnungsgenauigkeit könne nicht dauerhaft unterstellt werden, sondern müsse fortlaufend geprüft und zertifiziert werden.

Die Irreführung entfalle auch nicht durch den Umstand, dass auf den Ablauf der Siegelgültigkeit hingewiesen werde.

Das TÜV-Zertifikat trete blickfangmäßig hervor und erwecke unabhängig vom genauen Inhalt der zugrundeliegenden Prüfung bei den angesprochenen Verkehrskreisen abstrakte Gütevorstellungen im Hinblick auf die beworbene Abrechnungsgenauigkeit.

Auf den Gegenstand der Prüfung (hier: Abrechnungsgenauigkeit) komme es nicht mehr an, sodass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise den erläuternden einschränkenden Zusatz zum TÜV-Logo nicht mehr lesen oder mit der Werbeaussage in Relation setzen werde.

Niemand rechne damit, dass mit objektiv nicht mehr gültigen Zertifikaten geworben werde.

III. Fazit

Bei der Werbung für Waren und Dienstleistungen mit TÜV-Siegeln oder anderen Zertifikaten sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass zum Zeitpunkt der Werbung ein aktuell gültiges Prüfzertifikat vorliegt, das im Streitfall auch belegt werden kann.

Stets unzulässig ist es nämlich, mit abgelaufenen Siegeln und Zertifikaten zu werben. Auch ein Hinweis auf ein vergangenes Ablaufdatum beseitigt die Unzulässigkeit nicht.

Mehr zu den rechtlichen Anforderungen bei der Werbung mit Gütesiegeln und Zertifikaten lesen Sie in diesem Beitrag.

Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

Bildquelle: MDart10 / shutterstock.com

Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare

Beiträge zum Thema

LG Berlin: Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat ist irreführend
(09.05.2022, 14:34 Uhr)
LG Berlin: Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat ist irreführend
Aktuelle Abmahnungen wegen „LGA geprüft“: Was ist bei der Werbung mit diesem Prüfzeichen zu beachten?
(12.08.2020, 12:06 Uhr)
Aktuelle Abmahnungen wegen „LGA geprüft“: Was ist bei der Werbung mit diesem Prüfzeichen zu beachten?
Vorsicht bei Verkauf und Werbung mit GOTS-Siegel
(19.02.2020, 14:13 Uhr)
Vorsicht bei Verkauf und Werbung mit GOTS-Siegel
Regelmäßig im Abmahnfokus: Die Werbung mit Prüfzeichen- und -siegeln
(04.12.2018, 15:54 Uhr)
Regelmäßig im Abmahnfokus: Die Werbung mit Prüfzeichen- und -siegeln
BGH: An Werbung mit Prüfzeichen sind gleiche Anforderungen zu stellen wie an Werbung mit Testergebnissen
(22.08.2016, 09:42 Uhr)
BGH: An Werbung mit Prüfzeichen sind gleiche Anforderungen zu stellen wie an Werbung mit Testergebnissen
LG Wuppertal: Die Kennzeichnung von Produkten mit falscher DIN-EN Norm ist wettbewerbswidrig
(05.04.2016, 08:26 Uhr)
LG Wuppertal: Die Kennzeichnung von Produkten mit falscher DIN-EN Norm ist wettbewerbswidrig
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder

Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.

Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie uns:
IT-Recht Kanzlei
Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller
Alter Messeplatz 2
Tel.: +49 (0)89 / 130 1433-0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433-60
E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de
© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei