LG Berlin: Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat irreführend
Die Verwendung von Zertifikaten und Gütesiegeln ist eine verbreitete Methode, um die besondere Produktqualität hervorzuheben und sich dadurch von Mitbewerbern abzuheben. An die rechtskonforme Werbung sind aber hohe Anforderungen zu stellen. Dass die Werbung mit einem abgelaufenen TÜV-Zertifikat auch dann irreführend ist, wenn das Ablaufdatum konkret genannt wird, entschied das LG Berlin.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
In einem Rundschreiben an seine Kunden warb ein Energieversorger mit dem Siegel des TÜV Saarland über geprüfte Abrechnungsgenauigkeit.
Dem Siegel war der Zusatz „Gültig bis 25.6.2020“ beigefügt. Das Rundschreiben war nach diesem Datum verschickt worden.
Die Wettbewerbszentrale sah in dem Werbeschreiben eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG sowie eine unerlaubte Verwendung von Gütezeichen gemäß Anhang 3 Nr. 2 des UWG und klagte gegen das Unternehmen nach erfolgloser Abmahnung vor dem LG Berlin auf Unterlassung.
Der beklagte Energieversorger verteidigte sich mit der Rechtsauffassung, auf die zwischenzeitliche Ungültigkeit des Zertifikats durch den Zusatz „Gültig bis 25.6. 2020“ unzweideutig hingewiesen und damit keine falschen Verbrauchererwartungen hervorgerufen zu haben.
II. Das Urteil
Das LG Berlin gab mit Urteil vom 7.12.2021 (AZ.: 103 O 110/20) der Klägerin (Wettbewerbszentrale) Recht. Das Gericht stufte die Werbung als irreführend ein, da mit einem TÜV-Zertifikat geworben werde, das zum Zeitpunkt der Verwendung nicht mehr gültig gewesen sei.
Durch die Werbung mit dem TÜV-Siegel bringe das Unternehmen zum Ausdruck, dass die durch das Siegel belegte besondere Qualität zum Zeitpunkt des Schreibens noch bestehe und nicht einen vergangenen Zeitraum betreffe. Die durch das TÜV-Siegel belegte Abrechnungsgenauigkeit könne nicht dauerhaft unterstellt werden, sondern müsse fortlaufend geprüft und zertifiziert werden.
Die Irreführung entfalle auch nicht durch den Umstand, dass auf den Ablauf der Siegelgültigkeit hingewiesen werde.
Das TÜV-Zertifikat trete blickfangmäßig hervor und erwecke unabhängig vom genauen Inhalt der zugrundeliegenden Prüfung bei den angesprochenen Verkehrskreisen abstrakte Gütevorstellungen im Hinblick auf die beworbene Abrechnungsgenauigkeit.
Auf den Gegenstand der Prüfung (hier: Abrechnungsgenauigkeit) komme es nicht mehr an, sodass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise den erläuternden einschränkenden Zusatz zum TÜV-Logo nicht mehr lesen oder mit der Werbeaussage in Relation setzen werde.
Niemand rechne damit, dass mit objektiv nicht mehr gültigen Zertifikaten geworben werde.
III. Fazit
Bei der Werbung für Waren und Dienstleistungen mit TÜV-Siegeln oder anderen Zertifikaten sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass zum Zeitpunkt der Werbung ein aktuell gültiges Prüfzertifikat vorliegt, das im Streitfall auch belegt werden kann.
Stets unzulässig ist es nämlich, mit abgelaufenen Siegeln und Zertifikaten zu werben. Auch ein Hinweis auf ein vergangenes Ablaufdatum beseitigt die Unzulässigkeit nicht.
Mehr zu den rechtlichen Anforderungen bei der Werbung mit Gütesiegeln und Zertifikaten lesen Sie in diesem Beitrag.
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