LG Berlin: Irreführende Bezeichnung von Traubensaft als "alkoholfreier Wein"
Das LG Berlin beschäftigte sich kürzlich mit einem Fall, bei dem die äußerliche Unterscheidung eines alkoholfreien Weines und eines Traubensaftes und die damit zusammenhängende Irreführung von Verbrauchern in Frage stand. Lesen Sie mehr hierzu im heutigen Beitrag!
Inhaltsverzeichnis
Worum ging es?
Der Kläger, ein Dachverband der Verbraucherzentralen und verbraucher- und sozialorientierter Organisationen, machte gegen ein Lebensmittelunternehmen mit Sitz in Frankreich einen Unterlassungsanspruch gem. § 2 UKlaG geltend.
Das beklagte Unternehmen betrieb ein Weingut, in welchem es Wein und weitere Getränke produzierte. Ihr Produkt „Zera Chardonnay“ wurde im März 2020 von einem Verbraucher in Deutschland über die Webseite www.mein-weinhandel.de erworben.
Hierbei handelt es sich um ein Getränk, welches u.a. Traubenextrakt, Hefeextrakt und Traubensaft enthält und in einer Burgunderflasche abgefüllt ist. Auf dem Etikett auf der Flaschenvorderseite ist der Name „Zera Chardonnay“ sowie der Hinweis „Alcohol free, sans alcool“ abgedruckt. Auf der Flaschenrückseite befindet sich ein weiter Hinweis, dass es sich bei dem Getränk um ein „Alkoholfreies Getränk aus Traubenextrakt, Hefeextrakt und Chardonnay Traubensaft – unfermentiert“ handelt.
Dem Kläger zufolge sei diese Aufmachung als Irreführung einzustufen. Verbraucher würden beim Erwerb des Produktes davon ausgehen, einen alkoholfreien Wein zu erhalten und nicht lediglich einen Traubensaft. Die Produktaufmachung verstoße deshalb gegen Art. 7, 17 LMIV sowie §§ 25, 26 WeinG und §§ 3,5 UWG.
Dieser Ansicht folgte die Beklagte nicht. Ihrer Meinung nach lasse weder die Flaschenform, noch die Bezeichnung als „Chardonnay“ oder „Alcohol free“ Rückschlüsse darauf zu, dass es sich um einen alkoholfreien Wein handle. Vielmehr müsste auf dem Rückenetikett nachgelesen werden, ob dies tatsächlich der Fall sei.
Wie hat das LG Berlin entschieden?
Das LG Berlin entschied im streitgegenständlichen Fall (Urteil vom 19.05.2022, Az.: 52 O 273/21) zugunsten des Klägers und sprach ihm den Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG zu.
Diesen stützte das Gericht auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 LMVI, nach dieser Vorschrift dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein.
Von einer Irreführung im Sinne der Norm müsse grundsätzlich ausgegangen werden, wenn Informationen über ein Produkt zur Täuschung von Verbrauchern geeignet seien. Dies beurteile sich nach der Gesamtaufmachung des Produkts, sodass neben dem Wortlaut werblicher Aussagen auch Bilder, Grafiken oder erläuternde bzw. klarstellende Zusatzangaben zu berücksichtigen seien.
Je nach Relevanz der Zutatenzusammensetzung für die Kaufentscheidung könne dies auch Angaben im Zutatenverzeichnis umfassen.
Dem Landgericht zufolge sei an diesen Maßstäben gemessen eine Irreführung durch die Aufmachung des Produkts „Zera Chardonnay“ anzunehmen. Es könne davon ausgegangen werden, dass aufgrund der Produktgestaltung ein Großteil der Verbraucherschaft erwarte, einen alkoholfreien Wein vor sich zu haben, es sich den tatsächlichen Gegebenheiten nach jedoch lediglich um ein Produkt aus Traubensaft handele.
Ursächlich für die Fehlvorstellung sei unter anderem die verwendete Flaschenart, welche allgemein als Rot- und Weißweinflasche bekannt sei. Auch entspreche die Gestaltung des Etiketts und des Flaschenhalses, insbesondere unter Nennung der belieben Rebsorte „Chardonnay“, der typischen Gestaltung von Weinflaschen.
Zwar sei – wie auch vom Beklagten vorgebracht – alleine wegen die Nennung einer Rebsorte nicht immer auf einen Wein rückzuschließen, jedoch lasse sich dem Gericht nach „aus seiner konkreten Verwendung auf dem Etikett einer Burgunderflasche und ohne Hinweis auf ein anderes Produkt auf einen Wein schließen, da die Bezeichnung dem Verbraucher vor allem als Wein geläufig ist.“
Aufgrund des Etikett-Schriftzugs „Alcohol free“ dürfen Verbraucher weiterhin auch davon ausgehen, dass es sich bei dem Produkt um einen alkoholfreien Wein handle. Diese Wertung werde durch den Namen Zera, welcher an das englische Wort zero bzw. französische Wort zéro errinert, noch einmal bestätigt. Das LG führte hierzu weiter aus:
"Der Umstand, dass das Produkt alkoholfrei ist, muss bei dem Verbraucher keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich um einen Wein handelt, da es auch alkoholfreien Wein gibt und ein Hinweis auf ein anderes Produkt auf dem Vorderetikett nicht vorhanden ist."
Entgegen der Ansicht der Beklagten spiele es keine Rolle, dass auch andere Winzer ähnliche Produkte anbieten würden, zumal deren Flaschen oft explizit auf der Flaschenvorderseite Hinweise enthielten, dass es sich bei dem Produkt um Traubensaft handle. Dies habe keine Auswirkung auf Gefahr der Irreführung im konkreten Fall.
Letztlich können dem Gericht zufolge auch die erläuternden Zusatzangaben auf dem Rückenetikett der Flasche die Irreführungsgefahr nicht mehr relativieren. Die durch die Aufmachung hervorgerufene Fehlvorstellung, einen alkoholfreien Wein vor sich zu haben, hätte lediglich durch einen ausdrücklichen Hinweis an einer sofort sichtbaren Stelle ausgeräumt werden können.
Der hier auf der Flaschenrückseite abgedruckte, nicht sofort wahrnehmbare Hinweis im Zutatenverzeichnis, dass es sich um einen Traubensaft handle, reiche dafür nicht aus. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ein großer Teil der Verbraucherschaft keinen Anlass sehe, einen Blick in die zusätzlichen Informationen auf der Rückseite zu werfen, da das Vorderetikett alle vermeintlich relevanten Angaben für die Kaufentscheidung enthalte.
Da somit von einer irreführenden Produktgestaltung und folglich von einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 LMIV auszugehen sei, stehe dem Kläger der geltend gemacht Unterlassungsanspruch zu.
Fazit
Das LG Berlin beschäftigte sich im streitgegenständlichen Fall mit Fragen rund um die Ausgestaltung und Informationen auf Lebensmitteln, hier explizit um die Gestaltung einer Traubensaftflasche, welche den Eindruck einer alkoholfreien Weinflasche erweckte. Die Bezeichnung von Traubensaft als "alkoholfreien Wein" sah das Gericht als irreführend an.
Um Irreführungen von Verbrauchern und damit mögliche Unterlassungsansprüche zu vermeiden, ist es wichtig sicherzustellen, dass diese bei Betrachtung eines Lebensmittels klar erkennen können, um welches Lebensmittel es sich handelt. Sollte dies wie im vorliegenden Fall der Aufmachung der Traubensaftflasche nicht eindeutig der Fall sein, ist es nötig, einen ausdrücklichen Hinweis auf das tatsächliche Produkt bzw. die Verpackung an gut sichtbarer Stelle abzudrucken.
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