Vorsicht beim „Letter of Intent“: Ein verbindlicher Vertrag ist schnell ungewollt geschlossen
Vor allem im Vorfeld von Unternehmenskäufen, aber auch bei größeren IT-Projekten und anderen geplanten Kooperationen schließen die potentiellen Vertragspartner oft sogenannte „Letter of Intent“. Noch während der laufenden Verhandlungen soll die Ernsthaftigkeit der Gespräche und der Wille zum Abschluss des Vertrages dokumentiert werden. Ein Anspruch auf Abschluss des beabsichtigten Vertrages soll jedoch nicht entstehen und ein Abbruch der Verhandlungen möglich bleiben. Damit der „Letter of Intent“ tatsächlich eine unverbindliche Absichtserklärung ist, ist bei dessen Abfassung höchste Vorsicht geboten. Was im LoI geregelt werden kann und worauf zu achten ist, klärt der folgende Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
I. Begriff
Ein Letter of Intent (LoI) ist eine unverbindliche Absichtserklärung, die bestätigt, dass die Parteien des LoI in Verhandlungen über einen Vertragsabschluss stehen. Zum Teil wird unter einem LoI eine einseitige Fixierung der Verhandlungsposition des Absenders verstanden. In der Praxis wird der LoI aber oft als von beiden Parteien zu unterzeichnendes Dokument verwendet. Eingesetzt werden Absichtserklärungen u.a. im Vorfeld von Unternehmenskäufen, Softwareverträgen und Kooperationen, insbesondere bei Großprojekten. Sie sollen den Stand der Verhandlungen und deren Ernsthaftigkeit darlegen, sind jedoch rechtlich unverbindlich, d.h. ein Anspruch auf Abschluss des angestrebten Vertrages besteht nicht.
Ein LoI begründet zwar keine Pflicht zum Abschluss des beabsichtigten Hauptvertrages (keine Bindungswirkung). Einzelne Regelungen des LoI wie Exklusivitätsklauseln und Geheimhaltungsvereinbarungen sind jedoch für die vereinbarte Dauer sehr wohl verbindlich.
II. Abgrenzung zu anderen Vertragsformen
1. Memorandum of Understanding
Wird eine Absichtserklärung zwischen mehreren Verhandlungspartnern abgegeben und unterschrieben, spricht man auch von einem „Memorandum of Understanding“ (MoU), ein Begriff aus dem US-amerikanischen Rechtskreis. Es handelt sich ebenfalls um eine reine Absichtserklärung, für die die gleichen Grundsätze wie bei einem LoI gelten. In der Praxis werden die Begriffe zum Teil synonym verwendet. Wie das Dokument betitelt ist, ist unschädlich. Entscheidend ist die inhaltliche Ausgestaltung, aus der hervorgeht, dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt – also um einen LoI oder ein MoU.
2. Vorvertrag
Wie oben bereits dargestellt, ist das Wesensmerkmal eines LoI, dass er eine reine Absichtserklärung darstellt, die keine Bindungswirkung entfaltet. Der LoI ist also von einem Vorvertrag zu unterscheiden, der die Parteien zum Abschluss des Hauptvertrages verpflichtet. In einem Vorvertrag sind bereits die wesentlichen Vertragsbestandteile des späteren Hauptvertrages geregelt. Die Durchführung des Hauptvertrages ist in diesem Fall im Gegensatz zum LoI oder MoU einklagbar. Sinnvoll kann der Abschluss eines Vorvertrages beispielsweise sein, wenn dem Hauptvertrag noch tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen (z.B. Baugenehmigung). Die Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages kann in einem solchen Fall im Vorvertrag unter die Bedingung gestellt werden, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt bzw. das Hindernis wegfällt. Ein Vorvertrag kann auch so ausgestaltet sein, dass nur eine Partei gebunden wird, die andere jedoch keine Pflicht zum Vertragsschluss übernimmt.
Achtung!
Ein LoI soll gerade keine Verpflichtung zum Abschluss eines späteren Vertrages begründen. Jedoch ist dies nicht allein durch die Bezeichnung als „Letter of Intent“ oder „Absichtserklärung“ gewährleistet. Bei der Abfassung eines LoI oder eines MoU muss hinreichend zum Ausdruck kommen, dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, um ungewollte Verpflichtungen zu vermeiden. Wenn der Inhalt des LoI neben den wesentlichen vertraglichen Regelungen auch einen entsprechenden Rechtsbindungswillen widerspiegelt, handelt es sich möglicherweise bereits um einen verbindlichen Vorvertrag oder den Hauptvertrag selbst. Auch müssen die Parteien den LoI tatsächlich wie eine unverbindliche Absichtserklärung behandeln, d.h. sie dürfen ihn nicht durch die Forderung an die andere Partei kontakarieren, mit der Leistung bereits zu beginnen. Andernfalls könnte die vermeintliche Absichtserklärung als verbindlicher Vorvertrag oder eine Option ausgelegt werden oder sogar den Hauptvertrag vorwegnehmen.
III. Inhalt eines LoI
1. Gegenstand des LoI
Der LoI fasst den Stand der Verhandlungen zusammen und deklariert die grundsätzliche Bereitschaft einer Zusammenarbeit. Unter „Gegenstand des LoI“ sollte daher das geplante Vorhaben erläutert und die bisherigen Gesprächsergebnissen konkretisiert werden. Auch sollte die Unverbindlichkeit der Absichtserklärung festgehalten werden.
Beispiel:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser LoI keine rechtliche Bindung zum Abschluss des beabsichtigten Vertrages entfaltet. Vielmehr haben die Parteien das Recht, jederzeit ohne Angaben von Gründen von weiteren Verhandlungen Abstand zu nehmen.“
2. Zeitplan
Die Parteien können einen konkreten aber unverbindlichen Zeitplan für das weitere Prozedere bis zum beabsichtigten Vertragsschluss festlegen oder sich für eine allgemeine Klausel entscheiden.
Beispiel:
„Die Parteien beabsichtigen, die Vertragsverhandlungen auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse zeitnah abzuschließen und entsprechende Verträge zu schließen. Sie werden daher unverzüglich nach Unterzeichnung und auf der Grundlage dieses LoI ihre Verhandlungen über entsprechende Vereinbarungen fortführen.“
3. Exklusivität
Falls die Parteien exklusiv miteinander verhandeln wollen, sollten sie eine entsprechende Klausel in den LoI aufnehmen.
Beispiel:
„Die Parteien verpflichten sich für die Dauer von [3 Monaten] ab Unterzeichnung dieses LoI exklusiv über den Abschluss der unter Ziffer 1 beschriebenen Regelungen zu verhandeln. Sie verpflichten sich, innerhalb dieses Zeitraums keine Verhandlungen mit anderen Interessenten zu führen und ggf. bereits begonnene Verhandlungen unverzüglich abzubrechen.“
4 Vertraulichkeit
Da im Rahmen von Verhandlungen meist geschäftssensible Daten ausgetauscht werden, sollte eine Geheimhaltungsverpflichtung vereinbart werden, ggf. mit Sanktionen bei Zuwiderhandlung (z.B. Vertragsstrafe).
Beispiel:
„Bereits im Zuge der Verhandlungen, aber auch nach einem allfälligen Vertragsabschluß, werden gegenseitig vertrauliche Informationen und vertrauliche Dokumente übergeben. Als vertraulich gilt auch die Tatsache der Führung von solchen Gesprächen selbst.
Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, sämtliche Informationen und Dokumente, die sie vor oder nach einem allfälligen Vertragsabschluß erhalten haben, vertraulich zu behandeln und zu keiner Zeit, weder direkt noch indirekt, offenzulegen oder zu veröffentlichen oder zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen Dritter zu verwenden. Die Parteien werden ihre Mitarbeiter und Erfüllungsgehilfen entsprechend verpflichten.
Jede Partei ist jederzeit nach einer entsprechenden Aufforderung der anderen Partei verpflichtet, übermittelte Dokumente und eventuell davon angefertigte Kopien oder hierauf basierende eigene Ausarbeitungen zurückzugeben oder zu vernichten bzw. zu löschen.“
5. Laufzeit des LoI
Der LoI tritt automatisch außer Kraft, wenn der beabsichtigte Hauptvertrag geschlossen wird oder ein von den Parteien bestimmter Zeitpunkt überschritten wird.
Beispiel:
„Falls die Parteien sich nicht bis spätestens […] über einen entsprechenden Vertragsabschluß geeinigt haben, tritt dieser LoI mit Ausnahme der Regelungen zur Vertraulichkeit außer Kraft, es sei denn, die Parteien haben einvernehmlich eine Verlängerung der Laufzeit schriftlich vereinbart. Dieser LoI tritt ferner mit dem Abschluss des angestrebten Vertrages außer Kraft.“
6 Kosten
Unter Umständen tätigen die Verhandlungspartner bereits im Vorfeld des beabsichtigten Vertrages umfangreiche Aufwendungen (z.B. Programmierleistungen und Projektierungen bei Softwareerstellungsverträgen). Auch wenn dies nicht der Fall ist, sollte dennoch eine Regelung zu den Aufwendungen der Verhandlungspartner getroffen werden.
Beispiel:
„Jede Partei trägt ihre bisher angefallenen eigenen Kosten sowie die Kosten, die im Zusammenhang mit diesem LoI und den sich anschließenden Verhandlungen für den angestrebten Vertragsabschluss stehen, selbst. Hierzu zählen insbesondere Reisekosten, Anwaltskosten, Recherchekosten, Beraterkosten, Planungskosten usw.“
7 Sonstige Regelungen
Weitere individuelle Regelungen sind möglich (z.B. Befristungen, Bedingungen etc.). In den Schlussbestimmungen sollten Schriftformerfordernis, Salvatorische Klausel sowie Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarung nicht fehlen.
IV Fazit
Wenngleich ein LoI keine Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages auslöst, ist er sinnvoll, um den Verhandlungsstand und die weiteren geplanten Schritte zu fixieren. Besonders wichtig können im Einzelfall eine Exklusivitätsvereinbarung, Geheimhaltungspflichten und eine Kostenregelung zum Ausgleich getätigter Vorleistungen sein.
Ein LoI ist damit ein sinnvolles Instrument potentieller Vertragspartner, schon im Vorfeld eines Vertragsabschlusses den nachhaltigen Willen der Parteien zu einem Vertragsschluss zu demonstrieren und organisatorische und zeitliche Rahmenbedingungen zu klären und damit Vertrauen zu schaffen. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn Vertragsverhandlungen aufgrund komplexer Regelungen über einen längeren Zeitraum andauern. Stets ist jedoch darauf zu achten, den LoI hinreichend von einem bereits verbindlichen Vertrag oder Vorvertrag abzugrenzen.
(Auszüge des Textes wurden auch veröffentlicht im IT-Rechts-Lexikon 2010)
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julos / stockxpert
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10 Kommentare
-eine sehr gute Information und Hilfestellung
ein toller Beitrag, sofern man aus der Ecke des Kunden kommt.
Als Hersteller von Software ist es jedoch auch das Ziel, Verbindlichkeit zu schaffen, wenn sich die Vertragsverhandlunegn hinziehen. Mit den ganzen "Wenn und Aber" und der vorherschenden Unverbindlichkeit hätte solch ein Vertrag für mich keinen Wert.
Auch das Thema Kosten ist mir zu einseitig. Es muss geregelt werden, dass auch die bereits geleisteten Arbeiten (bspw. Programmierungen) des Softwareherstellers zu vergüten sind, denn ein LOI kann auch dazu dienen, schon mit dem Projekt zu beginnen, während die Vertragsverhandlungen noch laufen.
Somit wird kostbare Projektzeit gespart. Ein icht zu unterschärtzender Wert, der ja auch vergütet werden muss.
Außerdem fehlt mirt noch der Absatz, wo aufgelistet wird, welchen Stand man bei den Vertragsverhandlungen schon erreicht hat und worüber bereits Einigkeit herrscht.
Ich vertrete das Grundprinzip bei Verträgen, dass die "Einseitigkeit" zu vermeiden ist, also Sicherheit für beide Seiten! In Ihrem Beitrag gibt es nur Sicherheit für den Kunden.
Wenn jemand unsicher ist, einen Vertrag schließen zu wollen, dann sollte er auch keinen LOI abschließen.
Viele Grüße
Frank Schulz
Danke
Die Lösung ! Vielen Dank
mfG aus der Bauhausstadt Dessau
Hans-Joachim Vogl , Technoplot GmbH