Überraschungsboxen im Lebensmittelbereich: Verstoß gegen die LMIV?

Überraschungsboxen liegen im Trend. Auf das boomende Geschäftsmodell springen auch immer mehr Online-Händler im Lebensmittelsektor auf. Mittlerweile können sich Kunden in fast allen erdenklichen Bereichen vom morgendlichen Müsli bis hin zur abendlichen Flasche Wein überraschen lassen. Das für den Kunden Interessante und Spannende ist dabei, dass er nicht genau weiß, was er erhält. Die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) fordert von Shop-Betreibern jedoch, zahlreiche Information wie die Zutatenliste der Produkte bereits vor Abgabe des Kaufangebots bereitzustellen. Das Ende der modernen Wundertüte?
1. Ein Geschäftsmodell auf dem Erfolgskurs
Seitdem der Lebensmittelsektor den Online-Handel erobert hat, versuchen vor allem Jungunternehmer immer neue Marketing-Strategien zu entwickeln, um ihre Produkte für potenzielle Kunden attraktiver zu gestalten. Das Geschäftsmodell mit den Überraschungsboxen ist eines dieser neuen und vor allem sehr erfolgreichen Verkaufsstrategien. Die Besonderheit dieses Geschäftsmodells liegt darin, dass der potenzielle Inhalt der so versandten Pakete vor der Bestellung durch den Verbraucher zwar umschrieben wird, die genaue Zusammensetzung und mithin die Aufgliederung in einzelne Bestandteile dem Kunden aber weder überlassen noch mitgeteilt werden. Vielmehr stellt der Verkäufer die Überraschungsbox autonom nach eigenem Entscheidungsspielraum zusammen.
2. Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel
Die europäische LMIV etabliert bestimmte Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel und soll deren Vertrieb auf dem europäischen Binnenmarkt einheitlich regeln. Für Online-Händler ist insbesondere Art. 14 LMIV von großer Bedeutung. Dieser regelt, dass beim Verkauf von Lebensmitteln über Fernkommunikationsmittel, zu denen vor allem das Internet gehört, stets auf der jeweiligen Produktdetailseite deutlich und gut sichtbar Angaben über nahezu alle Umstände zu machen sind, die auch das physische Lebensmitteletikett abverlangt.
Diese Informationen sollen dem Verbraucher, der die Ware online bei der Bestellung weder optisch prüfen noch wesentliche Angaben über die Beschaffenheit und Zusammensetzung der Ware auf der Produktverpackung einsehen kann, eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen. Auf diese Weise soll der Verbraucher alle wesentlichen Informationen, die seine Kaufentscheidung beeinflussen könnten, bereits vor Abschluss des Kaufvertrages abrufen können.
Grundsätzlich sind daher bei dem Verkauf von Lebensmitteln folgende Angaben verpflichtend:
- die Bezeichnung des Lebensmittels
- das Verzeichnis der Zutaten
- allergene Inhaltsstoffe
- die Menge bestimmter Zutaten oder Klassen von Zutaten
- die Nettofüllmenge
- das Mindesthaltbarkeitsdatum oder das Verbrauchsdatum
- ggf. besondere Anweisungen für die Aufbewahrungen und/ oder Verwendung
- der Name und die Anschrift des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers
- ggf. das Ursprungsland/ der Herkunftsort
- bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Prozent die den vorhandene Alkoholgehalt in Volumenprozent
- eine Nährwertdeklaration
3. Mögliche Kollision von Lebensmittelüberraschungsboxen mit der LMIV
Diese umfassende rechtliche Präzisierungspflicht hätte zur Folge, dass Shop-Betreiber die konkret beinhalteten oder zumindest die in Frage kommenden Produkte bereits vor Einstellen des Überraschungsbox-Angebots aussuchen und dem Kunden die jeweiligen lebensmittelspezifischen Informationen bereits bei der Bestellung verfügbar machen müssten. Der Kunde könnte dann zwar eine informierte Kaufentscheidung treffen, müsste jedoch auf den Überraschungseffekt verzichten. Das Befolgen der Kennzeichnungspflichten würde dementsprechend das Grundkonzept des Geschäftsmodells aushebeln.
4. Informationspflichten nur für konkretes Lebensmittelangebot
Die produktspezifischen Informationspflichten werden nach Art. 14 LMIV jedoch nur bei einem konkreten Verkaufsangebot von vorverpackten Lebensmitteln ausgelöst. Ein solches liegt nur vor, wenn der Händler konkrete Informationen über das jeweilige vorverpackte Lebensmittel und dessen Verkaufspreis angibt. Die Lebensmittel müssen in so deutlicher und umfassender Form vorgestellt bzw. beworben werden, dass ein Verbraucher auf Basis der erhaltenen Information direkt in die Lage versetzt wird, einen entsprechenden Kauf zu tätigen.
Zwar werden auch in Überraschungsboxen verschiedene vorverpackte Lebensmittel angeboten. Die Zusammensetzung der beinhalteten Lebensmittel steht jedoch nicht von vornherein fest. Der Käufer weiß beim Überraschungsbox-Kauf gerade nicht, welche Lebensmittel er konkret erhalten wird. Er wird deshalb nicht in die Lage versetzt, seine Kaufentscheidung vom jeweiligen Box-Inhalt abhängig zu machen. Gegenstand des Kaufvertrags sind keine individuellen, genau benannten Lebensmittel, sondern vielmehr nur ein nicht näher bestimmtes Paket einer bestimmten Lebensmittelkategorie. Es mangelt dementsprechend an dem für ein Lebensmittelangebot notwendigen Merkmal der spezifischen Erkennbarkeit konkreter Lebensmittel.
5. Fazit
Bieten Händler online Überraschungsboxen für Lebensmittel an, liegt kein konkretes Lebensmittelangebot im Sinne von Art. 14 LMIV vor, sodass die lebensmittelspezifischen Online-Informationspflichten nicht ausgelöst werden.
Aus diesem Grund können Shop-Betreiber auf der Produktdetailseite des Box-Angebots auf die Anführung der relevanten Pflichtinformationen für jedes potenziell beinhaltetes Lebensmittel verzichten. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Verbraucher die produktspezifischen Angaben erst nach der Box-Lieferung den jeweiligen Produkt-Etiketten entnehmen kann. Auch wenn es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, empfiehlt es sich, auf der Produktdetailseite einen Hinweis auf mögliche allergene Stoffe aufzunehmen. Ein solcher Allergiker-Hinweis nimmt der Lebensmittel-Box nicht den Überraschungseffekt und ist aus Kundenfreundlichkeit sinnvoll.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
Beiträge zum Thema






0 Kommentare