Wettbewerbswidrig: Wenn die Lebensmittelkennzeichnung nicht deutlich lesbar erfolgt

Wettbewerbswidrig: Wenn die Lebensmittelkennzeichnung nicht deutlich lesbar erfolgt
05.10.2009 | Lesezeit: 5 min

Es ist wettbewerbswidrig Lebensmittel in Fertigpackungen gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, wenn die auf der Verpackung selbst oder auf einem beigefügten Etikett enthaltenen Angaben (z.B. Zutaten, Mindesthaltsbarkeitsdatum etc.) entgegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 LMKV nicht „deutlich lesbar“ sind. Das LG München entschied, dass für die Erreichung guter Lesbarkeit der Pflichtangaben in aller Regel die verwendete Schrift eine Versalgröße von mindestens 6 Punkt aufweisen muss.

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die von der Beklagten gewählte Gestaltung der gemäß §§ 3, 4, 5, 6, 7 Abs. 5 LebensmittelkennzeichnungsV (LMKV) und § 5 der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel (TLMV) vorgeschriebenen Angaben betreffend das Verzeichnis der Zutaten, das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Aufbewahrungstemperatur, den Lagerzeitraum nach dem Auftauen und die Warnung vor einem Wiedereinfrieren der Ware.

Die Beklagte betrieb als die für Deutschland zuständige Gesellschaft eines internationalen Konzerns im Inland eine Vielzahl von Möbelhäusern. Dort vertrieb sie auch fertig verpackte Lebensmittel, insbesondere Spezialitäten aus dem Herkunftsland des Konzerns. Unter anderem bot sie tiefgefrorenen Apfelkuchen an. Die nach den o.g. Vorschriften erforderlichen Pflichtangaben, deren Vollständigkeit und Richtigkeit vom Kläger nicht in Frage gestellt wurde, hatte die Beklagte neben den Angaben in 16 weiteren Sprachen auf der Rückseite der Packung in einem kompakten, nicht weiter untergliederten Block angeordnet. Sie wählte für den deutschen Text dabei eine Schriftart und –größe, die in etwa Arial Narrow, 4 Punkt entspricht.

Der Kläger vertrat die Ansicht, damit seien die Angaben nicht mehr deutlich lesbar i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 LMKV. Die Beklagte dagegen vertrat die Auffassung, die Angaben seien in der gewählten Gestaltung gut lesbar. Sie behauptete insoweit, 12 willkürlich ausgewählte Testpersonen unterschiedlichen Alters hätten sie ohne Hilfsmittel und ohne Anstrengung lesen können. Die Frage der Lesbarkeit sei, da es sich dabei um eine Tatsachen- und nicht um eine Rechtsfrage handle, durch Einholung eines demoskopischen Gutachtens zu klären; eine Entscheidung allein aufgrund der Einschätzung der Kammer sei nicht zulässig.

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Entscheidung des LG München

Das LG München entschied (Urteil vom 16.01.2008, Az. 1 HK O 11928/07) , dass vorliegend ein Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG gegeben sei. So habe sich die Beklagte durch die Missachtung der Anforderung an die Lesbarkeit der lebensmittelkennzeichnungsrechtlichen Pflichtangaben in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Die Angaben seien entgegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 LMKV nicht „deutlich lesbar“, da der Text in der von der Beklagten gewählten Gestaltung für einen durchschnittlichen Verbraucher mit normaler Sehkraft bei normalen Lichtverhältnissen nicht auf Anhieb leicht und flüssig erfasst werden könne.

Keine Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich

"Die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „deutlich lesbar“ i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 1 LMKV erfüllt ist, lässt sich durch ein demoskopisches Gutachten alleine nicht beantworten, da es sich nicht allein um eine Tatsachen-, sondern zunächst um eine Rechtsfrage handelt, die i.S. der oben genannten Definition zu beantworten ist.

Ob eine Erfassbarkeit i.S. dieser Definition gegeben ist, kann die Kammer selbst beurteilen. Die Frage ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu beantworten, so dass alle Mitglieder der Kammer Teil der angesprochenen Verkehrskreise sind und aus ihrer übrigen Lebenserfahrung über ausreichende Erfahrungswerte verfügen, um beurteilen zu können, wie andere Personen, die ebenfalls zu diesen Kreisen zu zählen sind, die zu beurteilende Situation einschätzen werden. Da es der Kammer somit nicht an der erforderlichen Sachkunde zur Beurteilung der Tatfrage fehlt, ist vorliegend kein Raum für die Einholung eines Sachverständigengutachtens."

Wann ist etwas "deutlich lesbar" i.S.d. § 3 Abs. 3 Nr. 1 LMKV?

Das LG München wies darauf hin, dass der Gesetzgeber mit seiner Wortwahl klar gestellt habe, dass die von ihm angeordneten Pflichtangaben nicht nur irgendwie, sondern „deutlich“ lesbar sein müssen. Schon zu der im Heilmittelwerberecht im Rahmen von § 4 Abs. 4 HWG a.F. verwendeten Formulierung „erkennbar“ habe der BGH entschieden, dass die Pflichtangaben nicht nur irgendwie entzifferbar, sondern „ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar“ sein müssen (Urteil vom 10.12.1986, GRUR 1987, 301, 302).

Zudem habe der BGH bei der parallel gelagerten Vorschrift des § 4 Abs. 4 HWG klargestellt, dass für die Erreichung guter Lesbarkeit der Pflichtangaben in aller Regel die Verwendung einer Schrift erforderlich sei, die nicht kleiner ist als 6 Punkt. Kleinere Schrifttypen habe der BGH allenfalls unter besonderen Umständen als möglicherweise ausreichend angesehen, wenn der Text z.B. durch Absetzen gegliedert ist oder besonders hohe Zeilen- oder Buchstabenabstände verwendet werden. Voraussetzung sei dabei stets, dass die jeweiligen Angaben keine wichtigen Warnungen betreffen (Beschluss vom 24.11.1988, ZLR 1989, 161, 163).

Waren die streitgegenständlichen Angaben deutlich lesbar?

Nein, das Gericht führte aus:

"Bei normalen Lichtverhältnissen sind die Angaben der Beklagten in der von ihr gewählten Gestaltung nur mit großer Konzentration und gesteigerter Anstrengung erfassbar. Aufgrund der geringen Höhe und noch geringeren Breite der verwendeten Schrifttypen, der engen Laufweite der Buchstaben und der fehlenden Gliederung des ohne Untergliederung und mit einzeiligem Zeilenabstand gestalteten Textblocks müssen selbst Leser mit überdurchschnittlicher Sehkraft sich bei optimalen Lichtverhältnissen sehr darauf konzentrieren, um die einzelnen Worte richtig erkennen zu können und um beim Lesen nicht mit den Augen innerhalb des Textblocks zu verrutschen. Dies gilt insbesondere, wenn die Packung nicht fixiert ist, sondern in der Hand gehalten wird. Dies wird beim Einkauf aber regelmäßig der Fall sein, zumal aufgrund der geringen Schriftgröße der für ein Erkennen der Buchstaben noch mögliche Abstand zwischen Auge und Packung deutlich limitiert ist; die meisten Leser werden sich die Packung daher relativ nahe an die Augen halten.

Den Mitgliedern der Kammer ist es selbst bei sehr guten Lichtverhältnissen jeweils nicht auf Anhieb gelungen, den Text flüssig herunter zu lesen. Wenn aber selbst für Personen mittleren Alters, die sämtliche aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesprochen große Übung darin haben, Texte rasch zu erfassen, eine Lesbarkeit nur bei Aufwendung besonderer Konzentration und unter Inkaufnahme eines deutlich verlangsamten Lesetempos gegeben ist, so ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher, der im Schnitt über eine deutlich geringere Leseübung verfügt, den Text nicht auf Anhieb leicht und flüssig erfassen kann."

Fazit

Gemäß § 3 III Nr. 1 LMKV sind die in § 3 I LMKV vorgegebenen Kennzeichnungselemente auf der Fertigpackung eines Lebensmittels oder einem mit ihr verbundenen Etikett an gut sichtbarer Stelle in deutscher Sprache, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar anzubringen. Das LG München stellte klar, dass eine deutliche Lesbarkeit in der Regel erst gegeben sei, wenn die verwendete Schrift eine Versalgröße von mindestens 6 Punkt aufweise.

Diejenigen, die Lebensmittel in Fertigpackungen in Verkehr bringen, die nicht deutlich lesbar gekennzeichnet sind, verschaffen sich gegenüber Wettbewerbern, deren Produkte eine deutlich lesbare Kennzeichnung aufweisen, einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.

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