LAG Köln: Zugang einer E-Mail muss Absender beweisen
E-Mails sind als einfaches Kommunikationsmittel nicht wegzudenken. Doch auch wenn es schnell und einfach geht, sollte man – vor allem wenn es um die Einhaltung konkreter Fristen geht – nicht leichtfertig darauf vertrauen, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Denn wie eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln verdeutlicht, hat der Absender einer E-Mail den Beweis darüber zu erbringen, dass die E-Mail tatsächlich beim Empfänger angekommen ist.
Verzicht auf Darlehensrückzahlung strittig – Zeitpunkt des E-Mail Zugangs
In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit war dem Kläger – einem angehenden Piloten - ein Darlehen durch seinen Arbeitgeber gewährt worden, um dessen Ausbildung zu finanzieren.
Dabei war vertraglich vereinbart worden, dass der Arbeitgeber für den Fall, dass dieser dem Kläger nicht innerhalb von 5 Jahren nach Beendigung der Ausbildung ein Arbeitsverhältnis anbietet, auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet. Tatsächlich wurde dem Kläger durch den Arbeitgeber zwar ein solches Jobangebot per E-Mail unterbreitet.
Streitig war jedoch, ob die E-Mail innerhalb der vereinbarten Frist beim Kläger zugegangen war.
Der Arbeitgeber bestand darauf, dass die E-Mail am letzten Tag der Frist mit einem entsprechenden Jobangebot, beigefügt als Anlage, an den Kläger verschickt worden sei. Im späteren Prozess verwies er vor allem darauf, dass in seinem Postausgangs- und Posteingangskonto keinerlei Meldung einer Unzustellbarkeit der streitigen E-Mail zu finden war.
Aufgrund des seiner Ansicht nach rechtzeitig zugegangenen Jobangebots begann der Arbeitgeber monatlich 500 Euro vom Lohn des Klägers einzubehalten. Letzterer forderte den einbehaltenen Anteil zurück und erhob schließlich Klage vor dem Arbeitsgericht Köln, nachdem der Arbeitgeber eine Erstattung verweigerte. Vor Gericht führte der Kläger aus, die E-Mail sei erst einige Tage nach Ablauf der Frist bei ihm zugegangen und berief sich insofern auf die vertraglich vereinbarten Verzichtsklausel.
Der Beklagte hingegen bestritt den verspäteten Zugang mit Nichtwissen und beharrte auf einen fristgerechten Zugang.
LAG Köln: Fristgerechter Zugang des Jobangebots vom Arbeitgeber zu beweisen
Nachdem das Arbeitsgericht Köln der Klage des Piloten stattgegeben hatte und dessen Arbeitgeber zur Erstattung des einbehaltenen Lohnanteils verurteilt hatte, legte Letzterer schließlich Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln ein.
Diese blieb ohne Erfolg: Denn nach Auffassung des Gerichts (Urteil vom 11.01.2022, 4 Sa 315/21) trifft den Absender einer E-Mail gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger. Darin heißt es:
"Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht."
Ein solcher Nachweis des Zugangs sei dem Arbeitgeber vorliegend nicht gelungen. Insoweit sei es für den Nachweis nicht ausreichend, sich auf das bloße rechtzeitige Absenden der E-Mail zu berufen.
Das Absenden stelle keinen Anscheinsbeweis für einen entsprechenden Zugang dar. Denn – ähnlich wie bei der Versendung mit der Post – besteht auch im E-Mail Verkehr technisch die Möglichkeit, dass Nachrichten nicht beim Empfänger ankommen. Somit genügt das bloße Bestreiten mit Nichtwissen in Bezug auf einen verspäteten Zugang nicht.
Berücksichtigt man den Umstand, dass der Absender die Art der Übermittlung selbst bestimmt, muss dieser auch das Risiko für den mangelnden Zugang tragen. Unbillig wäre es hingegen, wenn man dem Empfänger jenes Risiko aufbürden würde, da dieser keinerlei Einflussmöglichkeit hat.
Insoweit genügt es für einen etwaige Beweiserleichterung auch nicht, dass der Arbeitgeber vorliegend keine Meldung einer Unzustellbarkeit erhalten hat.
Stattdessen verwies das Gericht auf die technische Möglichkeit, beim Versenden einer E-Mail eine Zugangsbestätigung im Optionsmenü des jeweiligen E-Mail Programms auszuwählen und vom Empfänger eine sogenannte Lesebestätigung anzufordern.
Fazit
Sobald es um die Einhaltung von Fristen oder um Tatsachen geht, die in einem Rechtsstreit beweiserheblich werden könnten, ist es stets sinnvoll, eine Lesebestätigung vom Empfänger anzufordern. Alternativ sollten wichtige (Willens-)Erklärungen mindestens auf zwei unterschiedlichen Wegen (Brief und E-Mail) versendet werden, um die eigene Beweissituation zu stärken.
Andernfalls besteht für den Absender das Risiko, dass er den Nachweis eines Zugangs nicht beweisen kann. Die Entscheidung des LAG Köln gilt nicht nur im arbeitsrechtlichen Bereich, sondern generalisierbar für sämtliche elektronische Kommunikation per E-Mail.
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2 Kommentare
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somit kann der Absender im Ernstfall nichts beweisen, denn den Versand einer Lesebestätigung lässt sich durchaus unterbinden.
Setzen sich die Entscheider eigentlich mit Mail-Programmen konsequent auseinander?
Ich blocke den Versand von Lesebestätigungen regelmässig ab, denn ich mag es nicht, wenn man mich zum Lesen irgendwelcher, insbesondere unerwünschten, Werbe-Angebote abchecken will.