Kündigungsbutton bei Online-Verträgen – Häufig mangelhafte Umsetzung in der Praxis
Seit dem 01.07.2022 gilt in Deutschland die Pflicht zur Vorhaltung einer elektronischen Kündigungsroutine bei bestimmten Verträgen, die mit Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden und die auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet sind, das den Unternehmer zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet. Diese Verpflichtung wird in der Praxis häufig übersehen oder mangelhaft umgesetzt, was zu kostenpflichtigen Abmahnungen führen kann. Im folgenden Beitrag wollen wir die wichtigsten Grundsätze dieser Regelung nochmals ins Gedächtnis rufen.
Inhaltsverzeichnis
- Betroffene Vertragstypen
- Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr
- Auch befristete Verträge betroffen
- Anforderungen an die Kündigungsroutine
- Rechtsfolgen bei unzureichender Kündigungsroutine
- Mangelhafte Umsetzung in der Praxis
- Auswirkungen auf die Praxis
- Betroffene AGB der IT-Recht Kanzlei wurden angepasst
Betroffene Vertragstypen
Die Pflicht zur Vorhaltung einer elektronischen Kündigungsroutine gilt gemäß § 312k Abs. 1 BGB für Verträge, die mit Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden und die auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet sind, das den Unternehmer zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet.
Ausgenommen sind Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist, und Verträge über Finanzdienstleistungen. Ferner ist die neue Regelung nicht anzuwenden bei Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen.
Betroffen sind insbesondere Verträge, welche die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben.
Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr
Die Pflicht zur Vorhaltung einer Kündigungsroutine gemäß § 312k BGB betrifft nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich Verträge zur Begründung von Dauerschuldverhältnissen, die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden können. Dies ist nach der Legaldefinition in § 312i Abs. 1 BGB der Fall, wenn sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient.
Nach unserer Auffassung betrifft dies nur Verträge, die direkt über die Website des Unternehmers geschlossen werden können, vergleichbar mit Verträgen, die etwa über einen klassischen Online-Shop geschlossen werden können. Dagegen betrifft dies nach unserer Auffassung nicht den Fall, dass der Unternehmer seine Leistungen lediglich auf einer Website bewirbt, der Vertrag mit dem Verbraucher aber nicht direkt über die Website, sondern mittels individueller Kommunikation zwischen den Parteien, etwa durch E-Mail-Verkehr geschlossen wird. Dies gilt nach unserer Auffassung auch für den Fall, dass der Unternehmer auf seiner Website ein elektronisches Kontaktformular vorhält, über welches der Verbraucher (unverbindlich) mit dem Unternehmer in Kontakt treten kann, solange Angebot und Annahmeerklärung außerhalb der Website ausgetauscht werden.
Auch befristete Verträge betroffen
Unter die vorgenannte Pflicht zur Vorhaltung einer Kündigungsroutine fallen nach unserer Auffassung neben unbefristeten Verträgen auch befristete Verträge, also solche Verträge, die von Beginn an für eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen werden und sich nicht automatisch verlängern. Dies folgt daraus, dass das Gesetz insoweit nicht zwischen unbefristeten und befristeten Dauerschuldverhältnissen differenziert. Zudem muss der Unternehmer dem Verbraucher im Rahmen der Kündigungsroutine gemäß § 312k Abs. 2 BGB u. a. ermöglichen, Angaben zu machen zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund. Eine außerordentliche Kündigung kommt auch bei befristeten Verträgen in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Anforderungen an die Kündigungsroutine
Der Unternehmer muss dem Verbraucher in den vorgenannten Fällen eine Kündigungsroutine bereitstellen, über die der Verbraucher eine wirksame Kündigungserklärung online abgeben kann. Die näheren Einzelheiten hierzu werden in § 312k Abs. 2 ff. BGB geregelt:
(2) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass der Verbraucher auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung eines auf der Webseite abschließbaren Vertrags nach Absatz 1 Satz 1 über eine Kündigungsschaltfläche abgeben kann. Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Sie muss den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die
1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht Angaben zu machen
a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund,
b) zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit,
c) zur eindeutigen Bezeichnung des Vertrags,
d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll,
e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und
2. eine Bestätigungsschaltfläche enthält, über deren Betätigung der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „jetzt kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Die Schaltflächen und die Bestätigungsseite müssen ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich sein.
(3) Der Verbraucher muss seine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung mit dem Datum und der Uhrzeit der Abgabe auf einem dauerhaften Datenträger so speichern können, dass erkennbar ist, dass die Kündigungserklärung durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegeben wurde.
(4) Der Unternehmer hat dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform zu bestätigen. Es wird vermutet, dass eine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung dem Unternehmer unmittelbar nach ihrer Abgabe zugegangen ist.
Aus den vorgenannten Regelungen ergibt sich, dass es mit der bloßen Einbindung eines Kündigungsbuttons alleine noch nicht getan ist. Dieser soll den elektronischen Kündigungsvorgang lediglich einleiten, muss aber von weiteren technischen Schritten flankiert werden. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung „Kündigungsbutton“ im Zusammenhang mit den gesetzlichen Anforderungen des § 312k BGB nach unserer Auffassung zu kurz gegriffen. Wir bevorzugen in diesem Beitrag daher die Bezeichnung „Kündigungsroutine“.
Update vom 21.11.2024:
Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 26.09.2024 (Aktenzeichen 5 UKI 1/23) entschieden, dass die Bezeichnung "Kündungsabsicht abschicken" für die Bestätigungsschaltfläche nach § 312k BGB unzureichend ist.
Die Bezeichnung „Kündigungsabsicht abschicken“ sei nicht ebenso eindeutig wie „jetzt kündigen“. Jedenfalls könne bei der Formulierung „Kündigungsabsicht abschicken“ und dabei vor allem dem gewählten Wort „Kündigungsabsicht“ der Eindruck entstehen, dass noch keine endgültige Kündigungserklärung damit verbunden ist. Die gewählte Formulierung bringe nicht klar zum Ausdruck, dass das Betätigen der Schaltfläche unmittelbar Rechtsfolgen nach sich zieht und der Verbraucher den Vertrag mit dem Betätigen der Schaltfläche normalerweise verliert. Damit genüge diese Formulierung nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Rechtsfolgen bei unzureichender Kündigungsroutine
Hält der Unternehmer bei entsprechenden Verträgen keine gesetzeskonforme Kündigungsroutine vor, kann der Verbraucher solche Verträge jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wobei die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung hiervon unberührt bleibt.
Außerdem ist ein solches Verhalten auch als Wettbewerbsverstoß anzusehen, der zu kostenpflichtigen Abmahnungen führen kann.
Mangelhafte Umsetzung in der Praxis
Die Verbraucherzentralen haben nach eigener Angabe im Zeitraum vom 18. Juli bis zum 14. Oktober 2022 branchenübergreifend 840 Websites verschiedener Anbieter auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen zum Kündigungsbutton geprüft.
Ergebnis: Bei der Mehrheit der überprüften Websites hatten die Anbieter die gesetzlichen Vorgaben nicht oder nicht ausreichend umgesetzt. Bei 349 Websites fehlte der vorgeschriebene Kündigungsbutton ganz. In 65 Fällen war der Kündigungsbutton auf der Website versteckt und in 38 Fällen war die Beschriftung unzulässig. Zudem stellten die Verbraucherschützer 339 weitere Verstöße im Zusammenhang mit der Bestätigungsseite und dem finalen Bestätigungsbutton fest wie zum Beispiel fehlende Pflichtangaben oder unzulässige Beschriftungen. Nur auf 273 Websites war der Kündigungsbutton vorschriftsmäßig installiert.
Auch im Rahmen unserer Beratungspraxis müssen wir immer wieder feststellen, dass die vorgenannten Pflichten vielen Unternehmern nicht bekannt sind und dass die Pflichten gar nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden.
Auswirkungen auf die Praxis
Die Regelung des § 312k BGB hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis im elektronischen Geschäftsverkehr.
Unternehmer, die mit Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr (auch) Verträge über Dauerschuldverhältnisse schließen, welche nicht unter einen der o. a. Ausnahmetatbestände fallen, müssen ihre Website ggf. unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe technisch umgestalten. Dies betrifft u. a. auch Anbieter von dauerhaften Seminaren, Coachings, Fernunterrichtsverträgen, Online-Kursen und Präsenzkursen, gleich ob befristet oder unbefristet, wenn die Verträge zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen direkt über die Website des Anbieters abgeschlossen werden können.
Zudem kann die Regelung des § 312k BGB auch Auswirkungen auf die AGB betroffener Unternehmer haben, sofern diese darin auch Regelungen zur Kündigung des Vertragsverhältnisses getroffen haben. So muss darin ggf. auch die Möglichkeit zur Kündigung des Vertragsverhältnisses via „Kündigungsbutton“ berücksichtigt werden, sofern der Unternehmer dies auch technisch umgesetzt hat.
Betroffene AGB der IT-Recht Kanzlei wurden angepasst
Die IT-Recht Kanzlei bietet im Rahmen ihrer Schutzpakete u. a. auch Rechtstexte für bestimmte Dauerschuldverhältnisse wie z. B. Seminare, Coachings, Fernunterrichtsverträge, Online-Kurse etc. an. Die in den entsprechenden Schutzpaketen enthaltenen AGB wurden im Hinblick auf die Regelungen zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen um eine Auswahloption für die Möglichkeit zur Kündigung des Vertragsverhältnisses via „Kündigungsbutton“ ergänzt.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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